# taz.de -- Gewalttätige Fußballfans: Die einfache Antwort
       
       > Die Ultra-Szene in Deutschland ist in Bewegung. Polizeiliche Überwachung
       > und die anhaltende Kommerzialisierung des Fußballs provozieren mitunter
       > Gewalt.
       
 (IMG) Bild: Hansa Rostock-Fans beim Spiel gegen St. Pauli.
       
       Der Appell wirkt hilflos. Vor dem heutigen Bundesligaduell zwischen Köln
       und Mönchengladbach, das als Spiel mit "erhöhtem Sicherheitsrisiko"
       eingestuft wurde, haben sich beide Vereine in einem gemeinsamen Aufruf an
       ihre Anhänger gewandt. Es wird gefordert, "dass alle Fangruppierungen im
       Umgang miteinander auf Gewalt verzichten müssen, da sonst die Spirale der
       Eskalation nicht endet". Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass es
       einigen Fußballfans genau darum geht: um die Eskalation von Gewalt.
       
       Bemerkenswert ist dabei, dass die Schlachten bei den Spielen St. Pauli
       gegen Rostock und Karlsruhe gegen Stuttgart auch in unmittelbarer
       Stadionnähe geschlagen wurden. Dort also, wo die Gewalttäter einem massiven
       Polizeiaufgebot mitsamt seiner Überwachungsapparatur gegenüberstanden. So
       sorgt man sich nun in Köln, ob 1.000 bis an die Zähne bewaffnete Polizisten
       für einen ruhigen Nachmittag sorgen können. Zuletzt galt es unter
       Fanforschern als ausgemacht, dass die direkte Konfrontation mit der
       Staatsmacht möglichst gemieden wird und die Aggressionen fernab von
       Polizeikameras ausgelebt werden. Vielfach war die Rede davon, dass die
       Gewalt sich in die unteren Ligen verlagere, wo die Sicherheitsstandards
       nicht so hoch seien.
       
       Michael Gabriel, der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS),
       warnt davor, die Vorfälle von Hamburg und Karlsruhe überzubewerten. Ihn
       erinnern die momentan erregten Diskussionen an den Herbst 2006. Damals,
       sagt Gabriel, habe es ebenfalls eine zufällige Häufung von Ausschreitungen
       gegeben. Und die Medien hätten sich undifferenziert auf das
       schlagzeilenträchtige Thema gestürzt. Für Gabriel liegt der derzeitige
       Anstieg an Negativmeldungen im normalen Schwankungsbereich. Und die
       populäre These, dass sich die Randale in die unteren Ligen verlagere, ließe
       sich durch keine Statistik belegen. Die Probleme der oberen Ligen seien
       zuletzt von der Öffentlichkeit schlichtweg ignoriert worden.
       
       Der Soziologe Gerd Dembowski, ehemals Sprecher des Bündnisses aktiver
       Fußballfans (Baff), plädiert ebenfalls für eine Versachlichung der Debatte.
       "Gewalt zeigt sich immer in Wellenbewegungen." Bevor man von einer neuen
       Qualität des Problems sprechen könne, müsse man erst einmal das Jahr
       abwarten. Grundsätzlich hat er aber den Eindruck, dass große Teile der
       Ultra-Bewegung gerade "an einem Scheideweg stehen". In den letzten zwei,
       drei Jahren hätten ihn vermehrt Gruppierungen eingeladen, die wissen
       wollten, wie man sich dem "modernen Fußball" gegenüber verhalten soll.
       Nachdem die von den Ultras als repressiv empfundenen Sicherheitsstandards
       in der Vergangenheit immer weiter gesteigert und die Kommerzialisierung des
       Fußballs vorangetrieben worden wäre, sei die Frustration und Ratlosigkeit
       in der Szene groß. Ein Teil sei an einer Politisierung und intellektuellen
       Auseinandersetzung interessiert, ein anderer wiederum bevorzuge "einfache
       Antworten" und bringe die Bereitschaft mit, zuzuschlagen. Zwischen diesen
       Extremen stehe nun die "große Masse", die sich entscheiden müsse, in welche
       Richtung es gehen soll.
       
       Michael Gabriel konstatiert eine neue Qualität der Gewaltbereitschaft unter
       den Ultras. Dies zeige sich insbesondere bei Überfällen fernab der Stadien.
       Die jüngsten Ereignisse in Hamburg und Karlsruhe verdeutlichten aber auch:
       "Die Polizei hat sich in den letzten Jahren als Feindbild etabliert." Er
       fordert ein Überdenken der Einsatzkonzepte an machen Orten. Die Erfahrungen
       der letzten großen internationalen Turniere hätten bewiesen, dass mit einem
       zurückhaltenderen und kommunikativeren Auftreten wesentlich besser zur
       Deeskalation beigetragen werden kann. Aber auch die Vereine stünden in der
       Pflicht. Die Fanbeauftragten müssten in der Entscheidungshierarchie der
       Clubs deutlich weiter oben angesiedelt werden.
       
       Helmut Spahn, der Sicherheitsbeauftragte des DFB, stellt wie Gabriel fest:
       "Die ein oder andere Ultra-Gruppierung hat sich verselbstständigt." Ihm
       bereitet vor allem die Zunahme der Gewalttaten außerhalb der Stadien
       Sorgen. "Dies ist ein großes Problem, weil sie damit auch außerhalb unseres
       Einflussbereiches liegen." Den Stadionbesuch in Deutschland hält er nach
       wie vor für sicher. Über die Jahre gesehen habe die Gewalt in deutschen
       Stadien "drastisch" abgenommen. In dieser Saison verzeichne man lediglich
       "eine Häufung von pyrotechnischen Vorgängen".
       
       14 Mar 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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