# taz.de -- Kirchen und Kommerz: Freundschaft mit dem Mammon
       
       > Seit inzwischen zehn Jahren öffnet eine Hamburger Kirchengemeinde ihr
       > Gebäude auch ganz und gar profanen Zwecken - schließlich muss der
       > Unterhalt ja auch finanziert werden. Jetzt widmete man dem Thema ein
       > Symposium. Denn nicht alle in der Gemeinde sind begeistert von Partys
       > unterm Kreuz.
       
 (IMG) Bild: Wie Maria unterm Jesuskreuz: Werbeplakat an der Hamburger St. Petri Kirche, das deren Sanierung mitfinanzierte.
       
       Man kann nicht behaupten, dass die Pastoren der Kirchengemeinde Altona-Ost
       irgendetwas beschönigen würden. "Der Weg war nicht ganz einfach", sagt
       Pastor Ulrich Hentschel. "Die Entrüstung gerade der Kirchendistanzierten
       ist erstaunlich hoch", fügt sein Kollege, Pastor Friedrich Brandi, an.
       Diese Entrüstung gilt der Tatsache, dass die Gemeinde ihre St.
       Johannis-Kirche an kommerzielle Nutzer vermietet - seit mittlerweile zehn
       Jahren, was am Sonntag den Anlass gab zu einem Symposium zum Thema: "Macht
       euch Freunde mit dem Mammon", war sie überschrieben - "Erfahrungen und
       Experimente mit Kirchenräumen" waren ihr Thema.
       
       Das klingt, als sei es darum gegangen, den eigenen Weg zum Königsweg aus
       den kirchlichen Geldnöten zu feiern. Tatsächlich erfuhr man viel über die
       schwierige Gratwanderung, die eine Gemeinde vor sich hat, wenn sie sich
       dazu entschließt, trotz knapper Mittel zwei Kirchen zu erhalten. Zweimal
       habe jemand ein Schild mit der Aufschrift "Ihr könnt nicht Gott dienen und
       dem Mammon" an der Kirchentür gehängt, sagt Pastor Hentschel. Zwischen
       diesen beiden Polen - dem Dienen für und der Freundschaft mit dem Mammon -
       müsste die Kirche ihren Weg finden. Und er macht kein Hehl daraus, dass der
       binnenkirchliche Argwohn, mit dem die Vermietung von St. Johannis begleitet
       wird, ihm erstaunlich erscheint. Zumindest solange, wie es den allermeisten
       Gemeinden sowohl an Rücklagen als auch an Konzepten fehlt, um ihre Kirchen
       dauerhaft unterhalten zu können.
       
       Das Konzept zur Vermietung von St. Johannis ist denkbar einfach: Eine
       eigenständige Kulturkirche Altona GmbH organisiert die Vermietung des
       Kirchenraums als "Event-Location der ganz besonderen Art", wie es auf ihrer
       Internetseite heißt. Altar, Taufbecken und Kanzel sind bei den Feiern tabu
       - ansonsten ist alles erlaubt. Auch Alkohol und Zigaretten. "Es hat bei den
       Sonntagsgottesdiensten durchaus für Irritation gesorgt, wenn es danach
       roch", sagt Hentschel.
       
       Ebenso wenig Einschränkungen gibt es, was die Mieter anbelangt - und das
       wiederum sorgte für Unverständnis weit über die Gemeinde hinaus. Als 2001
       eine Dessous-Messe in St. Johannis stattfinden sollte, waren nicht nur
       Probst und Bischöfin sondern auch die Springer-Presse alarmiert.
       Ausgerechnet sie machte sich Sorgen um die "Würde des Raums", erinnerte an
       "hart gesottene Atheisten", die sich im Italien-Urlaub vor dem Besuch einer
       Kirche doch Hemd und Hose überwürfen. Hentschel sagt, dass "Häme" in den
       Berichten gewesen sei; sicher ist, dass sie mit dazu geführt haben, dass
       man die Veranstaltung absagte. Der verhinderte Veranstalter spendete die
       Miete dann übrigens.
       
       Interessant ist der Verweis auf die hart gesottenen Atheisten allemal: Denn
       nach Erfahrung der Pastoren Hentschel und Brandi sind es nicht die
       regelmäßigen Gottesdienstbesucher, die sich an der Vermietung als möglicher
       Herabsetzung der Kirche stören. Die hätten vielmehr die Gottesdienste als
       bedeutungsvoller wahrgenommen, und das möglicherweise als Folge eines
       "produktiven Konkurrenzgedankens", wie Hentschel es nennt. "Erstaunlich
       hoch" erlebt Brandi dagegen die Empörung unter den Kirchendistanzierten.
       Eine Beerdigungsfeier in einer Kirche, in der eine Bierflasche auf dem
       Altar gestanden haben könnte - das gehe doch auf keinen Fall. Warum gerade
       diejenigen am empfindlichsten reagieren, in deren Leben Kirche am wenigsten
       Raum einnimmt? Brandi hält es für ein Stellvertreter-Phänomen. "Sie halten
       die Kirchentradition so hoch, weil da für sie da die Werte hochgehalten
       werden, die sie selbst möglicherweise nicht leben können."
       
