# taz.de -- Kunstausstellung: Wolfsburger Visionen
       
       > Das Kunstmuseum Wolfsburg ist eines der jüngsten Museen in Deutschland
       > und baut seit seiner Eröffnung im Jahr 1994 eine eigene Sammlung auf. Nun
       > feiert das Museum seinen 15. Geburtstag und zeigt unter dem Titel "Gegen
       > den Strich" Werke aus der eigenen Sammlung.
       
 (IMG) Bild: Die elektrische Fliegenfalle des britischen Künstlers Damien Hirst heißt "A Hundred Years" und stammt aus dem Jahr 1990.
       
       Auf den Flyern des Kunstmuseums Wolfsburg befindet sich fast immer eine
       Deutschlandkarte. Wolfsburg ist auf dieser Karte am größten geschrieben und
       in der Mitte platziert. Um Wolfsburg herum gruppieren sich zwölf Städte wie
       Berlin, Hamburg, Hannover und Bremen. Alle diese Städte sind durch eine
       gerade Linie mit Wolfsburg verbunden, die für die jeweilige ICE-Verbindung
       stehen. Mittgeteilt wird dazu die jeweilige Fahrtzeit: Von Berlin nach
       Wolfsburg braucht der ICE eine Stunde. Von Hannover nach Wolfsburg 30
       Minuten. Von Hamburg aus zwei Stunden 15 Minuten. Von Bremen aus sind es
       eine Stunde und 50 Minuten.
       
       Die kleine Landkarte erzählt komprimiert von dem Konstruktionsfehler, mit
       dem das Kunstmuseum Wolfsburg seit seiner Eröffnung im Jahr 1994 umgehen
       muss. Das Kunstmuseum ist groß, es kümmert sich um große Kunst und
       Wolfsburg ist klein. In der Stadt selbst gibt es zu wenig Publikum für
       zeitgenössische Kunst, also ist das Kunstmuseum auf Besuch von außen
       angewiesen. Die andere publikumsrelevante Neugründung in Wolfsburg, der
       Fußballverein VfL, hat es da einfacher: Jedes zweite Wochenende ist
       Auswärtsspiel.
       
       Zu seinem 15-jährigen Geburtstag zeigt das junge Museum derzeit eine
       Ausstellung mit über 110 Exponaten aus seiner Sammlung. Die Ausstellung
       soll einen Überblick geben über die Arbeiten, die das Kunstmuseum in den 15
       Jahren seines Bestehens erworben hat. Konzipiert ist sie als
       Überblicksausstellung, die ältere Werke jüngeren gegenüberstellt und Werke
       aus verschiedenen Genres wie Malerei, Fotografie, Installation oder Video
       versammelt. Die Werke stammen in der Regel von Künstlern, die zu Stars
       geworden sind: Es gibt Fotos von Andreas Gursky oder Nobuyoshi Araki,
       Malerei von Elizabeth Peyton oder Neo Rauch, Installationen von Bruce
       Nauman oder Damien Hirst und Videokunst von Nam June Paik. "Die haben, was
       man gern haben möchte", hatte bereits zum 10. Geburtstag der frühere Leiter
       der Hamburger Galerie der Gegenwart, Christoph Heinrich, gelobt.
       
       Ausgangspunkt der Wolfsburger Sammlung ist das Jahr 1968, ein "markantes
       Datum", sagt Kunstmuseum-Direktor Markus Brüderlin, "ab dem wichtige
       Künstler aufgetaucht sind". Unter Brüderlins Vorgänger Gijs van Tuyl kaufte
       das Kunstmuseum Werke der Minimal und Conceptual Art, der Arte Povera und
       der Medienkunst. Man habe eine starke internationale Ausrichtung verfolgt,
       sagt Brüderlin und wollte außerdem einen eigenen Akzent unter den Museen
       Norddeutschlands setzen. Man habe den Fehler nicht gemacht, auf die Jungen
       Wilden vom Anfang der 1980er Jahre zu setzen, habe dafür aber Werke von Neo
       Rauch und Andreas Gursky angekauft, als beide noch jung und bezahlbar
       waren. Gursky, erzählt Brüderlin, habe es sogar als den Startschuss seiner
       Karriere bezeichnet, als das Kunstmuseum Wolfsburg bei ihm einkaufte.
       
       Das Kunstmuseum Wolfsburg ist ein privates Museum, das von der
       Kunststiftung Volkswagen getragen wird. Diese wiederum erhält einen
       Großteil ihres Geldes aus der Stiftung des Ehepaares Asta und Christian
       Holler, das 1948 in Wolfsburg einen Versicherungsdienst für Autos gegründet
       hatte. Zur Eröffnung des Kunstmuseums gab es einen satten Etat zum Aufbau
       einer eigenen Sammlung, über dessen genaue Höhe Brüderlin nichts sagen
       möchte. Mittlerweile "sind die Mittel nicht mehr die, dass man die Sammlung
       vernünftig weiterentwickeln kann", sagt Brüderlin. Man müsse sich also
       etwas überlegen - und hat zum 15. Geburtstag 15 Werke benannt, die man
       gerne geschenkt oder finanziert bekäme. Prompt schenkte der VW-Konzern dem
       Haus die Arbeit "Pyongyang" von Andreas Gursky.
       
       Es seien die Schlüsselwerke der Künstler, die man haben wolle, sagt Holger
       Broeker, der die Sammlung kuratiert. Einerseits müsse man kaufen, solange
       die Arbeiten eines Künstlers noch erschwinglich seien. Andererseits ist das
       Credo bei Ankäufen: "Das Werk muss Bestand haben." Als Erinnerung an die
       Flüchtigkeit des Qualitätsbegriffs haben die Wolfsburger ein Werk von
       Michelle Majerus in die Sammlung aufgenommen. Es heißt: "What looks good
       today may not look good tomorrow". Besonders stolz sind sie, dass sie sich
       Anfang der 1990er dazu entschlossen haben, günstig Arbeiten von Andreas
       Gursky anzukaufen. 2006 erbrachte eine Arbeit von Gursky auf einer Auktion
       in New York einen Preis von über 2,2 Millionen Dollar. Die eigenen Werke
       mit Gewinn wieder zu verkaufen, liegt allerdings "nicht im Interesse des
       Kunstmuseums", sagt Broeker. "Wir sind bemüht, die Arbeiten in die Sammlung
       einzubinden. Jedes Werk, das hinzukommt, wird Teil eines Organismus."
       
       Und jedes Werk erlebt mitunter eine eigene Geschichte, wenn es ab und an in
       einer Ausstellung gezeigt wird. Die Arbeit "A Hundred Years" von Damien
       Hirst beispielsweise ist eine gläserne Box mit einer Fliegenfalle, in der
       lebendige Fliegen vor den Augen der Besucher verglühen. Die Arbeit sorgte
       nicht nur für das Wort "Skandal" in der Presse, sondern auch für Widerstand
       durch Tierschützer. Sie stammt aus dem Jahr 1990 - und ist neunzehn Jahre
       später bereits museumsreif.
       
       19 May 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Irler
 (DIR) Klaus Irler
       
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