# taz.de -- Diskurspop: Support your local Schmerz
       
       > Die Hamburger Diskurspop-Band Blumfeld verabschiedet sich mit einer
       > 5-CD-Box: ein Rückblick auf die ersten drei Alben und einige Extras.
       
 (IMG) Bild: Sag leise servus
       
       "Hey, es war eine Spitzenzeit. Ich hoffe, es hat euch gefallen, weve left
       the building." Selbst, wenn Jochen Distelmeyer den Ausknopf betätigt, hört
       sich das noch nach Konzeptkunst an. Vor kurzem hat er seine Band Blumfeld
       "in Absprache mit den anderen Mitgliedern" eines grauen Februartages nach
       17 Jahren und sechs Alben aufgelöst. Einfach so. "Ich bin dann nach Hause
       gefahren, nachdem ich es den anderen erzählt habe. Erleichtert war ich
       danach nicht, aber davon überzeugt, dass ich die richtige Entscheidung
       getroffen habe."
       
       Wenn der Kapitän von Bord geht, dann nicht, ohne zum Sinken des Schiffs
       noch die CD-Box "Ein Lied mehr. The Anthology Archives Vol. 1" als
       Begleitmusik bereitzuhalten. Die Wiederveröffentlichung der ersten drei
       Blumfeld-Alben, plus eine CD mit Outtakes und Alternativversionen sowie die
       CD einer Live-Aufnahme aus dem vergangenen Jahr in Wien sind darin
       zusammengefasst. "Ein perfekter Abschluss für das, was wir gemacht haben",
       findet Distelmeyer, als er zum letzten Mal Blumfeld-Interviews gibt, im
       Hamburger Hotel "Hafen St. Pauli".
       
       "I killed nature with a groove/Als ich mich gestern aus ihr sprengte",
       sprach Distelmeyer in dem Gedicht "Letat et moi" auf dem gleichnamigen
       zweiten Album von 1994. "Letat et moi" besaßen damals alle meine Freunde.
       Wir sahen sie schon auf der ersten Tour, kannten das Debütalbum
       "Ich-Maschine", mochten es aber nicht, weil der Dauereinsatz vom
       Chinacrashbecken des Drummers Texte und Musik zusülzte. Die
       Instrumentalversion von "Lass uns nicht von Sex reden" war live mit Tobias
       Levin an der zweiten Gitarre eh viel schnittiger. Die Doppelsingle danach
       erhöhte die Spannung zusätzlich. Aber "Letat et moi" traf die Stimmung
       perfekt. House, Postrock, Hiphop, alles spielte damals gleichzeitig.
       Distelmeyer droppte 10.000 Reime, kommentierte das Geschehen mit der Verve
       eines Freestyle-Rappers Marke KRS-One.
       
       Mit handstreichartigen Aphorismen wie "Support your local Schmerz" hatte
       Distelmeyer die Bedeutungsdaumenschraube angezogen. Die Schmerzen hätte man
       wohl nie hingenommen, wäre da nicht die kickende Musik gewesen, die
       schneidenden, nach den Dead Kennedys circa 1981 klingenden Gitarren, das
       Geräusch der klappernden Hubschrauberrotoren am Anfang. Auch die
       Dramaturgie des Albums an sich. Das Elvis-Zitat auf dem Cover, eine
       Abwandlung von "50.000.000 Elvisfans cant go wrong", sah nicht nur gut aus,
       die Musik war der Soundtrack zum Sich-fremd-im-eigenen-Land-Fühlen zum
       Ausklang der Kohl-Ära in den 90er-Jahren.
       
       Wie an keiner anderen Band schieden sich an Blumfeld fortan die Geister.
       Keine andere Band wurde für ihr Schaffen so geliebt und so gehasst, bekam
       ähnlich verschwurbelte Artikel in derart großer Zahl geschrieben. Nach
       "Letat et moi" war im Grunde alles gesagt, rückte das kommunale Element im
       Blumfeld-Sound in den Hintergrund. Stattdessen gab es Verfeinerung, hier
       ein Ingeborg-Bachmann-Zitat, da eine gesampelte Bassdrum von Mike Ink und
       immer wieder Songs zur misslichen Lage der Nation.
       
       Die Musik seit "Old Nobody" blieb im Diskurs über Blumfeld aber merkwürdig
       ausgeblendet. Nachdem "Verbotene Früchte", das sechste Album von 2006, wie
       ein Schlüsselwerk der Literaturgeschichte dekonstruiert und in die Tonne
       getreten wurde, löste selbst die Bekanntgabe der Auflösung vor einigen
       Wochen ein mittelschweres Rauschen im Blätterwald aus. Für Außenstehende
       mag die Auflösung dennoch wie ein Sturzflug aus andromedanischen Höhen in
       die Niederungen des ökonomischen Alltags anmuten. Das löst beim
       Protagonisten prompt Einspruch aus. "Unsere künstlerischen Entscheidungen
       unterstanden nie den Kriterien einer Geschäftsidee. Das scheinen Leute, die
       gewohnt sind, dass sich die Coolness von Qualität ausschließlich nach dem
       Marktwert bemisst, nicht mehr auf dem Zettel zu haben."
       
       In Hamburg geht gerade eine Ära zu Ende. Lado Records hat die Pleite knapp
       noch einmal abgewendet, bleibt Blumfeld von der ökonomischen Großwetterlage
       verschont? "Unsere Auflösung hat nichts mit irgendwelchen Finanz- oder
       Vertrauenskrisen zu tun. Pop in Großbuchstaben war für uns spätestens mit
       'Old Nobody' gestorben. Man kann unserer Box auch entnehmen, dass wir uns
       nie als Teil einer Popbewegung gesehen haben", sagt Distelmeyer.
       
       Ein Projekt wie Blumfeld, dachte man früher, sei nie fertig. "Mitte der
       Neunzigerjahre war davon die Rede, dass man ab sofort ohne das muffige
       Modell des Rockstars auskommen würde. Aber die Sehnsucht nach diesen
       Figuren scheint zu groß gewesen zu sein. Die Sehnsucht nach dieser sich
       nicht mehr legitimieren müssenden Figur, die sagt, wie es ist. Das ist eine
       Frage, mit der ich mich die ganze Zeit über bei Blumfeld auseinandergesetzt
       habe. Ich habe das immer auch zurückgewiesen und habe versucht,
       verantwortungsvoller mit dieser an sich hochproblematischen Erwartung
       umzugehen. Eine Auflösung kann dies entdramatisieren."
       
       Blumfeld: "The Anthology Archives Vol. 1" (Blumfeld Tonträger/Indigo),
       Abschiedstour ab April
       
       16 Mar 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julian Weber
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hamburger Schule
       
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