# taz.de -- Russland: Putin im Alleingang
       
       > Der Kreml-Herrscher inszeniert seine Nachfolge als unterhaltsamen
       > Mehrteiler. Der neueste Zug: Putin folgt sich selber nach.
       
 (IMG) Bild: Der einsame Putin - mit Klonen wäre die Nachfolge geregelt.
       
       MOSKAU taz Das Rätselraten um die Nachfolge Wladimir Putins im Kreml nähert
       sich der Lösung. Zunächst angelegt wie ein Geduldsspiel, machte der
       russische Präsident aus der Auflösung des Rätsels einen unterhaltsamen
       Mehrteiler. Die Entscheidung, bei den Dumawahlen als Spitzenkandidat der
       Kremlpartei "Geeintes Russland" anzutreten, bringt noch nicht endgültig die
       Lösung, aber Klarheit. Wladimir Putin gedenkt nicht, die Macht in Russland
       abzugeben. Einzig offene Frage: Welche Funktion wird der Kremlherr
       bekleiden, um nach den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr die Macht auch
       weiterhin in den Händen zu halten?
       
       Auf dem Kongress der Kremlpartei erklärte sich der Präsident spontan
       bereit, das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen. Was nach
       Spontaneität aussehen sollte, erinnerte an die Inszenierung der KPdSU:
       Instruierte Kader bitten die Führung im Namen des Proletariats um einen
       allen Werktätigen unter den Nägeln brennenden Gefallen. Die Vorwegnahme der
       Lösung beinhaltet indes noch nicht die Klärung der Zwischenschritte, wie
       sich das Szenario bis zu den Präsidentschaftswahlen entwickeln wird.
       Präsident Putin könnte nach den Dumawahlen vom Amt zurücktreten und dem
       amtierenden Ministerpräsidenten Wiktor Subkow die präsidialen Funktionen
       übertragen. Dass der vor drei Wochen überraschend designierte Premier auch
       Putins erwählter Nachfolger im Kreml ist, gilt inzwischen als sicher.
       
       Noch ist der aus dem politischen Off hervorgezauberte Subkow für die Wähler
       ein unbeschriebenes Blatt. Als amtierender Präsident erhielte er die
       Chance, sich mit Amtsbonus versehen vor dem Wahlgang noch zu profilieren.
       Auch Putins Vorgänger, Boris Jelzin, verfuhr nach diesem Szenario und zog
       sich drei Monate vor dem Urnengang zurück. Da die russische Verfassung
       verbietet, gleichzeitig ein Staatsamt und ein Dumamandat wahrzunehmen,
       müsste Putin nach dem zu erwartenden fulminanten Wahlsieg der Kremlpartei
       auch zu keinen juristischen Taschenspielertricks mehr greifen.
       
       Richtige Spannung dürfte aber erst wieder nach den Dumawahlen aufkommen. Im
       russischen Herrschaftssystem fällt dem Premier und der Regierung nur eine
       ausführende und technische Rolle zu. Damit wird sich Putin nicht zufrieden
       geben. Die Macht liegt beim Präsidenten und ist im Kreml angesiedelt. Die
       wichtigsten Ministerien - das Innen-, Verteidigungsministerium und die
       Sicherheitsdienste - sind dem Kreml unterstellt, wo auch die Außenpolitik
       entworfen wird.
       
       Mit einer komfortablen Mehrheit in der Duma wäre es kein Problem für Putin
       - als Präsident oder Premier -, die Verteilung der Macht zu seinen Gunsten
       zu verändern. Das politische System Russlands ist auf eine kompromisslose
       und autoritäre Vertikale zugeschnitten. Sollte ein zweites Machtzentrum
       entstehen, würde das unweigerlich den Abgesang des Staates in seiner
       jetzigen Form herbeiführen. Zwar hat Putin mit Premier Wiktor Subkow einen
       Nachfolger auserkoren, der keine eigenen politischen Ambitionen zu
       verfolgen scheint. Sobald der Neue mit den Insignien der Macht ausgestattet
       ist, könnte sich aber auch dies ändern. Die Lakaien bei Hofe wären über
       Nacht bereit, auch andere Stiefel zu lecken. Das ist die Quintessenz der
       russischen Geschichte.
       
       Daher bleibt Putin kaum eine andere Wahl, als die Rolle des Präsidenten
       möglichst noch vor dessen Inthronisierung in eine repräsentative Funktion
       mit einer dekorativen Kulisse zu verwandeln. Ein weiteres in der russischen
       Öffentlichkeit diskutiertes Szenario geht davon aus, dass Thronfolger
       Subkow nach kurzer Zeit aus Gesundheitsgründen zurücktritt. Dies würde
       Putin die Möglichkeit eröffnen, im Einklang mit der Verfassung ein drittes
       Mal zu kandidieren. Jedoch birgt auch diese Variante immer noch ein
       Restrisiko. Aber wer will schon wissen, was Wladimir, der
       Illusionskünstler, nicht noch an Überraschungen im Köcher hat?
       
       Eins hat die Scharade um die Präsidentschaftsnachfolge gezeigt: Putin ist
       einsam und traut in seiner Umgebung niemandem. Darunter fallen auch die bis
       vor kurzem noch als potentielle Nachfolger gehandelten Vizepremiers Dmitrij
       Medwedjew und Sergej Iwanow. Putin ließ sie offensichtlich fallen, weil er
       sie als Garanten seiner Sicherheit nicht für ausreichend verlässlich hielt.
       
       2 Oct 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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