# taz.de -- Deutsch-israelisches Verhältnis: Fragen an die Freundschaft
       
       > Kritik, Solidarität oder kritische Solidarität? Bei einer
       > Podiumsdiskussion in Berlin ging es darum, wie man sich in Deutschland
       > zur israelischen Politik verhalten soll.
       
       Die größte Gefahr für die Zukunft Israels ist das Fortdauern der Besatzung,
       die seit 1967 das Land prägt, glaubt Gideon Levy. Weil das so ist, erwartet
       der Leitartikler der linksliberalen israelischen Tageszeitung Haaretz von
       der deutschen Politik deutlichere Worte der Kritik an Israel. Wahre
       Freundschaft, wie sie Angela Merkel jüngst vor der Knesset beschwor, zeige
       sich nicht in bedingungsloser Solidarität. Levys deutsche Kollegin Caroline
       Fetscher hält es trotzdem für richtig, dass die Bundeskanzlerin gerade in
       dieser Rede den Israelis keine guten Ratschläge erteilt hat. Das sei
       schlichtweg eine Frage des Takts.
       
       Fetscher und Levy saßen am Sonntagabend in der Berliner Akademie der Künste
       mit deutschen Journalisten und dem israelischen Dramatiker Joshua Sobol
       zusammen. Der Berliner Freundeskreis Habima hatte im Rahmen einer
       Veranstaltungsreihe anlässlich des 60. Jahrestags der Gründung des Staats
       Israel zur Diskussion geladen: "Stiehlt sich Deutschland aus der
       Verantwortung - Israel zwischen Trauma und Terror".
       
       Die Perspektiven auf diese Frage sind notgedrungen unterschiedlich, wie
       Fetschers Antwort auf Levy klar machte: Er sei der Sohn eines deutschen
       Flüchtlings, sie die Tochter eines Wehrmachtssoldaten. Wer hierzulande über
       den Nahostkonflikt reden will, muss erst einmal wissen, von wo aus er
       eigentlich spricht.
       
       Hermann Gremliza, der Herausgeber von Konkret, stellt zu diesem Zweck
       gleich die pathetische Rede von der Freundschaft in Frage: Zu allen großen
       Projekten, die diese Freundschaft erst ermöglichten, etwa zu den
       Verhandlungen über die Wiedergutmachung, hätten die Deutschen von den
       Vereinigten Staaten erst gezwungen werden müssen. Gremliza glaubt den
       offiziellen Freunden Israels also kein Wort und sorgt mit der Bemerkung für
       Heiterkeit, wer eine Woche Deutschlandfunk höre, denke bald, er sei auf der
       Welle von Radio Ramallah gelandet.
       
       Gremlizas Beweismaterial konnte zwar nicht recht überzeugen: In einer
       Presseschau des Senders hatten sich diverse Regionalblätter mit meist
       herrisch vorgetragenen Forderungen nach deutlicherer Kritik an der
       Besatzungspolitik hervorgetan. Aber auch Joshua Sobol ist skeptisch. Er
       glaubt, dass die beiden Parteien aus eigener Kraft eine Lösung finden
       müssen. Sobol gehört der kleinen, aber wachsenden Gruppe innerhalb der
       nicht gerade mächtigen israelischen Linken an, die eine binationale Lösung
       des Konflikts für die einzig realistische halten. Paradoxerweise hätten
       nämlich gerade 40 Jahre Besatzung dazu geführt, dass die Infrastrukturen im
       Land untrennbar zusammengewachsen seien und eine gemeinsame Verwaltung
       geradezu erzwängen.
       
       Sobol ist aufgrund seines jahrzehntelangen Engagements für die Rechte der
       Palästinenser der Stimmungsmache unverdächtig. Umso bezeichnender, dass er
       die klarsten Statements zur Hamas, der Politik des Iran und zu weltweit
       agierenden "faschistischen muslimischen Bewegungen" abgab. Mit der Hamas
       müsse zwar dringend verhandelt werden, deren offizielle Devise laute aber
       immer noch: Erst werden wir euch vernichten, und dann reden wir mit euch.
       
       Auch die Ankündigungen des iranischen Präsidenten, Israel zerstören zu
       wollen, würden nicht genügend ernst genommen. Die Politik des Iran ist
       derzeit der Prüfstein für die Frage der Freundschaft. Obwohl man hier also
       zum Kern der Fragestellung des Abends vordrang, wie Moderator Majid Sattar
       von der FAZ bemerkte, schweifte man gleich wieder ab.
       
       Könnte es aber sein, dass die Deutschen mit Problemen, die man bisher aus
       sicherer Distanz mit allerlei Projektionen belegen konnte, schon längst
       zuhause konfrontiert sind? Caroline Fetscher wies darauf hin, dass eine
       ganze Generation deutscher Kinder arabischer Herkunft durch den Einfluss
       islamistischen "Hass-TVs" gefährdet sei, das die USA, Israel und den Westen
       dämonisiert. Daraus könnte man schließen: Man sollte zwar immer wissen, von
       wo aus man spricht. "Hier" und "dort" sind aber immer schwieriger zu
       definieren. ULRICH GUTMAIR
       
       8 Apr 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Gutmair
       
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