# taz.de -- Räucherei: Viel Rauch um Fisch
       
       > Im Bremerhavener Schaufenster Fischereihafen werden seit dem Zweiten
       > Weltkrieg Aale geräuchert. Früher in so genannten Altonaer Öfen, heute
       > elektronisch - eine Delikatesse
       
 (IMG) Bild: Der Aal wird am besten auf traditionellen Öfen geräuchert.
       
       "Da kriegste Heimweh von", sagt Wolfgang Hartmann, dem Tränen in die
       geröteten Augen schießen. Er hat die pechschwarze Eisenklappe seines
       Räucherofens geöffnet, aus dem es mächtig qualmt und stinkt. Da muss
       Hartmann rein. Er kneift die Augen zusammen, hält die Luft an und holt aus
       dem Innern einige Eisenspieße heraus. Daran hängen bronzefarbene Forellen,
       die Hartmann im Fischereihafen in Bremerhaven zum Verkauf anbietet. Die
       Tränen haben sich gelohnt. Die ersten Kunden fragen nach den ofenwarmen
       Fischen.
       
       Der 50-Jährige steht stilecht im blauweiß gestreiften Fischerhemd und mit
       Elbsegler auf dem Kopf auf dem Gehweg und zeigt Stammkunden sowie Touristen
       altes Räucherhandwerk. Der dunkle mannshohe Kasten, gebaut vor einem halben
       Jahrhundert aus schweren Eisenplatten und alten Schiffsplanken, arbeitet
       wie ein so genannter Altonaer Ofen. Darin wird Fisch auf traditionelle Art
       im Rauch eines Holzfeuers geräuchert.
       
       Öffentlicher Räucherofen 
       
       Die Idee mit dem öffentlichen Räucherofen auf Rollen hatte Hans-Joachim
       Fiedler, auch Aal-Fiedler genannt. Vor dessen Geschäft "Fiedlers Fischmarkt
       anno 1906" räuchert Hartmann seit zwei Jahren an sechs Tagen in der Woche
       Aale, Bücklinge, Forellen auf eigene Rechnung. Vorher war er in Fiedlers
       Produktion in der dahinter liegenden Fischhalle angestellt. Heute kann sich
       Hartmann, gelernter Bäcker und jahrelang als Kochsmaat auf einem Frachter
       angeheuert, gar nichts anderes mehr vorstellen als draußen am Räucherofen
       zu stehen. "Dat brummt ohne Ende und meinen Klönschnack habe ich auch."
       Wenn nicht gerade Regen, Eis oder Schnee die Kundschaft fernhalten.
       
       Die Gegend um das "Schaufenster Fischereihafen" war nicht immer ein
       Touristenmagnet: Vor dem Zweiten Weltkrieg waren in Bremerhaven etwa 30
       Räuchereien ansässig, danach halbierte sich die Zahl. Geblieben sind vier.
       Eine betreibt Hans-Joachim Fiedler, ein stattlicher Mittfünfziger, dem das
       dunkle Haupthaar und der Vollbart zusehends ergrauen.
       
       Der Sohn des stadtbekannten Räuchermeisters Hans Fiedler hat den Niedergang
       der Branche seit den 1960er Jahren miterlebt. Zunächst verschwanden
       deutsche Fischer von den Weltmeeren; entsprechend ruhig wurde es bei den
       Auktionen im Fischereihafen. Dort und in den Räuchereien war noch weniger
       los, als den Leuten mit wachsendem Wohlstand der Appetit auf Fisch verging,
       weil das einstige Arme-Leute-Essen nicht mehr gut genug war.
       
       Der letzte Räucherer 
       
       Trotzdem: Als Fiedler Senior wegen seines Asthmas nicht mehr an den
       rauchenden Öfen arbeiten konnte, verließ der Junior mit 14 Jahren die
       Schule und machte "als Letzter in Deutschland" eine Lehre als
       Fischräucherer. "Ich habe sofort zugesagt. Ich bin ja quasi in der
       Räucherei aufgewachsen."
       
       Anfang der 1970er Jahre übernahmen Hans-Joachim und Hans-Walter, einer
       seiner beiden Brüder, die 1947 in einer Waschküche gegründete Räucherei in
       Wulsdorf, im Süden Bremerhavens. Sie räucherten neben Aal als erster
       Seestadt-Betrieb auch Lachs, damals noch ein Luxusfisch. Die Fiedler-Söhne
       hielten das Niveau und erhöhten den Umsatz.
       
