# taz.de -- Wassersperre in der Türkei: Druck auf Staudamm wächst
       
       > Kurz vor Ende des Ultimatums zur Finanzierung des umstrittenen
       > Megastaudamms in Ilisu bescheinigt ein Gutachten dem von den Fluten
       > bedrohten Tal Status als Weltkulturerbe.
       
 (IMG) Bild: Die Staudammgegner lassen sich von dem staatlichen Druck nicht abschrecken.
       
       Kurz vor Beginn eines Anti-Ilisu-Gipfels am kommenden Donnerstag bekommen
       die Gegner des geplanten türkischen Riesenstaudamms prominenten Beistand:
       Popstar Tarkan und der deutschtürkische Filmemacher Fatih Akin gehören zu
       den Erstunterzeichnern einer weltweiten Petition, die den Stopp des
       umstrittenen Ilisu-Staudamms an der Grenze zu Syrien und dem Irak fordert.
       
       Die 11.000 Jahre alte Stadt Hasankeyf, in deren Umfeld sich 23 Kulturen
       verewigt haben, soll vor der Flutung bewahrt und als Unesco-Weltkultur- und
       -Naturerbe ausgezeichnet werden, heißt es in der Petition. 7.000
       Staudammgegner aus ganz Europa haben sie bislang unterzeichnet.
       
       Grundlage der Forderung nach Schutz durch die UNO ist ein neues Gutachten
       der Universität Istanbul, das das zur Überflutung vorgesehene Tigristal an
       den Unesco-Kriterien für Weltkulturerbe misst: Demnach gehört die Region
       mit ihren 200 bekannten archäologischen Fundstätten zu den wertvollsten
       Kultur- und Naturlandschaften der Welt - und wäre damit als Weltkulturerbe
       ähnlich bedeutsam wie die Pyramiden von Gizeh, die Felsenstadt Petra oder
       der Grand Canyon in den USA.
       
       Adressaten der Petition sind die Regierungschefs der Türkei, Deutschlands,
       Österreichs und der Schweiz. Sie ringen nach taz-Informationen derzeit um
       die Zukunft des umstrittenen Staudamms. Eine Schlüsselrolle fällt dabei den
       Europäern zu, denn Firmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz
       wollen sich am Bau des 2 Milliarden Euro teuren Bauwerks beteiligen.
       Staatliche Bürgschaften über mindestens 450 Millionen Euro sollen die
       Bauleistungen absichern.
       
       Doch die Kreditbürgschaften stehen auf der Kippe, weil die Türkei seit
       Jahren beharrlich internationale Umwelt- und Sozialstandards ignoriert. Die
       drei beteiligten Kreditanstalten - darunter die Euler Hermes
       Kreditversicherung aus Deutschland - hatten der Türkei deshalb im Dezember
       ein Ultimatum für Nachbesserung gestellt, dessen Frist am 6. Juli abläuft.
       
       Nach Informationen dieser Zeitung befinden sich gegenwärtig Experten der
       Kreditagenturen in der Türkei vor Ort, um die aktuelle Lage zu beurteilen.
       So muss die türkische Regierung nachweisen, wie sie gut 60.000 Menschen
       umsiedeln will, die dem 305 Quadratkilometer großen Ilisu-Stausee weichen
       sollen.
       
       153 solcher Auflagen aus den Bereichen Umweltschutz, Umsiedlung und
       Denkmalschutz muss das Land erfüllen, damit die Europäer ihre Finanzierung
       freigeben. Doch die halten sich bedeckt: "Wir werden unsere Entscheidung
       erst am 6. Juli bekannt geben", sagte eine Sprecherin der Euler-Hermes auf
       Nachfrage der taz.
       
       Eindeutiger äußert sich das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
       in Berlin: "Wenn die notwendigen Maßnahmen jetzt nicht erfolgen, werden die
       Liefer- und Kreditverträge beendet", heißt es in einer Stellungnahme.
       Deutliche Kritik kommt auch von Experten der Weltbank, die den Staudamm
       wegen seiner massiven Auswirkungen auf Mensch und Natur ablehnt.
       
       Der ehemalige Türkei-Chef der Weltbank, Andrew Vorking, rief die
       Kreditagenturen in der vergangen Woche auf, ihre Unterstützung für den Bau
       des Staudamms einzustellen: "Die archäologisch wertvollen Orte können nur
       gerettet werden, wenn es keine ausländischen Finanzhilfen gibt", sagte
       Vorking in Istanbul. Wie begründet seine Sorgen über die Laxheit im Umgang
       mit der Menschheitsgeschichte sind, zeigt die aktuelle Entwicklung. Die
       Türkei will nach jüngsten Angaben nicht mehr fünfzehn , sondern nur noch
       maximal vier historische Denkmäler vor der Überflutung retten.
       
       Und auch sonst gibt sie sich angesichts des Drucks, den das Ausland ausübt,
       vergleichsweise beratungsresistent. Eine Kostprobe dessen, wie die Behörden
       mit internationalen Vorgaben umgehen, konnten die Bewohner der Stadt
       Hasankeyf in der vergangenen Woche erleben. Bei einem offiziellen Treffen
       wollte die staatliche Staudammlobby die Bewohner davon überzeugen, sich an
       ihrem Umsiedlungskonzept zu beteiligen.
       
       Nachdem die Bewohner sich auch von Gratishäusern und sicheren Jobs für den
       Fall ihres Umzugs nicht locken lassen wollten, endete die Veranstaltung mit
       Drohungen des anwesenden Gouverneurs der Region, Bilgehan Bayar: "Ihr könnt
       protestieren, wie ihr wollt", sagte Bayar den Bürgern: "Hasankeyf wird auf
       jeden Fall verlegt, egal ob der Staudamm gebaut wird oder nicht."
       
       25 May 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tarik Ahmia
       
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