# taz.de -- Handel mit Melderegisterdaten: Die Schattenmeldeämter
       
       > Personenbezogene Daten der kommunalen Melderegister werden offenbar
       > rechtswidrig von Privatfirmen gespeichert und verkauft.
       
 (IMG) Bild: Und der Datenschatten der Bürger wird länger und länger...
       
       Sie übernehmen die bürokratische Drecksarbeit: Adressmittler. Wartet eine
       Bank auf die Rückzahlung eines Kredits, schaltet sie solche Firmen ein.
       Adressmittler nehmen mit den Melderegistern Kontakt auf, um den
       Aufenthaltsort des säumigen Zahlers herauszufinden und die Daten der Bank
       zur Verfügung zu stellen. Nur der Bank - denn der Mittler darf die Daten
       nirgends speichern.
       
       Doch mehrere Unternehmen handeln offenbar rechtswidrig mit Millionen dieser
       Melderegister-Daten. Das bestätigten mehrere Landesinnenministerien der
       taz. Statt die Angaben nach Erhalt nur dem Auftraggeber weiterzuleiten,
       behalten die Vermittler sie in eigenen Datenbanken. Nach taz-Informationen
       werden mindestens acht Firmen beschuldigt. Eines dieser Unternehmen besitze
       eine Datenbank mit 72 Millionen Datensätzen, sagte ein Sprecher des
       Innenministeriums Schleswig-Holsteins der taz. Von den übrigen Händlern
       lägen keine konkreten Zahlen vor. "Aber auch dort dürften Datensätze im
       vielfachen zweistelligen Millionenbereich vorgehalten werden", sagte der
       Sprecher.
       
       Die Innenbehörden in Kiel und in Nordrhein-Westfalen haben deshalb einen
       Runderlass an ihre Kommunen verschickt, der den örtlichen Meldeämtern
       untersagt, den entsprechenden Firmen Auskünfte zu erteilen. Auch die
       Innenverwaltung des Saarlands prüft eine solche Weisung.
       Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert warnt vor einer
       steigenden Anzahl solcher "Schattenmeldeämter". Betroffenen Bürgern würden
       so "sämtliche melderechtlichen Rechte entzogen".
       
       In einem Schreiben des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen an die
       Gemeinden heißt es: "Der Schutz der Meldedaten" sei so "nicht mehr
       gewährleistet". Es bestünden "erhebliche Bedenken" in
       datenschutzrechtlicher Hinsicht, kritisiert die Behörde in Kiel.
       
       Der Hintergrund: Jeder Bürger ist zwar nach dem Melderecht dazu
       verpflichtet, seine aktuellen Namens- und Anschriftsdaten dem zuständigen
       Meldeamt mitzuteilen. Private Dritte aber können nur unter bestimmten
       Voraussetzungen durch die einfache Melderegisterauskunft (EMA) Zugriff auf
       diese Daten erhalten. So müssen den Ämtern eigens Daten vorgelegt werden,
       um die gesuchte Person eindeutig identifizieren zu können. Nach dem
       Melderecht und Bundesdatenschutzgesetz sind die Adressmittler dazu
       verpflichtet, die sensiblen Daten nach der Auskunft zu löschen. "Die
       kommunalen Melderegister sind kein Selbstbedienungsladen für Datenjäger",
       sagt Datenschützer Weichert. Zudem haben Bürger durch das Melderecht die
       Möglichkeit, Widerspruch gegen eine Online-Übermittlung einzuleiten und
       eine komplette Auskunftssperre zu beantragen.
       
       Diese Rechte werden von Parallelregistern der Adressmittler nun
       ausgehebelt. Die schwarzen Schafe unter den Adressmittlern erhöhen durch
       diese Praxis ihre Gewinne. Zum einen können sie die Kundenanfragen zunächst
       mit der eigenen Datenbank abgleichen, bevor sie für eine
       Melderegisterauskunft bezahlen. Und Weichert befürchtet, dass die Firmen
       ihre Daten im großen Stil für Werbezwecke verscherbeln.
       
       So ist das Berliner Unternehmen Regis24 ins Visier der Innenminister
       geraten. Bis vor kurzem warb es auf seiner Website noch damit, über "einen
       umfangreichen und qualitativ hochwertigen Datenbestand" zu verfügen, der
       "ausschließlich mit Melderegisterauskünften angereichert" wurde. Inzwischen
       ist auf der Seite nur noch von einem "internen Pool" die Rede.
       
       Auf Anfrage wies Regis24 alle Anschuldigungen zurück. "Wir verkaufen keine
       Adressen, weder an Werbetreibende, Listbroker, Callcenter noch sonstige
       Dritte", sagte ein Sprecher der taz. Die Auffassung, die Daten aus
       Melderegisterauskünften dürften nicht gespeichert werden, hielte man "für
       eine neue und alles andere als zwingende Deutung der Gesetzeslage".
       
       Paragraf 29 des Bundesdatenschutzgesetzes erlaubt privaten Dritten in der
       Tat die Speicherung von Daten. Allerdings nur, wenn dagegen kein
       "schutzwürdiges Interesse" vorliege oder die Daten "aus allgemein
       zugänglichen Quellen entnommen" würden. Für die Landesinnenministerien sind
       Meldeämter weder eine öffentliche Quelle, noch sind deren Daten schutzlos
       herauszugeben.
       
       Auch die ebenfalls ins Zwielicht geratene Firma Deltavista beruft sich auf
       eine rechtliche Grauzone. Sie wirbt im Internet noch immer mit einem
       "QuickPoolCheck" im internen "EMA-Pool", um rascher und billiger Auskunft
       zu geben. Allerdings: "Wir verkaufen keine Adressen, haben dies nie getan
       und werden dies auch nie tun", so ein Sprecher zur taz. Hinter der
       Intervention der Bundesländer sieht Deltavista allein ein ökonomisches
       Interesse. Ein Speicherverbot "erhöht die Einnahmen der Bundesländer", weil
       für jede Neuauskunft gezahlt werden muss, so ein Firmensprecher.
       
       Die acht Firmen, die durch EMAs ihren eigenen Datenbestand anreichern, sind
       von der Kieler Innenbehörde bereits abgemahnt worden. Sechs von ihnen haben
       nach Angaben des Ministeriumssprechers inzwischen versichert, Daten
       schleswig-holsteinischer Meldebehörden nicht mehr in einer eigenen
       Datenbank zu speichern, darunter auch Regis24 und Deltavista. Die meisten
       anderen Bundesländer sehen derzeit keinen Handlungsbedarf.
       
       29 Aug 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) V. Medick
 (DIR) D. Schulz
       
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