# taz.de -- Comic-Biografie über Che Guevara: Struppiger Bart und starrer Blick
       
       > Das Original stammt aus dem Jahr 1968. Jetzt hat der Carlsen Verlag eine
       > überarbeite Neuauflage herausgebracht: Das Leben der Revolutionsikone
       > "Che" als ambitioniertes Comic-Buch.
       
 (IMG) Bild: "Diejenigen, die ihn verrieten, machten ihn zum Gott": Comic-Zeichner Enrique Breccia über Che.
       
       Struppiger Bart und starrer Blick unter dem Barett mit rotem Stern: So ist
       Ernesto "Che" Guevara (1928-1967) in die Geschichte eingegangen. Der
       lateinamerikanische Revolutionär hat nach seinem Tod eine zweite Karriere
       als globale Marketingikone gemacht, er ist nun berühmter als zu Lebzeiten.
       
       Ches stilisiertes Konterfei ziert inzwischen T-Shirts, Poster oder
       Zigarettenetuis. Konzerne und Werbeagenturen schätzen den Begründer des
       modernen Guerillakampfes mit der Lockenmähne als potenten Werbeträger.
       
       Auch der Hamburger Carlsen Verlag setzt bei seiner Comic-Biografie "Che",
       die zu seinem 80. Geburtstag am 14. Juni erscheint, auf bewährte
       Ikonografie. Ches bekanntes Revolutionärsgesicht füllt das Cover in
       Schwarz-Weiß aus. Rot ist nur die Schrift, in der auch ein kleiner Stern
       nicht fehlen darf. Dass es sich bei dem Comic um ein künstlerisch
       interessantes Zeitdokument handelt, dafür stehen die Namen der Autoren: Der
       Szenarist Héctor Oesterheld und die Zeichner Alberto und Enrique Breccia,
       Zeigenossen Ches, gehörten in den 60er-Jahren zur international vernetzten
       Comic-Avantgarde.
       
       Ihre Biografie "La vida del Che" entstand unter Eindruck seines Todes. Sie
       erschien in Argentinien bereits 1968 - nur ein Jahr nachdem der gebürtige
       Argentinier im bolivianischen Dschungel von einem Armeetrupp aufgespürt,
       gefangen genommen und erschossen wurde.
       
       Der "Che"-Comic hat eine bemerkenswerte Publikationsgeschichte. Als die
       gezeichnete Biografie erschien, war sie ein Bestseller. Nicht nur in
       Argentinien, wo Oesterheld und die Breccias gefeierte Helden eines
       Comic-Booms waren.
       
       Auch in Brasilien, Chile und anderen Ländern Lateinamerikas erfreute sich
       das Buch großer Beliebtheit. Die aufziehende argentinische Militärdiktatur
       setzte "Che" schließlich auf den Index und vernichtete die Originale.
       Oesterheld wurde von den Militärs ermordet.
       
       In Argentinien gelten Oesterheld und Breccia, die zusammen den bekanntesten
       argentinischen Comic "El Eternauta" geschaffen haben, bis heute als große
       Namen der Kunstszene - wie Che Guevara auf dem Gebiet des Politischen.
       
       Zum besseren Verständnis deutscher LeserInnen ist der Band mit einer
       Einleitung, Erläuterungen und einer Zeittafel versehen. Er funktioniert
       aber auch einfach nur als gute Comic-Story. In
       schwungvoll-expressionistischen Schwarz-Weiß-Bildern werden Stationen des
       Berufsrevolutionärs erzählt. "Ernestitos" Jugend: sein Asthma,
       Hausunterricht durch die Mutter, das "schmutzige", aber liberale
       großbürgerliche Elternhaus, in dem Flüchtlinge aus dem spanischen
       Bürgerkrieg Zuflucht fanden. Der Lauf der Weltgeschichte, das Verhältnis
       Nazideutschlands zu Argentinien unter der Herrschaft des
       faschistenfreundlichen Präsidenten Juan Perón, wird gegen Ernestos
       Begeisterung für Rugby und seinen ersten Kuss als Gymnasiast gestellt.
       
