# taz.de -- Bundestag diskutiert Stammzellengesetz: Embryowürde gegen Wissenschaft
       
       > Vier Stunden hat der Bundestag über eine mögliche Lockerung des
       > Stammzellengesetzes diskutiert. Dafür oder dagegen - auch innerhalb der
       > Fraktionen klaffen die Meinungen auseinander.
       
 (IMG) Bild: Gräben quer durch alle Fraktionen: der Bundestag während der Stammzellen-Debatte.
       
       Wenn es um die Grenzen des Lebens geht, dürfen Abgeordnete eine eigene
       Meinung haben. So gilt für das neue Stammzellgesetz kein Fraktionszwang.
       Entsprechend bunt fiel am Donnerstag die fast vierstündige Debatte im
       Bundestag darüber aus, ob und inwiefern menschliche Embryonen zur Forschung
       genutzt werden dürfen.
       
       Die FDP-Forschungspolitikerin Ulrike Flach plädierte dafür, die seit 2002
       geltenden Beschränkungen der Stammzellforschung aufzuheben. Hinter ihren
       Antrag hat Flach 100 Abgeordnete versammelt. "Wir bekennen uns eindeutig
       zur Ethik des Heilens", erklärte sie.
       
       Ihr FDP-Kollege Konrad Schily bezog die konträre Position. In dem "polaren
       Spannungsfeld" zwischen der Forschungsfreiheit und dem Schutz menschlichen
       Lebens gebe es keine Kompromisse. "Wir bekennen uns dazu, dass menschliches
       Leben niemals zum Mittel gemacht werden darf, sondern in sich Zweck
       bleibt." Die embryonale Stammzellforschung dürfe nicht weiter zugelassen
       werden: "Ich plädiere für die Menschenwürde. Wir werden den Fortschritt
       auch damit erreichen", sagte der Mediziner.
       
       Über vier verschiedene Vorschläge - zwei "pro life", zwei "pro science" -
       soll der Bundestag noch im März abstimmen. 184 - und damit die meisten
       Unterzeichner, darunter das halbe Kabinett - zählt der gemäßigt
       forschungsfreundliche Entwurf des SPD-Abgeordneten René Röspel. Er
       argumentiert, die Regeln für die Forschung mit embryonalen Stammzellen von
       2002 hätten sich bewährt. Damals wurde festgelegt, dass hierzulande nur mit
       Stammzelllinien gearbeitet werden darf, die vor dem 1. Januar 2002 im
       Ausland produziert wurden.
       
       Weil jedoch dieses Material mittlerweile verschmutzt sei und zunehmend
       unbrauchbar werde, müsse der Stichtag "einmalig" verschoben werden: auf den
       1. Mai 2007. Dadurch werde weiterhin verhindert, dass von Deutschland ein
       Anreiz ausgehe, Embryonen für die Forschung zu produzieren.
       
       Wer an der Stichtagsregelung säge, mache das 2002 so mühsam errungene
       Gesetz unglaubwürdig, erklärt dagegen die gemäßigte Embryonenschutz-Gruppe
       hinter der Grünen Priska Hinz, die den Löwenanteil der Grünen-Fraktion
       umfasst. Der damals so hochgehängte Wunsch, schwere Krankheiten mit der
       Embryonenforschung zu heilen, "bleibt ein Wunsch", sagte Hinz. Die
       Forschung habe bislang keine Ergebnisse produziert, die ein Verschieben des
       Stichtags rechtfertigten. Die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner, die für den
       Vorgang bereits den Begriff "ethische Wanderdüne" geprägt hatte, äußerte
       die Sorge, "dass wir einen Stichtag auf Rollen bekommen".
       
       Für den radikal forschungsfreundlichen Antrag der FDP-Abgeordneten Flach
       plädierte auch die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt (SPD).
       Gerade ihre christliche Überzeugung lasse sie einige der geltenden Gesetze
       zum vorgeburtlichen Leben bezweifeln.
       
       Doch sei die befruchtete Eizelle, die für Stammzellforschung verwendet
       werde, zwar menschliches Leben - "aber nicht werdendes Leben". Denn sie sei
       noch nicht in der Gebärmutter eingenistet. Wer solche wenige Tage alte
       Embryonen schützen wolle, dürfe auch Verhütungsmethoden wie etwa die
       Spirale nicht zulassen.
       
       Der radikal Embryonen schützende Antrag des CDU-Abgeordneten Hubert Hüppe
       verlangt ein Importverbot und damit faktisch einen Stopp der embryonalen
       Stammzellforschung. Hüppe erklärte, die Zukunft liege in der Forschung mit
       adulten Stammzellen oder mit solchen aus Nabelschnurblut, für die kein
       Embryo getötet werden müsse.
       
       Die Linksfraktion bekam erst sehr spät offizielle Redezeit - für Petra
       Sitte. Sie unterstützte die "behutsame Lösung" Röspels. Die Union hatte
       verhindert, dass Linke auf einem Antrag als Initiatoren erscheinen konnten.
       Von einer "Sternstunde des Parlaments", wie Debatten ohne Fraktionszwang
       gern heißen, konnte am Donnerstag deshalb keine Rede sein.
       
       15 Feb 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
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