# taz.de -- Trauerfeier für erstochene Ägypterin: "Sie hat unser Leben vergoldet"
       
       > Zur Trauerfeier für die im Gerichtssaal erstochene Ägypterin Marwa E.
       > kommen in Dresden sehr viele Nicht-Muslime. Sie wollen Solidarität
       > zeigen. Von der Regierung sind sie enttäuscht.
       
 (IMG) Bild: Zur Trauerfeier in Dresden erscheint als einziger Berliner Vertreter nur Franz Müntefering.
       
       DRESDEN taz | Viele derjenigen, die am Samstagnachmittag vor dem Dresdner
       Rathaus um die Ägypterin Marwa E. trauern, sprechen über die NPD. Und das
       nicht nur, weil der Mann, der die schwangere Frau im Gerichtssaal mit 18
       Messerstichen tötete, angab, NPD-Wähler zu sein, sondern weil hier
       überhaupt nichts gegen die NPD unternommen werde, beschwert sich eine Frau.
       
       Und Inam Sayad-Mahmood, die stellvertretende Vorsitzende des Dresdner
       Ausländerrates, erzählt, dass selbst sie vor kurzem von einer wildfremden
       Frau als Asylbetrügerin abgestempelt wurde. Die unbekannte Frau tippte
       Sayad-Mahmood, die ein locker gebundenes Kopftuch trägt, an, zeigte auf ein
       NPD-Wahlplakat und sagte: „Das bist du“. Der Slogan der NPD war: „Touristen
       willkommen. Asylbetrüger raus.“ Damals lebte Marwa E. noch.
       
       Die Trauerfeier in Dresden ist auch eine Protestveranstaltung. Wie kann es
       sein, fragen sich viele Demonstranten, dass so eine Tat in einem
       Gerichtssaal, „im Haus der Gerechtigkeit“, geschehen konnte? Und warum
       schießt der zu Hilfe eilende Polizist nicht den Täter an, sondern den
       ägyptischen Ehemann des Opfers, fragt eine Seniorin. „Das fragen wir uns
       hier alle“, sagt ein junger Mann.
       
       Der sächsische Justizminister Geert Mackenroth (CDU), die Vorsitzende der
       Jüdischen Gemeinde in Dresden, Nora Goldenbogen, der ägyptische Botschafter
       Ramzy Ezzeldin Ramzy und der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime,
       Aiman Mazyek, sind gekommen. Von den Bundespolitikern lässt sich nur
       SPD-Chef Franz Müntefering blicken.
       
       Auch Kamerateams und Journalisten aus vielen arabischen Ländern und dem
       Iran sind da. Knapp 80 Prozent der rund 1.500 Demonstranten sind
       Nicht-Muslime. Mazyek vom Zentralrat der Muslime bedankte sich für die
       Solidarität. Sie zeige, dass diese „islamfeindliche und frauenfeindliche“
       Tat nicht geduldet werde. Gemeinsam könne man gegen „Extremisten aller
       Couleur“ kämpfen.
       
       Dem Tagesspiegel sagte er, Bundeskanzlerin Angela Merkel solle sich „bitte
       direkt an die mehr als vier Millionen Muslime hierzulande wenden und den
       brutalen rassistischen Mord aus islamfeindlichen Motiven verurteilen“.
       
       Walerius Steinhauer vom Integrationsnetzwerk für Spätaussiedler in Sachsen
       sagte, es sei für alle unbegreiflich, „wie ein Russlanddeutscher zum
       Rechtsextremisten werden konnte“. Die Älteren von ihnen seien schließlich
       in Russland verfolgt und vertrieben worden. Auch in Deutschland seien sie
       Diskriminierung ausgesetzt.
       
       Diejenigen, die Marwa E. persönlich kannten, darunter viele ägyptische
       Doktoranden, sind aufgelöst. „Diese Familie hat unser ganzes Leben
       vergoldet“, sagt Tony Hyman, den Tränen nahe. Der Brite leitet das
       Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie in Dresden, an dem der
       ägyptische Ehemann der Getöteten forscht.
       
       Die ausländischen Korrespondenten beschäftigt die zögerliche Reaktion der
       Bundesregierung auf den Fall sehr: „Wie kann das sein“, fragt sich ein
       ägyptischer Journalist, dass ein „so kluger“ Mensch wie Bundesinnenminister
       Wolfgang Schäuble in Kairo eine „wunderbare Rede“ zum Zusammenleben von
       Christen und Muslimen gehalten habe, bei der ersten Bewährungsprobe aber
       „quasi nichts beitrage“.
       
       Auf dem Nachhauseweg stellt sich die Integrationshelferin Inam
       Sayad-Mahmood Fragen, auf die weder ihr Hochschulabschluss, noch ihr
       jahrelanges Engagement im christlich-islamisch-jüdischen Dialog eine
       Antwort bieten. „Was soll ich jetzt meiner Nichte sagen? Ihr die Gefahr
       verschweigen, damit sie unbeschwert durch die Stadt läuft? Sie warnen?“ Sie
       selbst habe seit dem Tod von Marwa E. leider einen anderen Blick auf die
       jungen Männer in Dresden. „Ich denke immer gleich: ist der stärker als
       ich?“
       
       12 Jul 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karin Schädler
       
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