# taz.de -- Snooker: Die Kugel schön flach halten
       
       > Berlin spielt in der Snooker-Bundesliga um den Titel - doch zur
       > Spitzenpartie kommen gerade mal drei Zuschauer. Dabei sind die
       > stundenlangen Duelle in fast atemloser Stille nervenaufreibend,
       > schließlich geht es um vollendete Selbstbeherrschung.
       
 (IMG) Bild: Anstoß beim Billard. Beim Snooker gibt es 15 rote und sechs andersfarbige Bälle, die nach bestimmten Regeln in die Löcher versenkt werden müssen.
       
       Es ist kurz vor zwölf Uhr mittags, gleich beginnt das
       Bundesliga-Spitzenspiel. Drei Zuschauer sind gekommen, um sich das Duell
       zwischen dem 1. Berliner SV und dem SC Rüsselsheim anzusehen. Der Dritte
       gegen den Zweiten der deutschen Snooker-Eliteklasse. Eine Angelegenheit für
       absolute Insider.
       
       Unten auf dem Klingelschild des grauen Reihenhauses in der Lausitzer Straße
       steht einfach nur "Snooker". Drüber und drunter liest man typisch deutsche
       Familiennamen. Aber wer Snooker-Bundesliga sehen will, der weiß, dass er
       nicht klingeln muss. Alle Türen sind offen. Der Eintritt ist frei.
       
       Oben im ersten Stock gegenüber von einer Krankengymnastikpraxis haben sich
       die Rivalen im privaten Clubraum des Berliner SV versammelt - in Weste,
       Hemd und Bügelfaltenhose. Früher wurde gar die Fliege in der Liga
       obligatorisch getragen. Thomas Weidner, der Berliner Kapitän, ergreift das
       Wort. Er heißt alle willkommen und sagt: "Ich wünsche, dass wir ein schönes
       Spiel erleben."
       
       Von nun ab herrscht absolute Stille. Drei Spieler stehen sich pro Team
       jeweils gegenüber. Gespielt wird zeitgleich an drei Tischen. Drei
       Schiedsrichter wachen über den korrekten Verlauf. Siebeneinhalb Stunden
       lang hört man nicht viel mehr als die Stöße des Queues, das Klackern der
       Kugeln, das Schaben der Kreide am Queue und die gedämpften Stimmen der
       Schiedsrichter, die das Punkteverhältnis ansagen: für die Spieler ein
       gewaltiger Konzentrationsmarathon.
       
       Snooker ist die jüngste Grundart des Billardspiels. Im Wechsel müssen die
       15 roten Kugeln und die 6 andersfarbigen eingelocht werden. Die roten
       Kugeln verbleiben in den Taschen. Die andersfarbigen werden so lange auf
       ihre Position zurückgelegt, bis keine rote mehr im Spiel ist. Ziel ist es,
       den Tisch leer zu räumen oder vorab so viele Punkte zu sammeln, dass der
       Gegner einen nicht mehr einholen kann.
       
       "In diesem Spiel steckt alles drin: Kraft, Geschicklichkeit, Raffinesse,
       Taktik, körperliche und mentale Selbstkontrolle", sagt Lasse Münstermann.
       Er ist der Beste im Kader der Berliner. Bereits mit elf Jahren wurde er
       durch seinen Vater an das Spiel herangeführt. Heute zählt er zu den vier
       Snookerprofis in Deutschland. Für die Bundesligaspiele reist Münstermann
       extra aus dem nordrhein-westfälischen Ratingen an. Geld sieht er dafür
       keines. "Ich passe menschlich am besten hierher", sagt der 29-Jährige. Man
       kennt sich in der Snookerszene in Deutschland.
       
       Am Samstag spielt Münstermann weit unter seinem Leistungsvermögen, wie er
       offen bekennt. Gegen seinen Profikollegen Sascha Lippe vom SC Rüsselsheim
       verliert er. Seiner Mimik oder seiner Körpersprache ist dies nicht
       anzumerken. "Snooker ist die Kunst der Selbstbeherrschung. Ansonsten
       verliert man seinen Rhythmus", erklärt Münstermann. In der Berliner
       Vereinssatzung steht: "Snooker ist Gentlemansport". So werden gelegentliche
       Meinungsverschiedenheiten über die Spielstände in aller Form und
       Höflichkeit beigelegt.
       
       Zwischenzeitlich verdoppelt sich die Zuschauerzahl. Ein paar Jungs aus der
       Nachwuchsabteilung sind hinzugekommen. "Sie trainieren nachts wie die
       Besessenen", erzählt Thomas Weidner. Snooker ist in Deutschland sehr
       populär geworden. In Berlin habe sich die Anzahl der Tische in den
       vergangenen drei, vier Jahren verdoppelt, sagt Weidner. Durch die
       ausgedehnten Fernsehübertragungen des Senders Eurosport, die stets gute
       Einschaltquoten erzielen, kämen immer mehr, die sich einmal ausprobieren
       wollen. Und wenn aus England, dem Mutterland des Snookers, der Superstar
       Ronnie OSullivan anreist, pilgern in Deutschland auch mal 1.000 Fans in die
       Halle.
       
       Dass bei Bundesligaspielen maximal 20 Leute zuschauen, können sich
       Münstermann und Weidner nicht so recht erklären. "Wir haben eben keine
       Zeit, noch Öffentlichkeitsarbeit zu machen", meint Weidner. "Snooker ist
       kein reiner Fernsehsport", findet Münstermann. Live sei es viel spannender.
       Ein englischer Reporter hätte einmal von einer "electric atmosphere"
       gesprochen. Das träfe es recht gut.
       
       Auch beim Duell gegen Rüsselsheim gibt es einige enge Duelle - ein jedes
       mit einer sehr eigenen, fesselnden Dramaturgie. Letztlich gewinnen die
       Gäste die Schlüsselpartie mit 6:3. Deswegen standen die Berliner am Sonntag
       gegen den Spitzenreiter Wuppertal unter großem Zugzwang (die Partie war bei
       Redaktionsschluss noch nicht beendet), um das große Ziel - die deutsche
       Meisterschaft - nicht schon frühzeitig aus den Augen zu verlieren.
       
       11 Jan 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
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