# taz.de -- Friedland: In Deutschland gibt es immer Strom
       
       > Irakische Flüchtlinge, die meisten sind Christen, warten im
       > Grenzdurchgangslager Friedland auf ihre Weiterreise. "Die größte
       > Christenverfolgung der Gegenwart" nennt die Gesellschaft für bedrohte
       > Völker die Pogrome gegen Christen im Irak
       
 (IMG) Bild: Erstmal angekommen: Im Grenzdurchgangslager Friedland warten die irakischen Flüchtlinge auf ihre Weiterreise.
       
       Die Frage nach den Unterschieden zwischen dem Alltag im Irak und in
       Deutschland beantwortet Mazin F. ohne Zögern. Abgesehen davon, dass er nun
       nicht mehr um sein Leben und das seiner Familie bangen müsse, "geht hier
       der Strom niemals aus", sagt der 39-Jährige. "Und Wasser gibt es auch
       immer."
       
       Mazin F. und seine Familie gehören zu den rund 120 irakischen Flüchtlingen,
       die vor knapp einem Monat nach Deutschland kamen und die ersten Tage ihres
       Aufenthaltes im Grenzdurchgangslager Friedland verbringen. In den kommenden
       Monaten wird das Dorf bei Göttingen zur Durchgangsstation für rund 2.500
       Iraker, deren Aufnahme Deutschland im November 2008 zugesagt hatte.
       
       Die meisten von ihnen sind Christen oder gehören anderen im Irak verfolgten
       Religionsgemeinschaften an. Auch einige Yesiden, eine religiöse Minderheit
       unter den Kurden, sind unter den Flüchtlingen. Vertreter des Bundesamtes
       für Migration und Flüchtlinge und des UN-Flüchtlingshilfswerks wählen in
       den überfüllten jordanischen und syrischen Flüchtlingslagern diejenigen
       aus, die nach Deutschland kommen können.
       
       Im Juli 2006 seien sie aus Bagdad geflüchtet, sagt Mazin F. Dort war er
       Besitzer einer kleinen Kunststofffabrik. "Wir haben schreckliche Dinge
       erlebt." Die Anschläge arabischer Extremisten auf Christen hätten sich
       damals so sehr gehäuft, "dass wir unsere Kinder nicht mehr in die Schule
       schicken konnten". Auch Entführungen und andere Schikanen hätten
       zugenommen, an einem einzigen Tag wurden vier Kirchen in die Luft
       gesprengt. "Die größte Christenverfolgung der Gegenwart" - so nennt die
       Gesellschaft für bedrohte Völker die Pogrome gegen irakische Christen.
       
       Der Nahost-Experte der Menschenrechtsorganisation, Kamal Sido, vergleicht
       die Situation in Bagdad mit der im ehemaligen Jugoslawien. Nach dem Sturz
       von Saddam Hussein sei es mit dem Zusammenleben der Religionsgruppen vorbei
       gewesen, die Bevölkerung habe sich in Sunniten, Schiiten und Christen
       aufgespalten. "Und die Christen sind die Schwächsten, weil sie weder ein
       zusammenhängendes Gebiet noch eigene Milizen haben."
       
       Im Lager Friedland bewohnen die Flüchtlinge spartanisch möblierte Zimmer.
       Den vierjährigen Sohn Marius auf dem Schoß, sitzt Mazin F. auf einem der
       Stühle. An der Wand stehen Doppelstockbetten, es gibt noch einen Tisch und
       einen Schrank. Ein Schild an der Wand warnt: "Stop dem Diebstahl". Der Raum
       ist überheizt. "Wir haben geputzt", sagt Großmutter Salima F. "Wenn es warm
       ist, wird der Boden schneller trocken." Über den Flur geht es zu Bad und
       Dusche.
       
       Etliche Iraker sind bereits aus Friedland in ihre künftigen Wohnorte
       abgereist. Seitdem die Aufnahme-Formalitäten erledigt sind und bevor in
       Friedland die Integrationskurse für die Niedersachsen, Sachsen und
       Mecklenburg-Vorpommern zugewiesenen Flüchtlinge anlaufen, gibt es im Lager
       nicht mehr viel zu tun. Bei schönem Wetter treffen sich die Männer draußen
       zum Plausch, die Frauen schauen in den Kleiderkammern der in Friedland
       vertretenen Hilfswerke vorbei, die wenigen Kinder klettern und schaukeln
       auf dem Spielplatz. "Die wichtigen Termine hier sind die Mahlzeiten", sagt
       Mazin F.
       
       Die Verwaltung hat sich auf die Bedürfnisse der Iraker eingestellt. Mehrere
       neue Dolmetscher für Arabisch wurden verpflichtet, die Lagerköche
       informierten sich über die Bedürfnisse der Flüchtlinge. "Wir wollen diesen
       Menschen das Gefühl geben, dass sie hier willkommen und in Sicherheit
       sind", sagt Lagerleiter Heinrich Hörnschemeyer. In der katholischen
       Lagerkirche und der evangelischen Kapelle werden regelmäßig Gottesdienste
       angeboten.
       
       Auch Familie F. wird nur noch wenige Tage in Friedland verbringen. Deutsch
       lernen und Arbeit suchen - das steht für Mazin F. nach dem Umzug als erstes
       an. Enttäuscht ist er darüber, dass die Behörden seinem schon bei der
       Befragung in Syrien geäußerten Wunsch nach einer Zuweisung nach
       Baden-Württemberg nicht entsprochen haben. "In Stuttgart haben wir
       Verwandte, es gibt da auch schon ein Jobangebot für mich", sagt er.
       "Stattdessen sollen wir nach Essen, da kennen wir doch keinen." Die
       irakischen Flüchtlinge erhalten in Deutschland zunächst eine auf drei Jahre
       befristete Aufenthaltserlaubnis. Für sie gilt auch keine Residenzpflicht -
       anders als Asylbewerber dürfen sie ihren Wohnort ohne Genehmigung
       verlassen.
       
       Natürlich habe er manchmal Sehnsucht nach Bagdad, sagt Mazin F. "Nach dem
       Bagdad, so wie es früher war." Eine Rückkehr in die alte Heimat hält er auf
       absehbare Zeit aber für ausgeschlossen. Gegenwärtig sei das "undenkbar".
       Und für die Zukunft? Dieses Mal dauert es einige Zeit, bis Mazin F.
       antwortet. "Man soll nie etwas ausschließen", sagt er dann.
       
       13 Apr 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA