# taz.de -- Porno-Magazine für Frauen: Zwei Hefte für ein Halleluja
       
       > Die Magazine "Alley Cat" und "Jungsheft" versuchen, "postfeministische"
       > Erotik an die Frau zu bringen - und sind dabei weder originell noch
       > gewagt.
       
 (IMG) Bild: Sind diese Bilder sexy?
       
       ## Jungsheft:
       
       Der Deppentechno-Hit des jungen Sommers heißt bekanntlich "Du bist so …
       ohohoh … du bist so … porno" und wird sogar zu Familienbrunch-Zeiten im
       schnarchigen ZDF-Sommergarten aufgeführt.
       
       Warum auch nicht. Es ist eh nicht alles Porno, wo Porno draufsteht.
       Manchmal stecken dahinter auch einfach Texte im Schülerzeitungsstil und
       Bilder von nackten Jungs mit Latte, Neigungswinkel >45°.
       
       Das neue, mittlerweile sechste Jungsheft der beiden sympathischen
       Kölnerinnen Nicole Rüdiger und Elke Kuhlen platzt treffsicher genau in die
       merkwürdige momentane Frauen+Porno-Debatte, die sich (mit etwas Pech) um
       des Kalauers Willen bestimmt noch bis ins Sommerloch rettet. Obwohl das
       Jungsheft auch kein Porno ist: Zwar müssen die Macherinnen aufgrund der
       deutschen Gesetzgebung genau das draufschreiben, denn nackte Pimmel in
       Erregung gelten als Porno, egal, ob und wie wenig einen das anmacht.
       
       Aber genau wie die vorangegangenen Ausgaben und das ebenfalls von den
       beiden Frauen zu verantwortende Pendant Giddyheft, dessen dritte Ausgabe
       mit dem Untertitel "Porno für Jungs" momentan auf dem Markt ist und
       Schülerzeitungstexte plus nackichte Mädchen bietet, wird nicht klar, wozu
       man das Heft braucht: Es ist zu wenig. Zum Lesen und zum Onanieren.
       
       Denn der Pornomarkt ist längst nicht mehr nur Playboybunnys mit
       Silikonbergen unter brustrasierten Long Dong Silvers. Im "Alternative
       Porno"-Bereich posieren schon seit Jahrzehnten Männer und Frauen, die gegen
       die Sex-Sehgewohnheiten verstoßen: Dünne, Dicke, Alte, Krumme und Schiefe,
       Zugepiercte und -tätowierte, Independent Girls and Boys und jede Menge
       Menschen von nebenan, auch Slacker, auch Rriot Girls, auch
       PoptheoretikerInnen. Man kann sie bei Bedarf ersurfen, als Fotobücher in
       unzähligen Verlagen kaufen, und die Handlungsbandbreite geht vom züchtigen
       Halbnacktfoto bis zum Hardcore-Film. Und es ist klar, dass man es nie allen
       Frauen recht machen kann, egal, ob sie sich auch mit Anfang 30 noch lieber
       "Mädchen" nennen und auf Stoner-Rock stehen, oder ob sie rundliche
       Endfünfziger-Hausfrauen in westfälischen Kleinstädten sind.
       
       Die Vermutung bleibt allerdings, dass Frauen sich im Gegensatz zu Männern,
       denen - je nach Fantasiefreudigkeit - teilweise Bilder von nackten Damen
       schon für einen hübschen Abend reichen, in den seltensten Fällen nur mit
       einem Pimmelfoto ans Werk machen - bislang sind nicht nur sämtliche
       Heftprojekte gescheitert, die mit nackten Männern Leserinnen ziehen
       wollten, auch klicken laut Seitenbetreiberangaben Frauen jene schwulen
       Seiten selten an, auf denen muskulöse Solomänner an sich herumspielen,
       sondern beobachten - jedenfalls zu Handanlegungszwecken - doch lieber das
       gute alte Rein-raus-Spiel.
       
       Dass das nett gemeinte, mit hübscher Comic-Artwork und ausgesprochen viel
       Elan und persönlichem Einsatz produzierte Jungsheft dem immer noch nichts
       hinzufügen kann, ist also eigentlich schade: Mit lesbaren Texten zu
       originären Themen und nicht dem tausendsten Intimfrisurspecial und der
       zweitausendsten Abhandlung über jüngere Männer und ältere Frauen, mit
       echten Sex-Action-Szenen und nicht den irgendwie eher niedlich wirkenden
       Onanisten könnte man/frau/mädchen/junge mit dem Heft bestimmt jede Menge
       Spaß haben.
       
