# taz.de -- Kommentar Renten für Ghetto-Insassen: 90 Prozent Ablehnung
       
       > Der Große Senat des Bundessozialgerichts hat mit der Weigerung, sich mit
       > strittigen Rechtsfragen zu den Ghettorenten zu beschäftigen, eine
       > ziemlich bequeme Entscheidung gefällt.
       
 (IMG) Bild: Warschau, 1943: Deutsche SS-Soldaten treiben jüdische Frauen, Männer und Kinder aus dem Ghetto.
       
       Der Große Senat des Bundessozialgerichts hat mit der Weigerung, sich mit
       strittigen Rechtsfragen zu den Ghettorenten zu beschäftigen, eine ziemlich
       bequeme Entscheidung gefällt. Das Gericht argumentierte, dass die ihm
       vorgelegten Rechtsfragen für den Entscheid des Urteils zur Rentengewährung
       ohne Belang seien, da die Klage unter keinen Umständen eine Chance gehabt
       hätte. Der Große Senat hätte also gar nicht anders gekonnt, als die Vorlage
       als unzulässig zurückzuweisen.
       
       Den versierten Richtern wäre es nicht allzu schwer geworden, dennoch auf
       die umstrittene Rechtsmaterie einzugehen. Im Wesentlichen ging es um die
       Problematik, was unter einem "freiwilligen" Arbeitsverhältnis unter
       Ghettobedingungen zu verstehen sei. Denn nur ein solches Arbeitsverhältnis
       konnte einen Rentenanspruch begründen, während Zwangsarbeiter auf den
       (mittlerweile abgeschlossenen) Entschädigungsfonds verwiesen wurden. Was
       sollten die Kriterien für "Freiwilligkeit" sein, wie musste insbesondere
       das Entgelt für geleistete Arbeit definiert werden? Es waren die
       Abgrenzungs- und Definitionsfragen, auf deren rasche Beantwortung
       angesichts sich widersprechender Gerichtsurteile die hochbetagten Kläger
       angewiesen sind.
       
       Als zentrales Problem der Urteilstätigkeit zu den Ghettorenten stellte sich
       heraus, dass die Sozialgerichte oft nur über schematische Kenntnisse der
       historischen Wirklichkeit im Ghetto verfügten, sodass sie die
       "Freiwilligkeit" einer Arbeitsaufnahme im Ghetto grundsätzlich verneinten,
       statt solche Arbeitsverhältnisse unter Ghettobedingungen konkret zu
       untersuchen. Unklarheiten in diesen zentralen Fragen führten dazu, dass die
       Sozialgerichte bei ähnlichen Sachverhalten unterschiedlich urteilten. Als
       Hauptmanko aber stellte sich heraus, dass die Entscheidungen nach Lage der
       Akten gefällt wurden, also den KlägerInnen keine Möglichkeit gegeben wurde,
       ihre damalige Lage zu erklären. So wie die Dinge jetzt liegen, wird es wohl
       bei Ablehnungsquoten von über 90 Prozent für die Antragsteller von
       Ghettorenten bleiben.
       
       13 Dec 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Semler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Polen
       
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