# taz.de -- Moscheebau: "Der pensionierte Studienrat wird aktiv"
       
       > Auseinandersetzungen um neue Moscheebauten wie jetzt in Köln sind eine
       > wichtige Vorstufe der Integration, meint Sozialgeograf Thomas M. Schmitt.
       
 (IMG) Bild: Baulicher Ausdruck von Kooperation: Moschee in Mannheim.
       
       taz: Herr Schmitt, im Streit um den geplanten Moscheebau in Köln lässt der
       islamische Dachverband Ditib, der Bauherr, die Höhe der Minarette vom
       Architekten noch einmal überprüfen. Wäre mit kleineren Minaretten etwas
       gewonnen? 
       
       Thomas Schmitt: Das wäre ein Zugeständnis, das einigen Gegnern den Wind aus
       den Segeln nehmen könnte. Aber das gilt natürlich kaum für die
       Rechtspopulisten von Pro Köln, die Moscheen grundsätzlich verhindern
       wollen.
       
       Warum ist die Höhe der Minarette denn so wichtig? 
       
       Vielen Gegnern gelten Minarette als Herrschaftssymbol des Islam. Historisch
       betrachtet hatten Minarette natürlich einmal diese Funktion, genau wie das
       bei christlichen Kirchen der Fall war. Bei Muslimen stehen die Minarette
       oft für Heimat. Man kann Minarette also als Machtanspruch der Muslime
       interpretieren - aber auch als Zeichen der Integration einer
       Bevölkerungsgruppe, die jetzt erstmals baulich sichtbar wird.
       
       In Duisburg gibt es ein Bauprojekt, das dem in Köln sehr ähnlich ist:
       Gebaut wird eine repräsentative Moschee mit hohen Minaretten, der Bauherr
       ist Ditib, der Bauort - wie in Köln - ein Stadtteil mit einem hohen
       Migrantenanteil. In Duisburg gab es keine Proteste. Warum? 
       
       Duisburg hatte seine heftige Islam-Debatte bereits vor zehn Jahren, als
       zwei Moscheevereine den lautsprecherverstärkten Muezzinruf beantragt
       hatten. Die Stadtpolitik hat aus den damaligen Fehlern gelernt und das
       Moscheebauprojekt sehr intensiv begleitet. Es wird innerhalb der Moschee
       ein Begegnungszentrum geben, das vom Land gefördert wird. Eine städtische
       Entwicklungsgesellschaft begleitet den Bau, der Duisburger Moscheeverein
       macht eine vorzügliche Öffentlichkeitsarbeit.
       
       Das macht Ditib in Köln doch auch. Wo ist der Unterschied? 
       
       Ja, Ditib kann man nichts vorwerfen. Und natürlich gibt es auch
       Unterschiede: In Duisburg wird die Moschee in einer zurückgezogenen Ecke
       gebaut, in Köln zentral an einer Ringstraße. Die Moschee wird also nicht
       nur für die Anwohner, sondern im Stadtbild insgesamt präsent sein. Außerdem
       haben die Stadtteile einen unterschiedlichen Charakter: Duisburg-Marxloh
       ist in der Wahrnehmung schon ein türkischer Stadtteil, Köln-Ehrenfeld ist
       gemischt.
       
       Heißt das zugespitzt: Die deutsche Bevölkerung hat Marxloh schon
       aufgegeben, deshalb kann dort eine große Moschee gebaut werden? 
       
       Das kann man so interpretieren. Und man muss natürlich berücksichtigen,
       dass durch Pro Köln der Protest aus der ganzen Stadt kommt.
       
       Jenseits von Pro Köln - wer wird gegen Moscheen aktiv? 
       
       Ich bin häufig auf den Typ pensionierter Studienrat getroffen - auf Leute
       um die 60, die über eine ordentliche Rente und eine gute Bildung verfügen.
       Sie haben wohl Verlustängste, fürchten sich vor der Orientalisierung ihres
       Lebensraums und vor dem Islam. Sobald aber die NPD oder Rechtspopulisten
       auftreten, kann sich das Spektrum sehr verändern.
       
