# taz.de -- Greise und Nazi-Verbrechen: Ex-Gebirgsjäger vor Gericht
       
       > Der 90-jährige Josef S. steht vor Gericht - wegen eines Massakers 1944 in
       > der Toskana, bei dem 14 Zivilisten starben. Wegen seines Alters nennt der
       > Anwalt den Prozess "unverantwortlich".
       
 (IMG) Bild: Schauplatz mehrerer Massaker im Zweiten Weltkrieg: die Toskana
       
       MÜNCHEN taz Der ehemalige Wehrmachtsleutnant Josef S. muss sich seit Montag
       seiner eigenen Geschichte stellen: Mit Krücke, dennoch mit festem Schritt
       betritt er am Vormittag die Erste Strafkammer des Landgerichts München.
       Rüstig wirkt der 90-jährige Rentner in seinem grünen Trachtenanzug mit
       Hirschhornknöpfen.
       
       Gelassen hört er sich die Anklage an: Mord in vierzehn Fällen aus niederen
       Beweggründen. "Nicht schuldig", erwidern seine Verteidiger, Christian
       Stünkel und Rainer Thesen. Erstmals steht mit Josef S. ein Mitglied des
       "Kameradenkreises der Gebirgstruppe e. V." wegen eines Kriegsverbrechens
       vor einem deutschen Gericht. Staatsanwalt Hans-Joachim Lutz betont, das S.
       als Offizier des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818 die Verantwortung für ein
       Massaker hatte.
       
       Toskana im Jahr 1944: Die Wehrmacht war auf dem Rückzug. Das Bataillon 818
       sollte die Linien rückwärts sichern. Die Einheit reparierte eine kleine
       Brücke nahe Falzona di Cortona. Am 26. Juni erschossen Partisanen einen
       Unteroffizier und einen Gefreiten des Bataillons, die eine Stute
       requirieren wollten. Eine Vergeltung sollte Kommandeur Josef S. daraufhin
       befohlen haben. Am selben oder nächsten Tag zog die Wehrmacht los und
       erschoss die 74-jährige Maria B., den 55-jährigen Santi L., den 39-jährigen
       Angiolo D. und den 21-jährigen Ferdinando C. Elf weitere Männer im Alter
       von 15 bis 74 Jahren trieben die Soldaten in Falzona in ein Bauernhaus.
       "Die Menschen hatten Todesangst", sagt Staatsanwalt Lutz heute. Denn sie
       konnten sehen, was ihnen bevorstand. Soldaten schleppten Dynamit heran,
       dann sprengten sie das Haus. Nur der Jüngste, Gino M., überlebte - schwer
       verletzt.
       
       Im Verfahren ist der jetzt 79-Jährige als Zeuge geladen. Schon am 28.
       September 2006 hat indes das Militärgericht in La Spezia Josef S. wegen des
       Massakers schuldig gesprochen. In Abwesenheit verurteilten die Richter ihn
       zu lebenslanger Haft.
       
       Vor der Tür des Landgerichts fordert zu Prozessbeginn der "Arbeitskreis
       Angreifbare Traditionspflege" (AK): "Mord verjährt nicht - NS-Täter
       bestrafen". Im Saal führen die Verteidiger aus, ihr Mandant sei weder am
       Tatort gewesen, noch habe er eine solche Tat befohlen. Überhaupt, so
       Stünkel, diene so ein Verfahren allein einem "politisch-historischen
       Selbstzweck". Eine Behauptung, die Gabriele Heinecke nicht stehen lässt.
       Für 19 Geschwister und Kinder der Opfer spricht sie als Nebenklägerin:
       "Meine Mandanten möchten, dass nach 64 Jahren jemand Verantwortung
       übernimmt." Sein Verteidiger Stünkel betont aber, dass wegen des hohen
       Alters des Angeklagten das Verfahren "unverantwortlich" sei.
       
       Ein medizinisches Gutachten mag er nicht gelten lassen. Bis vor Kurzem fuhr
       Josef S. selbst noch Auto, er geht mit seinem Hund spazieren, heißt es aus
       der Familie. Hier wird auch erzählt: "Über damals" wurde nicht viel
       geredet. Zu den Treffen des Kameradenkreises der Gebirgsjäger in Mittenwald
       ging ihr Verwandter aber gern. "Der Verein besteht aus Angehörigen der
       Gebirgseinheiten, die heute die Traditionen der Wehrmacht unkritisch
       pflegen", sagt Martin Klingner vom AK. Am 29. September wird weiter
       verhandelt.
       
       16 Sep 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
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