# taz.de -- Machtkampf in der Türkei: Angst vor politischer Eskalation
       
       > Mit dem AKP-Verbotsverfahren und den umfangreichen Ermittlungen gegen
       > mutmaßliche Putschisten wachsen die Spannungen in der Türkei.
       
 (IMG) Bild: Das Urteil über Erdogans AKP wird frühestens Ende Juli erwartet.
       
       ISTANBUL taz Ein Papier sorgt derzeit in der Türkei für Furore. Es handelt
       sich um einen handgeschriebenen Plan, der nach einem Bericht der
       Tageszeitung Star in einem Arbeitsraum eines Istanbuler Offiziersclubs
       gefunden wurde und von dem pensionierten Vier-Sterne-General Sener Eruygur
       stammt, der am Dienstag zusammen mit 23 anderen Personen festgenommen
       wurde. Der Plan enthält laut Star ein detailliertes Szenario, wie,
       beginnend an diesem 7. Juli, mit Massendemonstrationen in 40 Städten der
       Türkei durch provozierte Zusammenstöße mit der Polizei und weitere
       gewaltsame Auseinandersetzungen so viel Chaos gestiftet werden könne, dass
       letztlich die Armee aus ihren Kasernen ausrückt und die Ordnung wieder
       herstellt.
       
       Nach Ansicht des leitenden Istanbuler Staatsanwalts ist der ehemalige
       Oberkommandierende der Gendarmerie, der bis September 2004 als einer der
       fünf höchsten Generale Mitglied des Generalstabs war, eine führende Figur
       der Terrororganisation Ergenekon, die bereits für diverse Attentate in der
       ersten Hälfte des letzten Jahres verantwortlich sein soll, als die Türkei
       im Zusammenhang mit der Wahl von Staatspräsident Abdullah Gül tatsächlich
       kurz vor einem Putsch zu stehen schien.
       
       Gestern erklärte die Staatsanwaltschaft, sie hätte die Ermittlungen in
       Sachen Ergenekon nun abgeschlossen und werde in den kommenden Tagen eine
       2.500 Seiten starke Anklageschrift an das zuständige Gericht weiterleiten.
       Von einem Teil der türkischen Presse wird dagegen darauf verwiesen, dass im
       Zuge der Ergenekon-Ermittlungen etliche Festgenommene bereits seit Monaten
       in U-Haft sitzen, ohne dass sie dagegen Einspruch erheben konnten. Ein Teil
       der Verhaftungen, besonders von Journalisten, habe im Übrigen vor allem
       dazu gedient, prominente Kritiker der AKP einzuschüchtern.
       
       Tatsächlich irritiert die Parallelität der beiden Verfahren. Die
       Ergenekon-Verhaftungen fanden am Dienstag parallel zum Schlussplädoyer des
       Generalstaatsanwalts im AKP-Verfahren statt. Am gestrigen Freitag
       erläuterte die AKP vor Gericht ihre Verteidigung. Mit dem mündlichen
       Auftritt des Generalstaatsanwaltes und den Verteidigungsreden der AKP ist
       die Beweisaufnahme im Verbotsverfahren gegen die Regierungspartei nunmehr
       abgeschlossen. Wenn sieben der elf Richter dem Antrag des Staatsanwaltes
       folgen, wird die AKP verboten. Mit einem Urteil wird Ende dieses Monats
       oder Anfang August gerechnet.
       
       Bis dahin wird wohl auch das Verfahren gegen die angeklagten
       Ergenekon-Mitglieder begonnen haben. Ob die Vorwürfe über Putschpläne,
       Attentate und gezielte Destabilisierung aufgeklärt werden, wird sowohl von
       der Beweislage der Staatsanwaltschaft, aber wohl auch vom Ausgang des
       AKP-Verfahrens abhängen. Mittlerweile sind die Spannungen so weit
       eskaliert, dass gestern in einem überraschenden öffentlichen Aufruf der
       frühere Generalstabschef Hilmi Özkök indirekt den Staatspräsidenten
       aufforderte, endlich moderierend und deeskalierend einzugreifen, damit die
       wichtigsten staatlichen Institutionen intakt bleiben.
       
       4 Jul 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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