       So sieht es aus, als ob weder auf bildlicher noch textlicher Ebene in die
       Vollen gegangen wurde. Statt das Bitch Magazine mit der Lieblingssexszene
       zu kreuzen, mischte man eher den Durchschnittsblog mit Schnappschüssen vom
       Ex.
       
       Dabei dürfte es ruhig etwas mehr sein: Dass viele Frauen Pornos mögen,
       beflissen als Wichsvorlage nutzen und daran - weder aus feministischer noch
       aus moralisch empörter Sicht - nichts diskutiert werden muss, sollte
       inzwischen jeder begriffen haben. Das Jungsheft verpackt jedoch
       Mädchenhaftigkeit, fehlenden Stil und Szene-Erotik als neues weibliches
       Selbstbewusstsein, beklatscht von Mädchen, deren Hälfte der Welt schon mit
       ein paar Nudelabbildungen im vagen Popzusammenhang erreicht ist: Wenn das
       alles sein soll, was Frauen anmacht, na dann gute Nacht.
       
       Immerhin entsprechen die Fotos der Jungsheft-Jungs und Giddyheft-Mädchen
       tatsächlich den von den Macherinnen gestellten Anspruch an Natürlichkeit -
       im Gegensatz zu dem ebenfalls aktuell erschienenen Alley-Cat-Magazin. Doch
       der Spacken, der auf YouTube unter dem Pseudonym "Gulliver Ehrs" in einem
       Bett-Herumlümmel-Video das Giddyheft rezensiert (was lustig ist, wenn man
       das Original dieser Videoblog-Verballhornung kennt: Medienjournalist Oliver
       Gehrs kommentiert in seiner "berlinwatch"-Videorubrik regelmäßig den
       Spiegel), hat recht: Man weiß nicht, was sie einem sagen wollen.
       
       ## Alleycat:
       
       George Clooney kann weder singen noch tanzen. Es ist anzunehmen, dass diese
       Nachricht aus den vergangenen Tagen keine Frau ernsthaft aus der Fassung
       bringt. Denn George Clooney hat andere Qualitäten: Er kann sehr gut
       aussehen. "Frauen stehen definitiv auf Typen wie George Clooney", sagt auch
       Ina Küper, Chefredakteurin und Schöpferin des neuen Frauen-Erotikmagazins
       Alley Cat. Das Konzept der Zeitschrift basiert auf der These, dass Frauen
       "tendenziell schöne und ästhetische Dinge lieben", und all diese Dinge
       scheinen in Alley Cat vordergründig vereint zu sein. Das Hochglanz-Heft ist
       gefüllt mit einem "Potpourri aus sinnlichen Themen", die da wären:
       Erotische Fotos, Dessous, Beautyartikel und Erfahrungsberichte mit
       Sexspielzeugen. Alley Cat wirkt wie eine Mischung aus Lifestyleheft und
       Modemagazin mit einem Schuss Sex, laut Ina Küper ein "einzigartiges"
       Konzept. Ob die anvisierte Zielgruppe - Frauen von Anfang 20 bis Mitte 40 -
       darauf steht, wird sich zeigen. "Vielleicht lesen Alley Cat auch nur
       60-Jährige", sagt Ina Küper und lacht.
       
       Möglich scheint das, zumindest beim ersten Blick auf das Cover. Die
       Nahaufnahme eines Frauengesichts mit falschen roten Wimpern ist kein
       bisschen frivol und könnte genauso gut auf der Cosmopolitan abgebildet
       sein. Alles Strategie: "Frauen schämen sich, ein Heft mit einem nackten
       Mann auf dem Cover zu kaufen", meint Ina Küper. Außerdem wollte sie nicht
       in die gleiche Falle tappen wie die Playgirl-Macher, die letztendlich mehr
       schwule Leser als weibliche Leserinnen hatten. Frauen reiche die plakative
       Darstellung von nackten Männern einfach nicht aus, deshalb habe sie dem
       Heft einen "geheimnisvollen Deckmantel" übergeworfen - passend dazu auch
       die E-Mail-Adresse pssst@alley-cat.de.
       
