# taz.de -- "Buddenbrooks"-Verfilmung: Der Klassiker der Herzen
       
       > Große Vorabaufregung: Die "Buddenbrooks"-Verfilmung von Heinrich Breloer
       > wirft ihre Schatten voraus. Am Film selbst kann das eher nicht liegen.
       
 (IMG) Bild: Armin Mueller-Stahl als Konsul Jean Buddenbrook und Iris Berben als Konsulin Bethsy Buddenbrook.
       
       Vom Literaturkritiker Hubert Winkels stammt die schöne Beobachtung, dass
       beinahe jedes Partygespräch, das mit literarischen Themen beginnt, sich
       recht schnell zu einem Gespräch über Kinofilme wandeln wird. Bei Filmthemen
       kennen sich einfach mehr Menschen aus, und so lassen sich mehr Teilnehmer
       in den Smalltalk einbeziehen. Zwei Ausnahmen gibt es aber von dieser
       goldenen Regel. Beim Buchpreisgewinner des jeweiligen Jahres stehen die
       Chancen doch recht hoch, dass ein Gespräch zustande kommt; mit Kenntnissen
       über den Preisträger dieses Jahres, Uwe Tellkamp, kann man - unsere
       Erfahrung - sogar auf sonst ausschließlich popversierten
       Bescheidwisserpartys punkten. Die zweite Ausnahme ist Thomas Mann.
       
       Alfred Döblin wird gerade vom Fischer Verlag in einer beeindruckenden
       Anstrengung neu herausgebracht. Die Rezeption Franz Kafkas, so wurde im
       Sommer mit dem zweiten Band der Stach-Biografie deutlich, arbeitet sich
       derzeit vielfältig aus den Klischeebildern des Kafkaesken heraus. Dann gibt
       es ja auch noch Brecht und Musil und Arno Schmidt. Aber von den
       deutschsprachigen Klassikern der Moderne ist es vor allem und immer wieder
       Thomas Mann, der sich in Alltagskontexten als anschlussfähig erweist - und
       nicht nur da. Er ist in Deutschland der Klassiker der Herzen.
       
       Das zeigt sich gerade einmal wieder anhand der Vorabaufregung um Heinrich
       Breloers opulente Kinoverfilmung der "Buddenbrooks". Offenbar ist sie als
       großes kulturelles Jahresendthema 2008 vorgesehen. Die koproduzierenden
       öffentlich-rechtlichen Sender haben längst Vorabberichte laufen lassen.
       Zehn Tage vor dem Kinostart am 25. Dezember bringt der Spiegel eine
       fünfseitige Strecke; allerdings mit einem dreiseitigen Verriss als
       Kernstück. Und heute Abend ist also große "Weltpremiere" in der Lichtburg
       in Essen, geschmückt von der Anwesenheit des NRW-Ministerpräsidenten Jürgen
       Rüttgers sowie auch des Bundespräsidenten Horst Köhler. Schon vor drei
       Jahren, beim 50. Todestag des Großschriftstellers Thomas Mann, nahmen die
       Feierlichkeiten wie von selbst den Charakter eines Staatsaktes an. Das ist
       diesmal kaum anders. Die Kulturnation Deutschland nutzt den Anlass, sich
       selbst zu feiern.
       
       Wer den Film bereits gesehen hat, kommt allerdings nicht umhin zu bemerken,
       dass dabei das Feiern selbst wohl wichtiger ist als sein unmittelbarer
       Anlass. Heinrich Breloer hat sich viele Verdienste um die Gegenwärtigkeit
       Thomas Manns erworben. Seine Docufiction "Die Manns" stellte die Familie
       Mann in den Mittelpunkt und zeigte, wie interessant und durcheinander,
       modern und neurotisch dies Familienleben war. Seine
       "Buddenbrooks"-Verfilmung aber ist eine breit getretene
       Klassikerverwurstung. Der Verfall einer Familie als Kostüm- und
       Schminkfest; jede halbe Stunde bekommen die Schauspieler August Diehl als
       Christian Buddenbrook und Mark Waschke als Thomas Buddenbrook stärkere
       Lidschatten geschminkt, was ihre Abwärtsspirale verdeutlichen soll. Auch
       sonst viel Überdeutlichkeit, viel Pathos, wenig Mannsche Ironie und gar
       keine Leichtigkeit. Eine ausführliche Kritik des Films wird folgen. Aber
       schon jetzt kann man einmal den Wunsch äußern, dass man heute Abend gerne
       die Gedanken des Bundespräsidenten lesen würde. Wenn er diesen Film
       tatsächlich für einen gelungenen Ausdruck der Kulturnation Deutschland
       hält, die er in seinen Reden gerne beschwört, dann möchte man diese
       Kulturnation fast bedauern.
       
       So stellt sich die Lage bei den modernen Klassikern derzeit gespalten dar.
       Bei vielen gilt es, für sie zu werben und den Staub von den Buchdeckeln zu
       pusten. Thomas Mann aber muss man offenbar vor seinen Verehrern beschützen.
       
       15 Dec 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dirk Knipphals
       
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