# taz.de -- Fragwürdige Olympiaentscheidung im 50 Km Gehen: Verdacht auf Gehhilfe
       
       > Der Italiener Alex Schwazer gewinnt über 50 Kilomter Gehen und schlägt
       > die verdächtigen Russen. Der Deutsche André Höhne wird Zwölfter und hat
       > für den Sieger nur Sarkasmus übrig.
       
 (IMG) Bild: Ganz rechts der Olympiasieger Alex Schwazer: Jubelte schon eine halbe Stunde, bevor er ins Ziel kam.
       
       PEKING taz Sie gingen auf und ab. Immer wieder. Sie waren nass. Vom Schweiß
       und vom Wasser, mit dem sie sich immer wieder benetzten. 50 Kilometer Gehen
       in Pekings praller Sonne. Es war einer der härtesten Wettbewerbe der
       Spiele. Zuschauer standen kaum an der Gehstrecke auf dem Olympiagelände, zu
       heiß. "Und hast du ihn schon gesehen?", fragte nach dem Rennen Peter
       Selzer, der Trainer von André Höhne, des einzigen deutschen Teilnehmers,
       seinen Physiotherapeuten. "Ja, es geht ihm gut", sagt dieser, "ich habe ihn
       gerade die Treppe hoch gehen sehen. Das klappt schon ganz gut." Bei anderen
       ging nach dem Zieleinlauf erst ein mal gar nichts mehr. Der Norweger Erik
       Tysse brach kurz hinter der Ziellinie zusammen. Er war Fünfter geworden.
       Als er jubeln wollte, konnte er sich nicht mehr halten - und er war nicht
       der einzige, der aus dem Zielbereich im Nationalstadion getragen werden
       musste.
       
       Als André Höhne nach 2:49:52 Stunden in persönlicher Bestzeit durch Ziel
       ging, hatten die Besten des olympischen Rennens ihre Ehrenrunde längst
       hinter sich. Der Sieger, Alex Schwazer aus Italien, ist beinahe 13 Minuten
       schneller gewesen. Dessen beinahe gespenstisch anmutender Antritt nach etwa
       drei Rennstunden konnten die zwei Konkurrenten, die er zu diesem Zeitpunkt
       noch hatte, nicht folgen. Als der spätere Sieger merkte, dass er auf und
       davon gelaufen war, jubelte er. Er ballte zum ersten Mal die Siegerfaust,
       da war er noch eine halbe Stunde vom Ziel entfernt. Hinter ihm lieferten
       sich der Australier Jared Tallent und der Russe Denis Nischegorodow einen
       harten Kampf um Platz zwei. Der Mann aus Canberra gewann ihn. Er hatte
       einen Russen geschlagen, einen Mann aus der Trainingsgruppe von Wiktor
       Tschegin.
       
       Den hatte Tallent nach dem 20 Kilometerwettbewerb massiv angegriffen. Er
       hat ihn als Trevor Graham der russischen Leichtathletik bezeichnet. Graham
       ist jener US-Trainer, zu dessen mittlerweile übel beleumundeten
       Übungsgruppe auch die Sprinterin Marion Jones gehörte. Als Tallent zu dem
       Vergleich ausholte, hatte er gerade im Finish gegen Waleri Bortschin
       verloren, einen anderen Tschegin-Schützling. Jetzt muss er sich nicht mehr
       nachsagen lassen, er sei ein schlechter Verlierer.
       
       "Das ist so eine Frage", meinte Peter Selzer. Er hat keine Antwort auf die
       Frage, woran es liegt, dass ein deutscher Geher, einer der über 20
       Kilometer vor drei Jahren WM-Vierter war, nicht den Hauch einer Chance hat,
       auch wenn er in den Bereich seiner persönlichen Bestzeit läuft. André Höhne
       wurde Zwölfter. Auch Selzer hat sich so seine Gedanken gemacht über die
       russischen Geher. Die Forderung Tallents, einen Mann wie Trainer Tschegin
       von den Spielen auszuschließen, findet er gar nicht so falsch. Zu viele
       Dopingfälle sind schon aufgeflogen unter Tschegins Athleten. Kurz vor den
       Spielen wurden drei von Tschegins Gehern des Epo-Dopings überführt.
       Zunächst hieß es, auch Waleri Bortschin, der schon einmal eine einjährige
       Dopingsperre hatte absitzen müssen, sei unter den Ertappten. Doch dessen
       Name verschwand wieder von der Liste der Beschuldigten. Er durfte
       Olympiasieger über 20 Kilometer werden.
       
       Über all das kann sich Selzer nur wundern. Er hat auch nicht schlecht
       gestaunt, als die russische Teamleitung in der endgültigen Startliste für
       das Rennen am Freitag nur zwei Namen eintragen ließ. Auf der vorläufigen
       Liste waren bis Mittwoch noch drei Namen russischer Geher verzeichnet. Doch
       Sergej Kirdjapkin sei gar nicht erst im olympischen Dorf aufgetaucht.
       "Vielleicht war er nicht sauber und die Russen haben ihn noch rechtzeitig
       aus dem Verkehr gezogen", mutmaßt er.
       
       Am Tag zuvor hatte die russische Geherin Olga Kaniskina Gold im 20
       Kilometer Gehen der Frauen gewonnen. Auch sie trainiert unter Wiktor
       Tschegin. Die deutsche Starterin Melanie Seeger, die genauso wie Höhne
       einfach nicht mithalten konnte, mochte die Zeiten ihrer Konkurrentinnen
       nicht verstehen. Der russischen Siegerin traut sie ohnehin nicht über den
       Weg. Die komme aus einer Trainingsgruppe, "wo die Hälfte gedopt waren".
       Auch André Höhne fühlt sich benachteiligt: "Wenn wir keine weltweiten
       Trainingskontrollen haben, können wir machen, was wir wollen und uns die
       Beine ausreißen."
       
       Zwei Goldmedaillen und eine Bronzene hat die Tschegin-Truppe in Peking
       gewonnen. Geplant waren drei. Denis Nischegorodow jedenfalls war maßlos
       enttäuscht über seinen dritten Platz. "Ich weiß nicht, was los war",
       rätselte der Weltrekordhalter, "es ist so schade!" Andere werden das anders
       sehen.
       
       22 Aug 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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