# taz.de -- Verordnung für Hooligan-Datei fehlt: BKA sammelt auch Unbescholtene
       
       > Nach einem Gerichtsurteil ist das Anlegen der Datei "Gewalttäter Sport"
       > rechtswidrig. Unbescholtene Fans drängen auf die längst überfällige
       > Löschung aus dem Computer.
       
 (IMG) Bild: Dieser Bremer Fußballfan wurde im November 2008 vermutlich auch in die BKA-Datenbank aufgenommen.
       
       Seit sechs Jahren hat Rolf Gössner die Laudatio auf der Festplatte
       gespeichert, ihre Aktualität scheint sich nicht geändert zu haben. Der
       Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte hatte das
       Bundeskriminalamt (BKA) 2002 mit dem Big-Brother-Award getadelt, einem
       Preis für Organisationen, die es mit dem Datenschutz nicht so genau nehmen.
       Damals warf er dem BKA eine Verletzung der Grundrechte vor bezüglich der
       Freizügigkeit, Handlungsfreiheit, Meinungsfreiheit oder
       Versammlungsfreiheit. Dass seine Rede 2009 noch auf Interesse stößt, hätte
       der Jurist kaum für möglich gehalten. Ein Fußballfan aus Hannover liefert
       ihm nun juristische Argumente gegen die "präventive Intoleranz", wie es
       Gössner formuliert.
       
       Der niedersächsische Anhänger hatte auf Löschung seines Namens aus der
       Datei "Gewalttäter Sport" geklagt, die seit 1994 durch das BKA geführt
       wird. In dieser Datensammlung werden nicht nur Personen gelistet, die im
       Umfeld von Sportveranstaltungen straffällig geworden sind, es können auch
       Fans auf Verdacht registriert werden. Das Verwaltungsgericht Hannover gab
       dem Kläger im vergangenen Mai Recht, das Oberverwaltungsgericht Lüneburg
       bestätigte die Entscheidung kurz vor Weihnachten. Die Begründung: Da es
       sich um eine sogenannte Verbunddatei handelt, die auch von den
       Bundesländern bearbeitet und abgerufen werden kann, sei laut Paragraf 7
       Absatz 6 des BKA-Gesetzes eine Rechtsverordnung nötig. Dafür bedürfe es
       einer Zustimmung des Bundesrates, diese Verordnung sei allerdings nie
       erlassen worden - damit sei die Datei "Gewalttäter Sport" rechtswidrig.
       
       Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, da die Polizeidirektion Hannover
       Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht angekündigt hat, trotzdem
       zeichnet dieser Prozess einen Wandel ab, der weit über den Sport hinaus
       Konsequenzen haben dürfte. Das BKA betreibt dutzende Dateien mit Millionen
       gespeicherten Datensätzen. Im Jahr 2000 kamen drei umstrittene
       Gewalttäter-Dateien hinzu, für politisch links motivierte Täter, rechts
       motivierte Täter und Ausländerkriminalität. Diese Dateien basieren auch auf
       den Erfahrungen der "Gewalttäter Sport". Dass nun ausgerechnet die
       sogenannte Hooligandatei das polizeiliche Informationssystem Inpol in Frage
       stellt, hielten viele Bürgerrechtler für ausgeschlossen. Schließlich sei
       man sich bei der Vorverurteilung von Fußballfans weitgehend einig gewesen,
       glaubt Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte in
       Frankfurt: "Lange galten Fans pauschal als Verbrecher. Das hat sich aber
       geändert."
       
       Zwischenzeitlich waren in der Sportdatei rund 10.000 Personen gelistet.
       Unter ihnen waren mehrheitlich Straftäter, aber auch Fans, deren
       Personalien festgestellt worden sind, weil sie sich in der Nähe einer
       Schlägerei oder einer Demonstration aufhielten. Eine Verurteilung vor
       Gericht ist für eine Registrierung nicht notwendig, es reichen Vermutungen
       von Polizisten. Die möglichen Folgen eines Eintrags? Meldeauflagen,
       Hausbesuche der Polizei, Passentzug oder Reiseverbot. Da die Registrierten
       von den Behörden nicht über Eintrag und Löschungstermin informiert werden
       müssen und sich demnach auch nicht wehren können, ist es schon vorgekommen,
       dass Fans am Flughafen von ihrem Urlaub abgehalten wurden, weil im Ausland
       zufällig ein Spiel stattfand. Fragwürdig ist auch die Weitergabe der Daten
       an europäische Länder, obwohl es keine einheitlichen Datenschutzregelungen
       gibt. Anhänger wurden im Ausland schon in Gewahrsam genommen und
       drangsaliert.
       
       Drohende Klagewelle
       
       "Die Verbunddateien in dieser Form sind ein erheblicher Eingriff in die
       Persönlichkeitsrechte", sagt Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für
       Datenschutz. "Es muss zu einem Umsteuern kommen." Seit Jahren kritisiert er
       die Strukturen beim BKA und beim übergeordneten Bundesministerium des
       Inneren (BMI). Das BKA wollte sich auf Anfrage nicht äußern, ein Sprecher
       des BMI verteidigte die "Gewalttäter Sport"-Datei und verwies auf
       anderslautende Gerichtsurteile: "Wir wollen mit der Datei die schwierige
       Arbeit der Polizei schützen." Das BMI könnte einem Rechtsstreit aus dem Weg
       gehen und die geforderte Rechtsverordnung veranlassen, dann würde es jedoch
       jahrelange Fehler eingestehen.
       
       Wilko Zicht, Sprecher des Bündnisses aktiver Fußballfans (Baff), will nun
       die aktuelle Debatte nutzen, um BKA und BMI unter Druck zu setzen. Ihm gehe
       es um eindeutige Kriterien und besseren Schutz gegen "polizeiliche
       Datensammelwut". Eine Art Kampf gegen den Konjunktiv. Sollte dem
       niedersächsischen Fan endgültig Recht gegeben werden, könnte den
       Polizeibehörden eine Klagewelle drohen, möglicherweise sogar
       Schadensersatzforderungen und die Löschung aller Namen. Schon jetzt fordern
       dies zahlreiche Fans mit dem Hinweis auf das Urteil in Hannover, wie
       Andreas Piastowski bestätigt. Er ist Leiter der Zentralen
       Informationsstelle Sporteinsätze in Duisburg, die die "Gewalttäter Sport"
       verwaltet. Es könnte erst der Anfang sein.
       
       9 Jan 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronny Blaschke
       
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