# taz.de -- Noch ein deutscher Preisträger: Chemie-Nobelpreis geht nach Berlin
       
       > Freude in Zehlendorf: Gerhard Ertl von der Max-Planck-Gesellschaft erhält
       > den Chemienobelpreis. Der emeritierte Professor gewann grundlegende
       > Erkenntnisse der Oberflächenchemie.
       
 (IMG) Bild: Gerhard Ertl weiss, warum Eisen Rost ansetzt. Und wie Brennstoffzellen funktionieren. Das ist dem Nobelpreiskomitee eine Auszeichnung wert.
       
       BERLIN taz Bereits gestern konnte sich mit Peter Grünberg ein
       deutschstämmiger Forscher über den Nobelpreis für Physik freuen - nun ging
       auch der diesjährige Preis für Chemie an einen Deutschen: Dr. rer. nat.
       Gerhard Ertl vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft (FHI) in
       Berlin-Zehlendorf erhält die mit insgesamt 10 Millionen schwedischen Kronen
       (1,1 Millionen Euro) dotierte Auszeichnung für seine grundlegende Arbeiten
       innerhalb der Oberflächenchemie, der festen Oberflächenstrukturen und der
       darauf ablaufenden chemischen Reaktionen. Das gab die Königlich Schwedische
       Akademie der Wissenschaften am Mittwochmittag in der Stockholm bekannt.
       
       Der neue Chemie-Nobelpreisträger Gerhard Ertl erhielt den Anruf aus
       Stockholm in seinem Institut in Berlin. "Gestern ging der Physik-Nobelpreis
       an einen Deutschen. Daher dachte ich, der Preis für Chemie würde nicht an
       mich gehen", sagte Gerhard Ertl. "Ich hoffe, dass der Nobelpreis mein Leben
       nicht zu sehr verändern wird. Aber alle Preisträger sagen mir, dass er das
       tut."
       
       Ertl ist Professor für physikalische Chemie und emeritierte 2004. Er legte
       seinen Doktortitel im gleichen Fach 1965 an der TU München ab; geboren
       wurde Ertl 1936 in Bad Cannstatt. Die Arbeiten an der modernen
       Oberflächenchemie, für die er jetzt ausgezeichnet wurde, begann der
       Forscher bereits in den Sechzigerjahren. "Gerhard Ertl war einer der
       ersten, der das Potential dieser neuen Techniken erkannte", hieß es in
       einer Stellungnahme der Akademie.
       
       Die Erkenntnisse des Chemikers haben ganz praktische Auswirkungen für unser
       Leben - sie erklären chemische Vorgänge, die zuvor nicht genau auf
       molekularer Ebene verstanden wurden. Vom Rosten des Eisens über die Wirkung
       von Abgas-Kats im Auto bis hin zum korrekten Funktionieren moderner
       Brennstoffzellen - all dies ist Oberflächenchemie.
       
       Oberflächenchemische Katalysatoren seien in vielen industriellen Verfahren
       ausschlaggebend, so die Akademie, etwa bei der Herstellung von
       Kunstdüngern: "Mit der Oberflächenchemie lässt sich sogar der Abbau der
       Ozonschicht erklären, da entscheidende Schritte in der Reaktion
       ausgerechnet auf der Oberfläche kleiner Eiskristalle in der Stratosphäre
       erfolgen." Auch die Halbleiterindustrie stelle einen weiteren Bereich dar,
       der von der Wissenschaft der Oberflächenchemie abhängig sei. Gerhard Ertls
       Arbeit habe Schule gemacht, da er aufgezeigt habe, wie man zuverlässige
       Ergebnisse auf diesem schwierigen Forschungsgebiet erzielen könne.
       
       Die Akademie würdigte zudem die genauen Verfahren Ertls, mit denen er
       schrittweise eine Methodik für die Oberflächenchemie entwickelt habe. Seine
       experimentellen Techniken hätten es erstmals erlaubt, ein vollständiges
       Bild der Oberflächenreaktion zu erhalten. Dies ist ein hochkomplexer
       Vorgang: Nur in einem Hochvakuum lässt sich beobachten, wie sich die
       Schichten von Atomen und Molekülen auf reinen Oberflächen wie Metallen
       verhalten. Ertl entwickelte dazu Verfahren zur exakten Abstufung, welche
       Stoffe in ein solches Experimentalsystem hineingelassen werden - jede
       Verunreinigung würde sonst die genaue Messung zunichte machen.
       
       Ertl erhält den Nobelpreis für Chemie auch deshalb, weil er mit seiner
       Arbeit die Grundlagen der modernen Oberflächenchemie gelegt hat: "Seine
       Methodik findet Anwendung sowohl in der akademischen Forschung wie auch in
       der Entwicklung von Verfahren in der chemischen Industrie", so die
       Akademie. Gerhard Ertls Arbeit habe Schule gemacht, da er aufzeigt habe,
       wie man zuverlässige Ergebnisse auf diesem schwierigen Forschungsgebiet
       erzielen kann.
       
       Der Professor für physikalische Chemie feierte ausgerechnet am Tag der
       Bekanntgabe seines Nobelpreises seinen 71. Geburtstag. Am FHI in Zehlendorf
       klingelte am Mittwochmittag das Telefon ohne Unterbrechung. Ertls Ehefrau
       sagte der Nachrichtenagentur "dpa" atemlos, ihr Mann sei am Morgen wie
       üblich "vollkommen entspannt" in sein Büro gefahren: "Da wird der Hund in
       der Pfanne verrückt!" Für den heutigen Ehrentag ihres Mannes habe sie noch
       gar keine Vorbereitungen getroffen.
       
       10 Oct 2007
       
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