# taz.de -- Frankreichs Rolle in Ruanda: Vorwürfe empören Paris
       
       > Die französische Regierung weist den Untersuchungsbericht über
       > Frankreichs Mitwirkung beim Völkermord in Ruanda als "unerträglich"
       > zurück.
       
 (IMG) Bild: "Als Minister" könne er derartige Anschuldigungen gegen die Armee nicht dulden, so Morin.
       
       Der in Ruanda veröffentlichte Untersuchungsbericht über die Rolle
       Frankreichs im Völkermord von 1994, der dem französischen Militär eine
       direkte Beteiligung anlastet, hat in Frankreich heftigen Streit ausgelöst.
       
       "In diesem Bericht stehen inakzeptable Anschuldigungen gegenüber
       französischen politischen und militärischen Verantwortlichen", erklärte das
       Außenministerium in Paris am Mittwoch. In seiner Presseerklärung verwies
       das Ministerium auf eine Untersuchungskommission des französischen
       Parlaments, deren Abschlussbericht 1998 Frankreich von jeglicher
       Mitverantwortung für den Genozid freigesprochen hatte - eine
       Schlussfolgerung, die damals allerdings selbst in Frankreich auf Kritik
       gestoßen war.
       
       Die Außen- und Verteidigungsministerien bezweifelten beide die
       "Objektivität" und "Legitimität" der unabhängigen ruandischen
       Untersuchungskommission. "Frankreich steht voll zu seinen Aktionen in
       Ruanda 1994 und vor allem zu denen seiner Armee", erklärte das
       Verteidigungsministerium.
       
       Insbesondere die als "humanitär" bezeichnete Militärintervention "Opération
       Turquoise" gegen Ende der Massaker, in Paris gemeinhin als einziges
       wirkungsvolles militärisches Eingreifen aus dem Ausland während des
       Genozids verteidigt, wird in der ruandischen Untersuchung scharf
       kritisiert. Der Bericht führt unzählige Verbrechen von Turquoise-Soldaten
       sowie eine offene Zusammenarbeit der Eingreiftruppe mit den Mordmilizen
       auf. Verteidigungsminister Hervé Morin, der 1994 schon im Pariser
       Verteidigungsministerium arbeitete, erregte sich jetzt, diese
       Anschuldigungen seien "absolut unerträglich". Er lasse "als Minister" nicht
       zu, "dass man über französische Militärs sonst was sagt". Die französischen
       Soldaten hätten "unter schrecklichen Bedingungen hunderte und tausende
       Menschenleben gerettet".
       
       Gelesen hat Morin den Bericht nach eigenem Bekunden ebenso wenig wie
       irgendein anderer der empörten Politiker. Frankreichs Regierung verweist
       darauf, sie habe den Bericht nicht auf offiziellem Wege empfangen.
       
       Die Nichtregierungsorganisation Survie, die Frankreichs Afrikapolitik seit
       Langem kritisch begleitet, forderte hingegen eine neue parlamentarische
       Untersuchung in Frankreich und verwies auf ihre eigenen Erkenntnisse zur
       französischen Rolle in Ruanda, die sie 2004 im Rahmen einer
       "Bürgeruntersuchungskommission" gewann und die zahlreiche
       Schlussfolgerungen des ruandischen Berichts vorwegnahm. Unterstützt wurde
       diese Forderung von der französischen Zeitung Le Monde. Man könne nicht
       "dekretieren", dass kein französischer Soldat in Ruanda je Verbrechen
       begangen habe, schrieb das Blatt: "Die Haltung Frankreichs, das seit 1994
       behauptet, es habe sich nichts vorzuwerfen, ist unhaltbar … Paris kann die
       (ruandischen) Aussagen nicht zurückweisen, ohne selbst Untersuchungen
       anzustellen und im Einzelnen auf jede der hunderte von Anschuldigungen zu
       antworten."
       
       7 Aug 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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