# taz.de -- Massaker von Srebenica: Freispruch für die Niederlande
       
       > Das Haager Zivilgericht urteilt: Der niederländische Staat trägt keine
       > Mitschuld für den Einsatz niederländischer UN-Truppen in Srebrenica. Die
       > Opfer gehen nun in die nächste Instanz.
       
 (IMG) Bild: Trauernde Angehörige am 12. Jahrestag des Massakers von Srebenica.
       
       SPLIT taz | Eigentlich hatte er vom niederländischen Gericht kein anderes
       Urteil in Bezug auf die Mitschuld niederländischer Soldaten an dem Genozid
       in Srebrenica erwartet. "Bitterer als bisher kann alles ohnehin nicht mehr
       werden", sagt der Kläger Hasan Nuhanovic, ein 40-jähriger ehemaliger
       Übersetzer bei den niederländischen UN-Truppen in der ostbosnischen Enklave
       Srebrenica während des Bosnienkrieges (1992-1995).
       
       Fast genau 13 Jahre nach dem von serbischen Belagerungstruppen unter dem
       Befehl des flüchtigen ehemaligen Generals Ratko Mladic begangenen Mord an
       über 8.376 Menschen hat ein niederländisches Zivilgericht jegliche Schuld
       des niederländischen Staates an dem damaligen Geschehen zurückgewiesen. Der
       niederländische Staat könne nicht für den Einsatz der niederländischen
       UN-Truppen zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Richter Hans Hofhuis am
       Mittwoch in Den Haag.
       
       Für Hasan Nuhanovic haben nicht nur die Vereinten Nationen, sondern auch
       die Niederländer selbst Schuld auf sich geladen. Nach dem Angriff
       serbischer Truppen auf die Schutzzone am 11. Juli flüchtete die Bevölkerung
       zum Stützpunkt der niederländischen UN-Truppen. 5.000 der 40.000 gelang es
       sogar, auf das Gelände der UN vorzudringen. Darunter waren auch die Eltern
       und der Bruder des Klägers. Doch alle nicht zur UN gehörenden Personen
       wurden am 13. Juli von den UN-Soldaten aus dem Gelände gedrängt, obwohl
       serbische Truppen wenige Meter entfernt damit begonnen hatten, Zivilisten
       zu erschießen.
       
       "Ich flehte die UN-Soldaten damals an, dass meine Familie, vor allem mein
       19-jähriger Bruder Mohammed, auf dem Gelände bleiben darf", doch die
       Niederländer waren unerbittlich. Hasans gesamte Familie wurde ermordet. Nur
       die Leiche seines Vaters konnte inzwischen in einem Massengrab gefunden und
       identifiziert werden.
       
       Hasan lässt die Begründung des Gerichts nicht gelten. "Sicher hatte die UN
       die Befehlsgewalt," erklärte er gestern gegenüber der taz, "die
       Niederländer hatten aber einen Spielraum, sie hätten versuchen müssen, die
       Menschen zu schützen. Dies ist nicht nur menschlich geboten, sondern auch
       juristisch begründbar."
       
       Das Urteil des Gerichts fällt hinter einen 2005 veröffentlichten Bericht
       der niederländischen Regierung über die Vorgänge in Srebrenica zurück. Der
       war viel kritischer ausgefallen als das jetzige Urteil. Zudem hatte der
       niederländische Generalbundesanwalt in der Verhandlung erklärt, dass die
       von den Niederländern angefragte Nato-Luftunterstützung ausgeblieben sei.
       Heute weiß man, dass am 11. Juli Nato-Flugzeuge in Italien aufstiegen und
       bereit waren, serbische Stellungen um Srebrenica zu bombardieren. Während
       sie in der Luft waren, bekamen sie von den UN-Befehlshabern den Befehl,
       umzukehren.
       
       "Trotzdem ist die Argumentation des Generalbundesanwaltes nicht haltbar und
       das Gerichtsurteil ein schwarzer Tag für die niederländische Justiz", sagte
       die Sprecherin der Gesellschaft für bedrohte Völker, Jasna Caucevic, die
       mit anderen Überlebenden aus Srebrenica gestern in Den Haag demonstrierte.
       Auffällig sei auch, dass erst am 16. Juni dieses Jahres der zuständige
       Richter ausgetauscht worden sei. "Er wollte viele Zeugen hören und war sehr
       interessiert an den Vorgängen damals."
       
       Die Kosten des Verfahrens tragen Hasan Nuhanovic und seine niederländischen
       Unterstützer. Bei den kommenden Revisionsprozessen wird noch mehr Geld
       gebraucht. "Wir gehen zum Höchsten Gericht und wenn nötig auch zum
       Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg", kündigte Hasan an.
       
       11 Sep 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erich Rathfelder
       
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