# taz.de -- Prozess gegen mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher: Hinhaltetaktik für Josef S.
       
       > Im Prozess gegen einen mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher verzögert die
       > Verteidigung mit allen Mitteln das Verfahren. Alle drei Anwälte haben
       > Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen.
       
 (IMG) Bild: Kameraden unter sich: Der Angeklagte Josef S. zwischen seinen Verteidigern.
       
       Kein Wort des Bedauerns kam Josef S. über die Lippen. Verärgerung strahlte
       der Rentner aus, als er im großen Saal des Landgerichts auf der Anklagebank
       Platz nahm. Völlig zu Unrecht fühlt Josef S. sich in München angeklagt,
       1944 in der italienischen Toskana grausame Morde aus niedrigen Beweggründen
       verantwortet zu haben.
       
       In dem Verfahren wegen eines NS-Kriegsverbrechens waren seine Verteidiger
       am Montag, dem zweiten Verhandlungstag, damit beschäftigt, den Vorsitzenden
       Richter zu unterbrechen und alle Gutachter anzuzweifeln.
       
       Verteidigt wurde Josef S. von einem Trio aus Klaus Goebel, der den ersten
       Verhandlungstag verpasst hatte, und den Anwälten Rainer Thesen und
       Christian Stünkel.
       
       Im grünen Trachtenanzug mit passendem Hemd und Krawatte saß der Angeklagte,
       ein ehemaliger Offizier des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818 zwischen den
       dreien. Kaum begann die Verhandlung, unterbrach Verteidiger Klaus Goebel
       den Vorsitzenden Richter bereits: "In keinem Land würde ein 90-Jähriger vor
       Gericht gestellt!" Er fügte hinzu: Dieses Verfahren laufe der europäischen
       Menschenrechtskommission zuwider. Energisch musste der Vorsitzende Richter
       Manfred Götzl den Verteidiger stoppen, um die Verfahrensregularien
       fortsetzen zu können.
       
       Doch Goebel blieb nur kurz ruhig. Noch vor der Befragung des medizinischen
       Gutachters Wolfgang Schepp über die Verhandlungsfähigkeit von Josef S.
       zweifelte der Anwalt an, dass sein Mandant dem Verfahren angemessen folgen
       könne. Das Ergebnis des Gutachters Schepp fiel dann aber anders aus, der
       Mediziner betonte: "Bei Herrn S. liegt keine Beeinträchtigung der
       Verhandlungsfähigkeit vor."
       
       Nun versuchte Verteidiger Goebel vorzuführen, warum das medizinische
       Gutachten falsch ist. Er fragte sofort den Angeklagten Josef S.: "Haben Sie
       die Aussagen verstanden?" Die Antwort fiel vage aus. S. sagte: "Rein
       wörtlich habe ich es verstanden, ob ich das aufnehmen kann, da bin ich mir
       nicht im Klaren."
       
       Im späteren Verlauf der mehrstündigen Verhandlung versuchte auch
       Verteidiger Rainer Thesen einen weiteren Gutachter anzuzweifeln. Der
       Historiker Krisztian Ungvary sollte die Uniformierung der
       Gebirgsjägereinheiten erklären. Daraufhin begann Thesen, immer wieder die
       gleichen Fragen über Farben, Formen und Farbabweichungen zu stellen, um den
       Historiker zu verunsichern.
       
       Alle drei Verteidiger sind bekannt für ihre Verbindungen in rechtsextreme
       Kreise. Klaus Goebel werden enge Kontakte zur Organisation "Stille Hilfe"
       nachgesagt, die seit den 50er-Jahren das Ziel hat, vermeintliche
       Nazi-Verbrecher außerhalb einer Gerichtsbarkeit zu bringen und sie
       gegebenenfalls auch vor Gericht zu verteidigen. Unter anderem soll Anton
       Malloth, ein SS-Aufseher im Gestapo-Gefängnis Kleine Festung
       Theresienstadt, von der "Stillen Hilfe" unterstützt worden sein. Vor
       Gericht verteidigte Goebel Malloth im damaligen Prozess mit. Der Zweite im
       Verteidiger-Trio um Josef S., Christian Stünkel, ist etwa bei der Mobilen
       Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt als Anwalt bekannt, der
       rechtsextreme Gewalttäter verteidigt. Rainer Thesen empfahl dem Gericht als
       historischen Gutachter gar einen Autor der rechtspopulistischen Jungen
       Freiheit. Neun weitere Verhandlungstage sind geplant.
       
       29 Sep 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Joachim Gauck
       
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