       Neben Fischverkäufern, Großhändlern und Laufkunden bauten sie den
       Versandhandel auf. Die Touristen wollten Räucherfisch auch zu Hause essen.
       "Vor allem in der Zeit vor Weihnachten wurde bei uns überall und den ganzen
       Tag geräuchert, so dass die Nachbarn manchmal dachten: Bei Fiedlers brennen
       die Garagen", erinnert sich Fiedler grinsend. Als eines Nachts tausend
       Lachsseiten auf die Glutkisten gefallen und verkohlt waren, schaffte sich
       der Räuchermeister Elektroräucherkammern an. Ein Novum in der Bremerhavener
       Fischräuchererszene, die rasch nachzog. Die Öfen machten die Räucherer
       unabhängig vom Wetter, erleichterten die Arbeit und verbesserten gerade
       beim Lachs den Geschmack.
       
       Neue Ideen brauchte Fiedler auch 1988. Er war aus dem Familienbetrieb
       ausgestiegen und hatte am heutigen Standort im Fischereihafen sein eigenes
       Unternehmen gegründet. Er legte in der ehemaligen Fischhalle mit drei
       Angestellten und zehn Altonaer Öfen. Doch strenge Umweltauflagen für die
       Filteranlagen, der Nematoden-Skandal und der Firmensitz in einer
       Abbruchgegend mit Müll und Ratten erschwerten Fiedler den Start.
       
       Rettung versprach das Projekt "Schaufenster Fischereihafen", eine
       Initiative der Fischereihafen Betriebsgesellschaft. Der Kerngedanke: Der
       Verbraucher sollte wieder Vertrauen zum Fisch gewinnen, mehr Fisch kaufen
       und überdies ein Erlebnis mit nach Hause nehmen.
       
       Fiedler tauschte die miefende Räucherkluft gegen einen schnieken
       Geschäftsanzug und verhandelte fortan mit Senatoren und Vertretern der
       Wirtschaft über Fördermittel und Konzepte für Bremerhavens neues
       "Schaufenster". Nach und nach eröffnete Fiedler einen Fischladen, ein
       Kolonialwarengeschäft und diverse Fischrestaurants. Derzeit stehen auf
       seiner Lohnliste 90 Menschen, darunter auch seine drei Söhne, die das
       Geschäft irgendwann übernehmen sollen.
       
       Delikatesse Räucherfisch 
       
       "Räucherfisch ist eine Delikatesse und hat immer Zukunft", sagt der
       Fischunternehmer, der jährlich mehr als 600 Tonnen Fisch umsetzt. Den
       Massenmarkt lehnt Fiedler trotzdem ab, weil er Qualität und Preise verdirbt
       und den Fischbestand gefährdet. So steht Fiedlers Lieblingsaal, der
       Europäische Aal oder "Anguilla anguilla", seit 1998 in Deutschland auf der
       Roten Liste und wurde zum Fisch des Jahres 2009 erklärt, um einmal mehr auf
       dessen Schutz hinzuweisen. Fiedler bezieht seine Aale aus Aquakulturen in
       Italien oder Norwegen seit drei Jahrzehnten. Auch für Aquakulturen müssen
       junge Glasaale aus dem Meer gefischt werden, weil Aale nicht gezüchtet,
       sondern lediglich aufgezogen werden können.
       
       "Sehr wichtig ist die Qualität der Rohware und dass man jeden Fisch für
       sich betrachtet. So wird ein Gelbaal anders geräuchert als ein Blankaal."
       Fiedler hat sein Fisch- und Räucherwissen längst weitergegeben. Mit den
       richtigen Tricks und Kniffen können seine Räucherer einen Aal in einem
       modernen Elektro-Ofen fast ebenso gut räuchern wie in einem Altonaer Ofen,
       der nach wie vor als das Maß der Dinge gilt. Von den historischen Öfen
       stehen bei Fiedler noch drei Stück; sie werden aber nur noch selten
       angefeuert.
       
       Das Traditionsfähnchen hält Hartmann hoch. Er hat gegen Mittag noch eine
       zweite Fuhre Forellen in den Ofen gehängt und wird die gut 30 Fische noch
       am Nachmittag unters Volk bringen. Beim Räuchern ist Hartmann Purist. Außer
       dem Rauch von Buchen- und Erlenholz lässt der Profi nichts an seine Fische.
       Lorbeerblätter, Wacholder, Torf oder "geheime Gewürzmischungen" würden bloß
       den Geschmack verfälschen. "Ich mags am liebsten ursprünglich", sagt
       Hartmann. Meister Fiedler nickt. Er hütet zwar wie jeder Räucherer einige
       Würz- und Salzungsgeheimnisse, weiß aber ebenso: "Manchmal ist weniger
       mehr."
       
       7 Apr 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Joerdens
       
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 (DIR) Räucherfisch
       
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