       Wann aber beginnt das Gefühl der Bedrohung? Für jemanden wie Pastor
       Hentschel, der einst erfolglos für Jugendweihefeiern in der Kirche
       plädierte - "Konkurrenz", sagt er, "belebt das Geschäft" - mag das fern
       liegen. Für die weniger im Glauben Verwurzelten schafft es sehr reale
       Ängste.
       
       Die Kirchengemeinde Altona-Ost nimmt das durchaus ernst. Und zwar nicht nur
       aus seelsorgerlichen Erwägungen - schließlich sind die Distanzierten ja
       gleichermaßen Gemeindeglieder. Es gibt auch pragmatischere Gründe: Treten
       die Kirchenfernen aus der Kirche aus, so verliert sie noch mehr der ohnehin
       rückläufigen Kirchensteuereinnahmen.
       
       Wirft man einen Blick in die Geschichte des Kirchenraums, wie es der
       Theologe und Publizist Andreas Mertin auf dem Symposium tat, so ist der
       erst seit dem 19. Jahrhundert der "Ruhe- und Rückzugsraum" des Bürgertums.
       Vorher war er viel stärker funktional geprägt als Versammlungsraum der
       Gläubigen. In frühkirchlichen Zeiten fanden Gottesdienste in
       Privatwohnungen statt. Erst in einem innerkirchlichen Machtkampf setzte
       Bonifatius die demonstrativen "Einschüchterungbauten", wie Mertin es nennt,
       gegen die kleinen volksnahen Holzkirchen der irischen Mönche durch.
       
       "Dingmagie" sei es, die im 19. Jahrhundert Einzug in die Kirchen gehalten
       habe - die ließe sich aber weder biblisch noch durch Luther oder Calvin
       begründen. Derzeit gelte Kirche als Wohnung Gottes: "Die Besucher sind die
       Gäste und der Pfarrer der Geschäftsführer, der Gott vertritt." Stattdessen,
       so wünscht es sich Mertin, müsse die Kirche wieder Anschluss an die Polis
       finden: als Raum, wo öffentliche Kommunikation stattfinde, vergleichbar der
       Rolle von Synagogen und Moscheen.
       
       Nun stellt sich die Frage, wie relevant Gefühle sein können - und müssen -,
       die zwar unvernünftig und theologisch unbegründet sind, aber eben existent.
       Pastor Hentschel nennt sein eigenes Unwohlsein angesichts der Werbeposter,
       die bei den Partys in St. Johannis hängen, "nicht apodiktisch". Mit den
       15.000 bis 20.000 Euro, die St. Johannis pro Jahr durch die Vermietung
       einnimmt, ließen sich zumindest die Wartungskosten finanzieren.
       
       Pastor Brandi sieht noch stärker die Gefahr, "über den Innovationswillen
       und die beliebige Nutzung das Eigene der Kirche" auszublenden. Wo bleibt
       das Andere, das Kirche in der Gesellschaft sein müsse? "Der Michel ist es
       nicht", sagt Brandi in bemerkenswerter Offenheit über den wohl bekanntesten
       Hamburger Kirchenbau. Nicht, wenn er sich in einen Wahlslogan wie "Ole,
       Alster, Michel" unterbringen lasse. Ein Ort, eingerichtet nach den
       Vorstellungen des liberalen Bürgertums. Die Kirchengemeinde Altona-Ost will
       es anders machen. Und glaubt, dann doch mit einem gewissen Selbstvertrauen,
       dass ihr das gelingt. Dass sie sich, anders als etwa die Hamburger
       Hauptkirche St. Petri, nicht an einen großen Geldgeber bindet. Die Pastoren
       betonen, dass das Kirchenasyl, das sie unlängst gewährt haben, mehr Protest
       ausgelöst habe - offen artikulierten - als die Kirchenvermietung.
       
       Wenn alles gut geht, dann hofft Pastor Hentschel, dass eines Tages die
       potenziellen Mieter sagen: Der Raum ist gut, aber ihr eckt an, mit dem, was
       ihr tut. Woher das Geld dann kommen wird, weiß er nicht. Aber bis dahin ist
       noch etwas Zeit.
       
       11 Jan 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Friederike Gräff
       
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