# taz.de -- Eva-Hesse-Biografie: Schaden benennen
> Ärgerlich, altbacken, überflüssig: Michael Jürgs ideologische
> Einlassungen verbauen ihm jeden Zugang zur Biografie der Künstlerin Eva
> Hesse.
(IMG) Bild: Weinerliches Selbstmitleid einer zerfließenden Branche war ihm ein Gräuel: Michael Jürgs
Warum Michael Jürgs glaubte, sich ausgerechnet Gedanken über Eva Hesse
machen zu müssen, bleibt sein Geheimnis. Seine Biografie "Eine berührbare
Frau. Das atemlose Leben der Künstlerin Eva Hesse" liefert dafür jedenfalls
keinen triftigen Grund. Wer sich noch an Ulf Erdmann Zieglers Bericht in
der taz erinnert, über die große Werkschau, die das Museum Wiesbaden 2003
für Eva Hesse ausrichtete, ist über ihr Leben wenigstens so gut und über
ihr Werk um noch einiges besser informiert als derjenige, der dieser Tage
Michael Jürgs 400-Seiten-Wälzer liest.
Vielleicht liegt es daran, dass der ehemalige Chefredakteur von Stern und
Tempo durch den eher kunstfernen Umstand auf Eva Hesse stieß, dass sie von
1936 bis 1938 nur ein paar Häuser von dem Haus entfernt lebte, in dem er
heute in Hamburg wohnt. Das Kapitel, in dem er die Zeitspanne
rekonstruiert, in der der jüdische Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Hesse seine
Familie aus Deutschland herauszubringen versucht, indem er Eva und ihre
Schwester Helen zunächst über einen Kindertransport nach Holland rettet, um
wenig später, unter dem Verlust seines gesamten Vermögens, mit der Familie
nach Amerika zu emigrieren, ist denn auch die eindringlichste Passage des
Buchs.
Als Eva Hesse 1970 mit gerade 34 Jahren an einem Gehirntumor starb,
hinterließ sie ein bahnbrechendes Werk. Ihre Experimente mit neuen
Materialien wie Latex oder Glasfaser, die haptische Qualität ihrer
komplexen und oft sehr fragilen Formen, ihr freier Umgang mit seriellen
Formen wie die Inkaufnahme eines konservatorisch nicht aufzuhaltenden
Verfalls ihrer Arbeiten, all das eröffnete der Kunst damals ganz neue
Perspektiven. Inzwischen ist ihr Werk längst in den wichtigsten Museen der
Welt vertreten und durch Ausstellungen einem breiten Publikum bekannt.
Trotzdem und trotz all seiner Gespräche mit Fachleuten und Freunden, etwa
mit dem Bildhauer Tom Doyle, Hesses Ehemann, oder mit Sol Lewitt, der sein
Leben lang in sie verliebt war, findet Michael Jürgs keinen Zugang zu ihren
Werk. Sein einziger Ansatz ist ideologischer Natur. Michael Jürgs nämlich
will Eva Hesse und ihr Werk vor der feministischen Vereinnahmung retten.
Ja, auch so kann ein großes Ziel ausschauen.
Nun gut, warum nicht? Sofern er den Schaden benennt und diskutiert, den die
feministische Interpretation angerichtet haben soll, der Eva Hesses Leben
und Werk - so suggeriert statt argumentiert er mangels Belegen - offenbar
komplett zum Opfer fiel. Doch dazu fällt ihm so wenig ein wie zu Eva Hesse
selbst. Das macht sein Buch überflüssig, wenn auch nicht zu einem weiter
diskussionswürdigen Problem. Ähnlich dürfte es sich mit mancher
feministischen Hesse-Exegese verhalten.
Eine Warnung vor Michael Jürgs ebenso altbackenem wie naivem Verständnis
von Kunst als Mittel der Erlösung von den gemeinen Alltagsproblemen genügt.
Ja, Eva Hesse selbst war keine Feministin. Aber will man deshalb ihre
Äußerung, wahre Kunst kenne kein Geschlecht, wirklich für bare Münze
nehmen? Du meine Güte! Was hätte sie in ihrer Lage denn sonst sagen sollen?
Die Wahrheit womöglich? Dass Kunst sehr wohl ein Geschlecht kennt, vor
allem große Kunst? Jedenfalls unter den Bedingungen, unter denen
Künstlerinnen bis heute arbeiten? Und dass keine wahre Kunst ihr Problem,
an diesen Bedingungen zu leiden, aus der Welt schaffen kann?
Michael Jürgs: "Eine berührbare Frau. Das atemlose Leben der Künstlerin Eva
Hesse". C. Bertelsmann Verlag, München 2007. 384 Seiten, geb., mit farb.
Bildteil, 19,95 Euro
21 Jul 2007
## AUTOREN
(DIR) Brigitte Werneburg
(DIR) Brigitte Werneburg
## TAGS
(DIR) Schwerpunkt Zeitungskrise
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