# taz.de -- Rüstungsfirma Diehl: Waffen bauen, Sprache säubern
       
       > "Diehl produziert Streumunition" - eine Feststellung, die der Nürnberger
       > Rüstungskonzern einem Journalisten gerichtlich verbieten lassen will. Es
       > geht um Diehls "Smart 155".
       
 (IMG) Bild: Gesellschafter des Rüstungskonzerns Diehl: Werner, Peter und Thomas Diehl (v. l. n. r.).
       
       "Peacemaker" hieß der erste, erstmals im Jahr 1873 hergestellte
       sechsschüssige Trommelrevolver des US-Waffenfabrikanten Colt, mit dem
       seither zehntausende Menschen getötet und verwundet wurden.
       "Friedensstifter" oder auch "Friedenshüter" (Peacekeeper) nannte
       US-Präsident Ronald Reagan die in den Achtzigerjahren entwickelte MX-Rakete
       - eine Rakete, die mit zehn atomaren Sprengköpfen ausgestattet war, von
       denen jeder einzelne die Zerstörungskraft der Hiroschima-Bombe um ein
       Vielfaches übertraf. Doch Colt und Reagan verzichteten wohlweislich darauf,
       ihre schönfärberischen Bezeichnungen für (Massen-)Mordinstrumente zur
       offiziellen Sprachregelung zu erheben oder gar andere Namen gerichtlich
       untersagen zu lassen.
       
       So klug ist der Nürnberger Waffenproduzent Werner Diehl nicht. Gerichtlich
       will er dem Regensburger Journalisten Stefan Aigner verbieten lassen, die
       von der Firma Diehl hergestellte Streumunition "Smart 155" als
       "Streumunition" zu bezeichnen - ein einmaliger Vorgang in der deutschen und
       internationalen Rüstungsgeschichte. Sollte das Landgericht München, vor dem
       der Fall von heute an verhandelt wird, Diehls Klage stattgeben, wäre damit
       ein Exempel statuiert, das vermutlich auch für andere Journalisten und
       Medien Konsequenzen hätte.
       
       Schon seit Jahrzehnten verdient Diehl viel Geld mit dem Verkauf von
       Streubomben und Streumunition - neben Antipersonenminen die
       heimtückischsten und vor allem für Zivilisten gefährlichsten Mord- und
       Verstümmelungsinstrumente, die die Rüstungstechnologie hervorgebracht hat.
       Derzeit stellt Diehl in Kooperation mit dem Düsseldorfer Rüstungskonzern
       Rheinmetall Streumunition mit der Typenbezeichnung "Smart 155" her. Sie
       kann mit Artilleriegranaten verschossen werden, etwa mit der vom Essener
       Rüstungsunternehmen Krupp produzierten Panzerhaubitze 2000. Offiziell
       fungiert als Hersteller von "Smart 155" ein von Diehl und Rheinmetall
       gegründetes Gemeinschaftsunternehmen namens Gesellschaft für intelligente
       Wirksysteme.
       
       In einem Kommentar anlässlich der Verleihung des Bayerischen
       Verdienstordens an Werner Diehl hatte Aigner am 25. Juli 2008 im
       Onlinemagazin regensburg-digital.de geschrieben: "Heute ist das Unternehmen
       Diehl einer der erfolgreichsten deutschen Waffenproduzenten. Nach eigenen
       Angaben stammt rund ein Drittel des Umsatzes von 2,3 Milliarden Euro aus
       der Rüstungsproduktion. Unter anderem produziert man Streumunition." Diesen
       letzten Satz musste Aigner, der Herausgeber von regensburg-digital.de ist,
       bereits wenige Tage später aus seinem Kommentar entfernen. Die Firma Diehl
       hatte eine einstweilige Verfügung mit einem Streitwert von 50.000 Euro
       gegen Aigner erwirkt und ihn zur Zahlung ihrer Anwaltskosten aufgefordert.
       
       Mit der im Oktober eingereichten Klage will Diehl den Journalisten zu einer
       endgültigen Unterlassungserklärung zwingen. Im Fall einer Zuwiderhandlung
       soll Aigner ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro zahlen, fordern Diehls
       Anwälte in ihrer Klageschrift. Das Rüstungsunternehmen beruft sich in
       seiner Klage auf das Oslo-Abkommen zum Verbot von Streubomben und
       -munition, das im Dezember 2008 von fast hundert Staaten unterzeichnet
       wurde.
       