       Die Idee zum Heft hatte die 24-Jährige bereits während ihres
       Modejournalismusstudiums in Düsseldorf. Im Rahmen ihrer Examensarbeit
       sollte sie ein fiktives Magazin entwickeln, das einen ganz neuen
       Themenbereich abdeckt - nicht gerade einfach auf dem sowieso schon
       überfüllten Zeitschriftenmarkt. "Ich bin in eine Bahnhofsbuchhandlung
       gegangen und dachte mir: Mein Gott, es gibt schon alles!", erzählt Ina
       Küper.
       
       Zwischen unzähligen Mode- und Lifestyleheften, Frauenzeitschriften und zig
       Erotikmagazinen für Männer entdeckte sie schließlich eine winzig kleine
       Marktlücke - und entwickelte "Deutschlands erstes Erotikmagazin für
       Frauen". So wurde aus der Examensarbeit schließlich das "echte" Heft mit
       einer Auflage von 5.000 Exemplaren - und ohne unterstützenden Verlag im
       Hintergrund.
       
       Küper habe sich nicht in ihr Konzept reinreden lassen wollen und "total
       Schiss gehabt, von so einem Riesenverlag gefressen zu werden". Fazit: "Dann
       musst du es halt alleine machen." Ganz alleine ist Ina Küper trotzdem
       nicht, ihr Team besteht offiziell aus ihrer Kommilitonin Marlene Burba und
       zwei weiteren Autorinnen. Zusätzliche Tipps von außen bekommt sie jedoch
       reichlich, ein schwuler Bekannter beispielsweise habe ihr geraten, auf
       jeden Fall das Thema Schuhe mit ins Heft zu nehmen. "Darauf wäre ich selbst
       zum Beispiel nie gekommen", sagt Ina Küper.
       
       Den aktuellen Trend, sich mehr mit seiner Sexualität auseinanderzusetzen,
       erklärt Küper am Phänomen Dita von Teese, Burlesque-Tänzerin und
       Ex-Freundin von Marilyn Manson. Es imponiere einfach, wenn andere Frauen
       offen mit ihrer Sexualität umgehen, so die Chefredakteurin. An dieser
       Offenheit orientieren sich auch die Texte im Heft, die sich zum Glück nicht
       mit Umschreibungen aufhalten. "Schundromanbegriffe gibts bei uns nicht",
       sagt Ina Küper. Das Wort "Gemächt" sei albern, da fühle sich die Leserin
       verarscht. Das Kind wird also beim Namen genannt - in diesem Fall
       "Schwanz".
       
       Wer allerdings glaubt, wenigstens ab Seite 1 nackte Tatsachen präsentiert
       zu bekommen, wird enttäuscht, denn auch im Inneren sind die Fotos weniger
       freizügig, als erhofft: Es ist kein einziger komplett nackter Mann zu
       sehen. Die Fotos wirken vielmehr wie Werbung für die Bücher der jeweiligen
       Fotografen und zeigen eingeölte, muskelbepackte Männer in Schwarz-Weiß,
       nicht gerade jedermanns Sache. Zumindest an weiblichen Models mangelt es
       nicht, die sind in künstlerischen Dessous-Fotostrecken zahlreich vertreten.
       Laut Einschätzung von Küper schauen Frauen nämlich lieber andere Frauen an
       als Männer, einfach der Ästhetik wegen. In diesem Fall trifft das zu. Mehr
       als ein blanker Busen und ein bestringter Po ist aber auch hier nicht zu
       sehen. Die Frau, die sich also beim Kauf von Alley Cat ein bisschen
       durchtrieben fühlt, tut das - leider - zu Unrecht.
       
       Der Fairness halber muss jedoch gesagt sein: Im Gegensatz zum
       Konkurrenzmagazin Jungsheft sollte Alley Cat auch nie ein Porno sein. "Ich
       will eindeutig im Softbereich bleiben", erklärt Ina Küper, "und nicht in
       diese Porno-Ecke gehen." Außerdem seien hühnerbrüstige Indie-Jungs nicht
       das, was die breite Masse sehen will: "Die hat man sowieso im eigenen
       Bett."
       
       11 Jun 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jenni Zylka
 (DIR) Franziska Seyboldt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Journalismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Modemagazine werden politisch: Marx in der „Teen Vogue“
       
       Die „Vogue“ und ihre Schwesterzeitschrift gelten als Maßstab für Qualität
       im Modejournalismus – und jetzt auch für politische Berichterstattung.