# taz.de -- NS-Justiz: Ein Mann zweier Systeme
       
       > Einst "Blutrichter" der Nazis machte Kurt Bode nach dem Krieg in Bremen
       > wieder Karriere. An der Aufarbeitung nicht nur seines Falls hat sich die
       > Justiz kaum beteiligt
       
 (IMG) Bild: Kurt Bode (1941). Abbildung aus Dieter Schenk: "Die Post von Danzig"
       
       Am Ende wurde der Fall des Kurt Bode nie richtig aufgearbeitet. 70 Jahre
       nachdem der "Blutrichter" sich unter den Nazis in Danzig des 38fachen
       Justizmordes schuldig machte. 50 Jahre, nachdem die Hintergründe dieser Tat
       sich in Grass' "Blechtrommel" wiederfanden, 30 Jahre nachdem Bode starb,
       als nie zur Rechenschaft gezogener Vizepräsident a.D. des
       Oberlandesgerichts Bremen (OLG).
       
       Und heute? Interessiert sich kaum noch einer der jungen RichterInnen für
       die Geschichte. Als sie jetzt im Schwurgerichtssaal des Landgerichts wieder
       erzählt wurde, anlässlich der Ausstellung "Was damals Recht war …", da
       kamen kaum junge. Und überhaupt nur ein einziger Richter: Bernd Asbrock,
       der bald pensioniert wird, einst selbst in dem Fall recherchierte, gegen
       hausinterne Widerstände.
       
       Sicher, sie haben Bodes Bild in der Ehrengalerie des Gerichts wieder
       abgehängt. Das war 1993. Es hing dort zwischen den Bildern der Präsidenten
       des Hauses - obwohl Bode nur Vize war. Keinem anderen Stellvertreter wurde
       diese Ehre zuteil. Aber er hatte sich ja "verdient" gemacht um den Aufbau
       des OLG. Und sonst? Ist sehr wenig passiert, sagt Asbrock. Bei Bodes
       Verabschiedung 1960 fiel "kein Wort" zu seiner NS-Karriere, so Asbrock.
       
       Bode war von 1942 bis 1945 Generalstaatsanwalt in Danzig und damit einer
       der 100 wichtigsten Juristen des Dritten Reiches. 1939 verurteilte er als
       Vorsitzender des Feldkriegsgerichts, 38 Postler, die ihr Amt gegen
       Polizisten und Hilfstruppen von SA und SS verteidigt hatten, wegen
       "Freischärlerei" zum Tode. Das war - zu diesem Zeitpunkt - selbst unter den
       Nazis unrechtmäßig, sagt Dieter Schenk, einst Kriminaldirektor des
       Bundeskriminalamtes. Er schrieb diese Geschichte im Buch "Die Post von
       Danzig" nieder.
       
       Bode wollte "auf Biegen und Brechen" ein Todesurteil sprechen, sagt Schenk.
       Am Tod von 122 Verurteilten war er nachweislich beteiligt, 350 Todesurteile
       gingen über seinen Schreibtisch, verhängt unter anderem gegen Schweine- und
       Hühnerdiebe.
       
       Bode war "kein fanatischer Nazi", sagt Schenk, eher ein "ehrgeiziger
       Technokrat", der sich "vorbehaltlos" in den Dienst der Nazis gestellt habe.
       Ein "Mann des System", wie Bode 1953 selbst es formulierte.
       
       Da war er schon zwei Jahre lang wieder im bremischen Justizdienst tätig,
       dank zahlreicher "Persilscheine", und auf Betreiben des damaligen
       Justizsenators Theodor Spitta (FDP). Der hatte sich schon früh für die
       Wiedereinsetzung ehemaliger Nazis stark gemacht. Mit Erfolg: Karl Arndt
       etwa, 1956 bis 1969 OLG-Präsident, gehörte einst unter anderem der SS an.
       Auch der ehemalige Bundespräsident Karl Carstens (NSDAP, CDU) war schon
       1945 wieder für Spitta tätig und schrieb auch an der bremischen Verfassung
       mit. Kurz zuvor war Carstens noch Mitglied der SA und Leutnant der
       Artillerie gewesen.
       
       Als Bode 1960 pensioniert wird, steht er auf derselben Stufe wie schon
       1938. Er wurde in beiden Systemen fast gleichlautend gut beurteilt, sagt
       Schenk. In Bremen wurde er von Kollegen als "liebenswerter, fachlich
       kompetenter Lehrer" geschätzt. Eine, die ihn privat selbst noch kannte,
       schildert ihn als "gebildeten und liebenswürdigen Mann".
       
       Zwischen 1960 und 1976 werden neun Verfahren gegen ihn eingestellt - ein
       "Musterbeispiel strafrechtlicher Nicht-Verfolgung", so Schenk. Seine
       Todesurteile von 1939 wurden erst 1998 aufgehoben, Bode zugleich der
       vorsätzlichen Rechtsbeugung für schuldig befunden. Die Nachkommen der
       posthum Freigesprochenen wurden später nach langem Rechtsstreit mit maximal
       10.000 Mark entschädigt. 2008 beschäftigte der Fall noch einmal den
       Bundestag. Die Petition wurde abgewiesen.
       
       19 Jun 2009
       
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 (DIR) Jan Zier
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