       Sie haben in den 90er-Jahren mit ihrer Forschung begonnen - also weit vor
       dem 11. September 2001. Seitdem hat sich die Debatte über den Islam
       verschärft. Spielt diese Diskursverschiebung eine Rolle? 
       
       Es hat keine Diskursverschiebung gegeben: Die Konflikte, die ich in den
       90er-Jahren beobachtet habe, haben lokal vorweggenommen, was dann später
       eine bundesdeutsche Debatte wurde. Schon damals tauchten alle Argumente wie
       der islamische Fundamentalismus und die Unterdrückung muslimischer Frauen
       auf.
       
       Sind Konflikte wie in Köln die Regel bei Moscheebauten oder eher die
       Ausnahme? 
       
       Es gibt kaum einen Moscheebau ohne sozialen Konflikt, aber die Heftigkeit
       ist unterschiedlich.
       
       Wo ist es gut gelaufen? 
       
       Ich habe ein Lieblingsbeispiel: In Lauingen, einer schwäbischen Kleinstadt,
       ist in den 90er-Jahren ein repräsentativer Kuppelbau gebaut worden.
       
       Ohne Konflikte? 
       
       Fast. Und das lag vor allem am Bürgermeister, der sich damals für einen Bau
       mit Kuppel und Minarett stark gemacht hat, nach dem Motto: Wenn schon
       Moschee, dann richtig. Dieser CSU-Politiker hat sich mit seinem ganzen
       Amtsgewicht und seinem Charisma für den Bau eingesetzt und hat die Kirchen
       und die Opposition miteinbezogen.
       
       Geht das nur in einer Kleinstadt? 
       
       Wenn sich in einer Kleinstadt die Schlüsselakteure dafür aussprechen, geht
       es dort leichter. Aber wenn sie dagegen sind, wird es eben auch extrem
       schwierig. So war es in Bobingen bei Augsburg der Fall: Dort haben Stadtrat
       und Bürgermeister mehrere Jahre lang einen Minarettbau mit baurechtlichen
       Mitteln bekämpft. Nach drei Gerichtsverfahren hätte das Minarett
       schließlich gebaut werden können, die Moscheegemeinde hat dann aber darauf
       verzichtet. In einer Großstadt dagegen gibt es einfach mehr Akteure; die
       Strukturen sind komplexer.
       
       Gibt es in großen Städten auch positive Beispiele? 
       
       In Gladbeck im Ruhrgebiet zum Beispiel. Dort hat die Politik zunächst
       versucht, die Moschee mit Hilfe des Bebauungsplans zu verhindern. Eine
       öffentliche Debatte gab es nicht. Hier hat sich ganz deutlich gezeigt, wie
       wichtig die Angst der Politiker vor möglichen Reaktionen der deutschen
       Bevölkerung ist.
       
       Und wie wurde daraus ein positives Beispiel? 
       
       Dann kam die Kommunalwahl, ein Wechsel in der Stadtspitze, und plötzlich
       war Unterstützung für die Moschee da. Der Bürgermeisterkandidat der CDU hat
       sich sogar im Wahlkampf eindeutig für den Moscheebau ausgesprochen. Und
       nachdem er gewählt worden ist, hat er das innerhalb von ein paar Monaten
       über die Bühne gebracht.
       
       In Mannheim dagegen gab es einen heftigen öffentlichen Streit, heute gilt
       die dortige Ditib-Moschee als Vorzeigebeispiel in Sachen Offenheit und
       Dialog. Gibt es eine solch produktive Wende häufiger? 
       
       Bei Moscheekonflikten passiert es häufig, dass sowohl die Kommunalpolitik
       als auch der Moscheeverein irgendwann merken, dass sie gegensteuern müssen.
       Dann kommt es zu einer verstärkten Kooperation, die die Konflikte
       entschärfen und sogar lösen kann. Dadurch wird auch sichtbar, dass die
       Integration der muslimischen Minderheit kein Automatismus ist, sondern dass
       die Mehrheitsgesellschaft und die muslimischen Vereine etwas dafür tun
       müssen. Insofern haben Moscheekonflikte eine wichtige Funktion.
       
       17 Aug 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sabine am Orde
       
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