       Dieser Vertrag enthält Ausnahmen für solche Typen von Streumunition, die
       angeblich keine Gefahr für Zivilisten darstellen, weil sie die folgenden
       technischen Spezifikationen erfüllen: Jede Munition enthält weniger als
       zehn eigenständig explodierende Submunitionen, die jede mindestens vier
       Kilo wiegen; jede explosive Submunition enthält Mechanismen zur
       selbstständigen Zielerkennung sowie zur Selbstzerstörung und
       Selbstdeaktivierung für den Fall, dass sie ihr anvisiertes Ziel verfehlt
       oder liegen bleibt, ohne zu explodieren.
       
       Diese Einschränkungen treffen exakt auf Diehls Streumunition "Smart 155" zu
       - zumindest laut der Produktbeschreibung des Unternehmens. Kein Wunder, war
       es doch die Bundesregierung, die diese und weitere Ausnahmen auf Wunsch von
       Diehl und Rheinmetall bei den Verhandlungen zum Oslo-Vertrag durchgesetzt
       hat, u. a. mit der Drohung, andernfalls aus den Verhandlungen auszusteigen.
       Aktiv beteiligt an der Verwässerung des Oslo-Vertrages war auch die
       französische Regierung, die damit die Streumunition vom Typ "Bonus" vor
       einem Verbot bewahrte.
       
       Den Haupteinwand gegen Diehls Klage formuliert der renommierte britische
       Experte für Streumunition, Rae McGrath, der von den Gerichten seines
       Heimatlandes häufig als Gutachter geladen wird. In einer für das Münchener
       Verfahren angefertigten Expertise schreibt er: Es gibt bislang keinerlei
       Beweis dafür, dass die "Smart 155" die im Oslo-Vertrag verlangten
       technischen Spezifikationen erfüllt. Es gibt nur die entsprechende
       Behauptung der Firma Diehl, die von der Bundeswehr und der Bundesregierung
       ungeprüft übernommen wurden. Bisher wurde die "Smart 155" nur von Diehl
       selber getestet, zum Teil in Kooperation mit der Bundeswehr und unter
       Idealbedingungen. Unabhängige Tests oder Einsätze, zumal unter
       realistischen Kriegsbedingungen, gab es bis heute nicht. Daher könne "Smart
       155", so folgert McGrath, durchaus als Streumunition bezeichnet werden.
       
       Wenn die Behauptung Diehls, die "Smart 155" sei eine "Punktzielmunition"
       und falle daher nicht in die Kategorie "Streumunition", zutreffen würde,
       hätte sich die Bundesregierung auch nicht auf Wunsch der Rüstungskonzerne
       bei Verhandlungen über ein Verbot von Streumunition um Ausnahmen für "Smart
       155" bemühen müssen. McGrath verweist zudem auf Verhandlungsdokumente, die
       Deutschland und andere Staaten noch im November 2008 bei den parallel zu
       den Oslo-Verhandlungen laufenden Beratungen der Genfer
       UNO-Abrüstungskonferenz in Sachen Streumunition eingebracht hatte. In
       diesen Dokumenten werden unter der Überschrift "Ausnahmen für weiterhin
       erlaubte Streumunitions-Typen" exakt die technischen Spezifikationen
       vorgeschlagen,die inzwischen im Oslo-Vertrag vereinbart wurden.
       
       Diehls Klage steht aber auch das Völkerrecht entgegen. Die im Oslo-Abkommen
       vereinbarten Spezifikationen für künftig verbotene und weiterhin erlaubte
       Typen von Streumunition gelten ausdrücklich nur "zum Zwecke dieses
       Vertrages" ("for the purpose of his convention"). Keineswegs wurde damit
       eine rechtlich und weltweit verbindliche Definition von Streumunition
       festgeschrieben. Österreich hat denn auch über die Ratifizierung des
       Oslo-Vertrages hinaus per Gesetz die "Smart 155" und alle anderen Typen von
       Streubomben/-munition, die möglicherweise die Ausnahmebestimmungen des
       Oslo-Vertrages erfüllen könnten, verboten.
       
       Sollte das Münchener Landgericht trotz all dieser Einwände der Klage Diehls
       gegen den Journalisten Aigner stattgeben, will das Unternehmen nicht nur
       die taz, Spiegel, Deutschlandradio und andere Medien verklagen, die die
       "Smart 155" weiterhin als Streumunition bezeichnen, sondern auch die
       österreichische Regierung.
       
       2 Mar 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
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