# taz.de -- ZDF schasst Andrea Kiewel: Der Bock der Gärtnerin
       
       > Schleichwerbegegner müssen jetzt ganz besonders stark sein: Denn nach dem
       > Fall Andrea Kiewel kommt man zu dem erschreckenden Ergebnis, dass ARD und
       > ZDF auffällig gutmütig sind. Na und?
       
 (IMG) Bild: "Vertrauensbasis zerstört": Moderatorin Andrea Kiewel
       
       Es war eine dreiste Lüge einer gewichtsbewussten ZDF- und MDR-Moderatorin.
       Und sonst? Was sollte Andrea Kiewel, Oberbaumpflegerin des "Fernsehgartens"
       (ZDF) und Hilfsbootsfrau beim MDR-"Riverboat" anderes antworten, damals bei
       "Kerner", als selbst dem die dauernde Gewichtsbetrachtung der
       Weight-Watcherin auffiel?
       
       Ausgerechnet Johannes B. Kerner, der sich spätestens dank seines Einsatzes
       für den Börsengang der Fluggesellschaft Air Berlin 2006 mit
       Schleichwerbeverboten bestens auskennt? Damals, am 23. Januar 2007, hatte
       Kiewel auf die Frage, ob es eine vertragliche Beziehung zwischen ihr und
       der Firma Weight Watchers Deutschland gäbe, "natürlich nicht" geantwortet.
       Das, so gab Kiewel - im Anstaltsjargon liebevoll "Kiwi" genannt - schon am
       Donnerstag zu, war ein Fehler. Der sie nun den Kopf gekostet hat: ZDF wie
       MDR erklärten am Freitag ihre Zusammenarbeit mit ihr für beendet.
       
       Wie gesagt: am 21. Dezember. Die "Kerner"-Sendung, auch das sei zum
       besseren Verständnis noch einmal wiederholt, lief am 23. Januar, also vor
       genau 332 Tagen. Und was sagt der Sender-Intendant? "Schleichwerbung in
       Sendungen des ZDF ist nicht akzeptabel", sagt ZDF-Chef Markus Schächter,
       und dass "die Auftritte von Andrea Kiewel in mehreren Sendungen in
       Verbindung mit den jetzt bekannt geworden Details ihres PR-Vertrages mit
       der Organisation Weight Watchers" nun "die Vertrauensbasis zwischen uns
       zerstört" hätten.
       
       "Jetzt bekannt geworden" ist wirklich hübsch. Denn wenn einem selbst schon
       Dampfschleimer wie Kerner auf die Schliche kommen - und nichts passiert?
       Nichts passiert bei Sendern, die seit den Großschleichwerbeskandalen 2003
       (ZDF) und 2004 (ARD) alle interne Schleichwerbe-Prüfstellen und dergleichen
       mehr eingerichtet und "Wehret den Anfängen" gelobt haben?
       
       Wenn man wie Kiewel auch bei "Riverboat" oder als Gast bei "Harald Schmidt"
       seine Gewichtswächter-Elogen einfach so los wird? - Dann macht man einfach
       weiter. Und die Sendergewaltigen bekommen so lange nichts mit, bis sie
       jemand mit der Nase draufstößt.
       
       Ein Trost: Privatsender würden wenigstens zusehen, dass, wenn schon
       schleichgeworben wird, die Kohle bei ihnen landet - und nicht in den
       Taschen irgendwelcher ModeratorInnen. Außerdem drohen dem kommerziellen
       Fernsehen, falls es unerlaubter Werbung überführt wird, empfindliche
       Geldbußen. Die Öffentlich-Rechtlichen muss das nicht schrecken:
       Strafzahlungen sind hier unbekannt, diese müssten schließlich aus der
       Rundfunkgebühr bezahlt werden.
       
       Aber wer verliert im aktuellen Weight-Watchers-Fall - außer "Kiwi" Kiewel -
       wirklich etwas? In diesem Possenspiel zwischen PR-begabten
       Gewichts-Heilsbringern, seriös-journalistischen Top-Sendungen wie "Kerner"
       und den angeschlossenen Kochshows? Richtig: Die Gelackmeierten sind in
       erster Linie die Leute von der Brigitte-Diät, denn die kommt aktuell kaum
       vor im deutschen Fernsehen.
       
       Kiewels einziger Fehler war, dass sie sich von den Weight Watchers als
       konspirative Werbebotin hat nutzen lassen. Sollte sie, wie es ihr
       Management immer noch darstellt, beispielsweise für den "Kerner"-Auftritt
       nicht noch mal extra kassiert haben, war sie dazu auch noch rechtschaffen
       dämlich. Hätte sie dagegen mit den geschäftstüchtigen Diät-Vermarktern auf
       Augenhöhe gearbeitet, wäre das alles nicht passiert: Ein von den Weight
       Watchern mit Gütesiegel versehenes eigenes "Kiewel kocht"-Brevier hätte sie
       vermutlich in jede Kamera halten dürfen. Und daran wohl mehr verdient als
       das nach Medienberichten niedrig-fünfstellige PR-Honorar der Gewichtshüter.
       
       Da nun mal wieder die Kinder im Brunnen liegen, ein Vorschlag zur Güte: Ja,
       Product Placement bleibt auch in der neuen EU-Fernsehrichtlinie, die ab
       2009 die Spielregeln für TV-Sender in der EU neu fasst, verboten. Auf
       ausdrücklich deutschen Wunsch übrigens. Dieser "Sieg" ist allerdings
       ähnlich erfolgreich wie die Selbstreinigung deutscher Sender in Sachen
       Schleichwerbung: Per EU-weiter Ausnahmeklausel erlaubt wird die
       Produktplatzierung nämlich in allen Sendungen mit der - vernünftigen -
       Ausnahme von Nachrichten, Polit-Magazinen und dem Kinderprogramm.
       
       In Österreich entspricht dies schon länger der Rechtslage, ohne dass sich
       die ORF-"Tatorte" entschieden verbessert hätten, die gesamte USA
       produktplatziert, und Deutschland? Deutschland lügt sich wie so gerne eins
       in die Tasche: Hier ist ARD und ZDF Werbung nach 20 Uhr verboten und heißt
       deshalb Sponsoring. Produktplatzierung gibt es auch nicht, dafür waren bis
       vor zwei, drei Jahren "Produktionsbestellungen" oder "Kooperationen mit
       Dritten" noch fest im TV-Wortschatz verankert - und auch heute kostet es
       nichts, wenn der "Landarzt" einen neuen Wagen braucht: Die Autoindustrie
       betreibt solche "Kulturförderung" immer noch sehr gern - und nicht nur sie.
       Vom peinlichen "Ich hab ne neue CD/Buch/Kind gemacht und halte der/die/das
       jetzt mal in die Kamera"-Auftritten in diversen Talkshows natürlich ganz zu
       schweigen.
       
       Vielleicht sollte Deutschland also tatsächlich die Schleichwerbung
       abschaffen - in dem man gekennzeichnete Produktplatzierung zulässt. Sonst
       steht uns noch so manche "Lange ZDF-Gruselnacht" bevor - die Sendung gabs
       2005 wirklich. Moderiert von niemand anderem als Andrea Kiewel.
       
       Doch das Mainz bliebe nicht Mainz, wenn das ZDF nicht auch hier noch einen
       draufsetzen könnte: Es wiederholte am Tag vor dem Rauswurf - alle Vorwürfe
       lagen schon auf dem Tisch - einfach noch mal die Kochsendung "Lafer,
       Lichter, Lecker". Stargast: natürlich Andrea K. und die Weight Watchers.
       
       21 Dec 2007
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
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