       Oesterheld und Alberto Breccia skizzieren, wie sich der abenteuerlustige
       Oberschichtssohn während der Reisen mit dem Jugendfreund Alberto Granado
       allmählich politisiert: Angesichts von Armut, Krankheit und Elend auf dem
       lateinamerikanischen Kontinent beschließt Guevara, Arzt zu werden. Aus
       "Chancho", das "Schwein" - wie seine Freunde den wasserscheuen Guevara
       nennen - wird der Revolutionär "El Che". Das skizzieren Oesterheld und
       Alberto Breccia in eindringlichen Bildern, ohne allzu aufdringliches
       Pathos. Dazwischen geschoben sind Szenen aus dem späten Guerillakampf,
       gezeichnet von Breccias Sohn Enrique, dessen Stil noch drastischer und
       düsterer ist, der aber mit der Eleganz des Altmeisters nicht ganz mithalten
       kann.
       
       Dennoch ist es erstaunlich, wie dynamisch und frisch der Zeichenstil der
       Breccias auch vierzig Jahre nach der Erstveröffentlichung von "Che" wirkt.
       Der Text spiegelt die Revolutionsbegeisterung der Zeit wider. Die
       Geschichte endet neben dem jesushaften Gesicht des toten Kämpfers mit den
       Worten: "Schon ist das Blut von Che ein Tropfen in dem Strom von so viel
       Blut, vergossen gegen den Hunger und die Ketten. In seinem Namen einen sich
       Liebe und Aktion. In seinem Namen erhebt sich die Jugend der Welt …"
       
       Das liest man heute mit leichtem Lächeln, in der zugespitzten
       Auseinandersetzung 1968 war das freilich noch anders. Mit Che Guevara war
       ein Hoffnungsträger der Neuen Linken und der internationalen Revolution
       gestorben. Die spätere Kritik an der kubanischen Revolution konnte der 1968
       verfasste Comic kaum vorwegnehmen, wie schon im Vorwort der deutschen
       Ausgabe treffend bemerkt wird.
       
       Die Kongo-Episode der kubanischen Exportguerilla war zum Beispiel noch
       nicht bekannt, der Comic streift sie nur am Rande. Ches später vielfach
       kritisierte Brutalität im Umgang mit politischen Gegnern stellen die
       Argentinier 1968 noch eher humanistisch eingefärbt dar: Der Guerillero
       schickt die alte Ziegenhirtin, die das Camp entdeckt hat, wieder ins Dorf
       zurück, wohl wissend, dass sie ihn verraten wird. Gefangene gegnerische
       Soldaten, bolivianische "Ranchos", werden bis auf die Unterhose ausgezogen,
       aber laufen gelassen. Und bei einer Rast in der kubanischen Sierra Maestra
       zeigt Che den Kameraden ein Bild seiner kleinen Tochter - die er samt
       Mutter in Mexiko zurückgelassen hatte.
       
       Andererseits, und das ist wirklich bemerkenswert an dieser frühen
       Geschichte, wird der Guerillero auch in wenig heldenhaften Momenten
       gezeigt: Durchfallkrank, mit vollgeschissenen Hosen, kotzend an der Reling
       der "Granma" hängend. Revolutionskitsch für Nachgeborene ist das nicht. Das
       Buch zeichnet einen Menschen, keine übermenschliche Lichtgestalt. Genau
       dies macht "Che" auch für Zeitgenossen zu einer anregenden Lektüre.
       
       Ein Interview mit Enrique Breccia im Anhang vergegenwärtigt noch einmal,
       wie sehr sich Utopien und Hoffnungen mit den Namen Che Guevaras verbanden.
       Breccia antwortet auf die Frage nach der heutigen Bedeutung Guevaras:
       "Diejenigen, die ihn verrieten, machten ihn zum Gott (…). Und diejenigen,
       die ihn hinrichteten, trivialisierten ihn, indem sie den Markt mit seinem
       Konterfei auf Postern und T-Shirts überschwemmten." Der heute 63-Jährige,
       der jüngere der beiden Breccias, kann zu Recht stolz auf das zeichnerische
       Werk sein. "Che" hält die Balance zwischen Nähe und Distanz und bringt
       gleichzeitig ein Abstraktions- und Verdichtungsvermögen auf hohem
       ästhetischen Niveau zum Ausdruck.
       
       24 May 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nina Apin
       
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