# taz.de -- Volksentscheid: Berliner glauben nicht an "Pro Reli"
       
       > "Pro Reli" scheitert wahrscheinlich an zu geringer Zustimmung. Die
       > Beteiligung lag deutlich unter der des Volksentscheids zum Flughafen
       > Tempelhof 2008. Ein Besuch in den Abstimmungslokalen.
       
 (IMG) Bild: Wenig besucht: Berliner Wahllokal am Sonntag
       
       Dass das Thema vorkommen würde, war klar. Nur wann? Vor Beginn der Messe am
       Sonntagmorgen? In der Predigt? Stattdessen fällt der "Begriff "Pro Reli" in
       der von Sonnenlicht durchfluteten Kirche St. Otto in Zehlendorf erstmals
       bei den Fürbitten. Dabei geht es normalerweise um Frieden und Gerechtigkeit
       in der Welt, um ein besseres Miteinander. Doch heute will man "ganz
       besonders bitten für einen guten Ausgang des Volksbegehrens ,Pro Reli' ".
       Zum Ende der Messe, bei Ankündigungen und Terminen, wird es konkreter: dass
       es wichtig sei, zur Abstimmung zu gehen. Dass eine einfache Mehrheit allein
       nicht reiche. Dass man 612.000 Jastimmen brauche, damit die Schüler
       zwischen Religion und Ethik wählen könnten.
       
       Zehlendorf ist für die Initiative "Pro Reli", die den Volksentscheid
       durchgesetzt hat, besonders wichtig. Gut jeder Zweite ist hier zumindest
       der Steuerkarte nach Christ, hier sind überdurchschnittlich viele Stimmen
       zu holen. Folglich ist zwischen S-Bahnhof und Rathaus die Straße gesäumt
       mit den blauen Plakaten von "Pro Reli". Und mit deren jüngster PR-Idee:
       "Denn freie Wahl ist meine Ethik" steht mit einem "Ja" auf grünem
       Untergrund - den sonst die Gegeninitiative "Pro Ethik" benutzt.
       
       Knapp 15 Kilometer nördlich macht CDU-Chef Frank Henkel "Pro Reli" zum
       zentralen Thema beim Jahresempfang seiner Fraktion in der Kalkscheune. Eine
       Spaltung der Stadt und eine religionsfeindliche Haltung wirft er Rot-Rot
       vor. Er warnt davor, dass Schüler "nur mit Staatsethik konfrontiert werden"
       - es gelte "nur die Toleranz, die Rot-Rot in seine Lehrpläne schreibt."
       
       Prenzlauer Berg. Das Wahllokal Nr. 03810, die Schule am Senefelder Platz,
       verzeichnet am frühen Vormittag eine eher schleppende Wahlbeteiligung. Wer
       hereinkommt, schiebt auffällig oft einen Kinderwagen. Auch Burkhardt P. hat
       zwei Kinder und überzeugt mit "Ja" gestimmt, weil für Kinder qualifizierter
       Religionsunterricht gewährleistet werden solle. "Ich bin auch überrascht
       darüber, dass der Senat mit Steuermitteln Plakate geklebt hat." Doch er ist
       mit seiner Position die Ausnahme: Hier wie an der Grundschule am
       Kollwitzplatz hört man meist Stimmen gegen "Pro Reli": weil die Integration
       im Ethikunterricht zu wichtig sei. Weil Religion und Schule getrennt sein
       sollten. Weil die Initiative die vielen Glaubensgemeinschaften eher
       auseinanderbringe.
       
       Tiefer im Osten, in der Vincent-van-Gogh-Schule in Hohenschönhausen, ist
       die Stimmung ähnlich. Um 12.40 Uhr waren laut Wahlhelfer 473
       Wahlberechtigte da. Die Beteiligung sei hier erfahrungsgemäß am Morgen
       höher als am Nachmittag. Für Torsten W. war seine Wahl klar: "Ich habe mit
       ,Nein' gestimmt, weil ich finde, dass Reli in der Schule nichts zu suchen
       hat. Wer Reli will, soll in die Kirche oder Moschee gehen, um sich zu
       informieren."
       
       Nach schlechter Wahlbeteiligung sieht es in der Theodor-Storm-Grundschule
       an der Neuköllner Sonnenallee nicht aus. Mittags herrscht ein reges Kommen
       und Gehen. Anders als auf den Straßen hier am Hermannplatz sind unter
       denen, die das Wahllokal betreten, die Zuwanderer in der Minderheit. Doch
       es gibt sie: Ali L. etwa, Deutscher türkischer Herkunft. Er hat für "Pro
       Reli" gestimmt: "Dann kommt endlich Milli Görüs aus den Schulen raus." Der
       islamische Religionsunterricht wird von der Islamischen Föderation erteilt,
       die in Verbindung zur Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs steht. Es sei
       besser, wenn der Unterricht unter staatlicher Aufsicht stehe, findet L.
       
       Saadet G. dagegen, auch türkischer Herkunft, hat mit "Nein" gestimmt: Der
       Ethikunterricht für alle Kinder sei besser als getrennter Unterricht für
       jede Religion, meint sie. Das habe auch ihre Tochter gesagt, die hier um
       die Ecke ins Gymnasium gehe. Auch drei deutschstämmige Studentinnen
       stimmten mit "Nein". Sie habe sich so über die vielen "Pro Reli"-Plakate
       mit Günther Jauch geärgert, sagt eine - "der hat nichts damit zu tun!"
       Deshalb habe sie auch gegen "Pro Reli" votiert: "Weil deren Kampagne so
       verlogen war."
       
       27 Apr 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
 (DIR) Tina Haderlein
 (DIR) Alke Wierth
       
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