# taz.de -- Pro und Contra: Piratenpartei – die neuen Guten?
       
       > Ist die Piratenpartei die politische Stimme der Netzbewegung? Oder sind
       > sie bloß nur eine Vereinigung im Grunde politikhassender Spezialisten?
       
 (IMG) Bild: Wie die Grünen in ihren Anfangstagen? Piratenparteitag in Hamburg.
       
       PRO 
       
       Wenn es die Piratenpartei nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Sie stößt
       heute in eine ähnliche Lücke innerhalb der Internetbewegung vor, wie es die
       Grünen einst innerhalb der Umweltbewegung taten: Sie gibt einer
       gesellschaftlichen Gruppe, die sich in den aktuellen Parteien nicht
       wiederfindet, eine politische Stimme.
       
       Wo stehen denn die "Großen"? Die SPD ist stets bereit, mit der CDU (und
       auch ohne sie) sicherheitspolitische Verschärfungen durchzusetzen, die
       Bürgerrechtler in der FDP wären in einer Koalition machtlos. Und auch die
       Grünen schaffen es trotz guter Ansätze viel zu selten, echte
       Grundrechtspolitik zu machen. Das ist die heutige Situation - und sie ist
       traurig. Schon deshalb brauchen wir eine Partei, die auch in der digitalen
       Welt sicherstellt, dass wir nicht in einen Überwachungsstaat geraten.
       
       Tatsache ist natürlich auch: Den ersten Skandal um einen bräunlich
       angehauchten stellvertretenden Schiedsrichter hätten die Piraten deutlich
       souveräner meistern können. Wer freundlich sein will, kann das auf
       mangelnde politische Professionalität schieben. Andererseits haben die
       Parteioberen in den Blogs und auf Twitter derart viel Dampf bekommen, dass
       man durchaus von einer neuartigen Basisdemokratie sprechen kann. Die
       wachsende Gruppe der Netzaktivisten, denen ihre digitalen Bürgerrechte am
       Herzen liegen (man denke nur an die 130.000 Unterzeichner der Petition
       gegen Internetsperren), braucht eine Vertretung.
       
       Schwierig könnte es werden, weil die Piraten sich an einer
       Ideologiefreiheit versuchen, die man bislang in der Parteienlandschaft noch
       nicht kannte. Diese Radikalität sprengt das gewöhnliche politische
       Vorstellungsvermögen, kann aber durchaus funktionieren, wenn man sich klar
       an den Rändern nach rechts und - ja, auch! - nach links abgrenzt. Wie und
       ob das klappt, kann nur die Zukunft zeigen. Ein Experiment ist es allemal
       wert. Den Grünen hätte bei ihrer Gründung auch niemand zugetraut, wie weit
       sie es einmal bringen würden.
       
       BEN SCHWAN ist Autor für taz.de und die taz.
       
       ***************
       
       CONTRA 
       
       Die Mitglieder der Piratenpartei machen vieles richtig. Eine Neufassung des
       Urheberrechts muss tatsächlich diskutiert werden; es geht nicht an, dass
       man tausende von Usern, die Inhalte unbezahlt downloaden, zu
       Schwerverbrechern erklärt. Ebenso ist es richtig, sich die Gesetze zu
       Internetsperren genauer anzuschauen, damit hier nicht chinesische
       Verhältnisse herrschen. Und die Idee, für diese Anliegen mithilfe einer
       Partei zu werben, war gut.
       
       Doch wissen die Parteimitglieder nicht, warum sie vieles richtig machen.
       Dass sie ihre Partei als solche bierernst nehmen, ist schon bedenklich
       genug; der Schritt zum Kleingärtnerverein wird vollzogen, nur ist der
       Kleingarten virtuell. Die Piraten sagen, sie seien nicht links und nicht
       rechts. Dass auch Mussolini sich so präsentierte, wissen sie nicht und
       wundern sich nun, warum Faschisten ihre Partei interessant finden. Das
       lässt sich beheben; doch beweist der Vorgang, dass diese einäugigen Piraten
       das, was man nicht via Mausklick ansteuern kann, nicht kennen und sie sich
       auch im Internet mit nichts anderem als dem Internet beschäftigen.
       
       Sie hassen Politik im eigentlichen Sinne. Sie wollen machen, nicht
       analysieren. Sie halten das Internet selbst für seinen Inhalt, verwechseln
       Medium und Message. Sie kämpfen für Bürgerrechte, interessieren sich aber
       nicht dafür, was der Bürger ist, ideologisch gesehen. Sie wollen
       Datenschutz und kritisieren den Staat, loben aber Google, da sie
       ignorieren, dass Privatwirtschaft und Staat kooperieren. Auch sehen sie
       nicht, dass Teile dessen, was sie via Medium im Netz betrachten können,
       Privatbesitz ist.
       
       Sie bekämpfen Urheber, Firmen wie Pirate Bay aber finden sie okay, solange
       diese "Free Content" anbieten. Wird die Firmenpolitik geändert, sind die
       Piraten empört. Das beweist zweierlei. Erstens haben diese Piraten den
       Kapitalismus nicht verstanden, auch da haben sie was mit Mussolini gemein.
       Zweitens sind sie käuflich - man muss ihnen nur was schenken, schon sind
       sie ganz blöd. So billig wie diese Partei war selten eine zu haben.
       
       JÖRG SUNDERMEIER ist Journalist und Programmleiter des Verbrecher-Verlags.
       
       10 Jul 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) B. Schwan
 (DIR) J. Sundermeier
       
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