# taz.de -- Erneuerbare Energien: Werden Atomkraftwerke überflüssig?
       
       > Konzerne wollen in großem Stil die Sonnenenergie der Sahara zu Strom
       > machen. Kann so etwas klappen, und wer profitiert? Fragen und Antworten.
       
 (IMG) Bild: Solarkraftwerk in der Wüste.
       
       Wie funktioniert die Technik? 
       
       Die Technik ist weder neu noch relativ kompliziert. Im vergangenen Jahr
       nahm das erste Parabolrinnenkraftwerk Europas in Südspanien den Testbetrieb
       auf. Dabei bündeln gekrümmte Spiegel die Sonnenstrahlen, die ein Spezialöl
       auf bis zu 400 Grad erhitzen. Diese Energie bringt Wasser zum Kochen. Der
       daraus entstehende Wasserdampf treibt Turbinen an, womit der Strom erzeugt
       wird. Der Vorteil: Weil das Öl gleichzeitig flüssiges Salz auf 380 Grad
       erhitzt und dieses mehr Energie speichern kann als Wasser, kann der
       Wasserdampf für den Antrieb der Turbinen nach Sonnenuntergang mit der Wärme
       aus diesen Salztanks erzeugt werden.
       
       Ist das Vorhaben eine Fata Morgana? 
       
       Rein technisch erwarten Experten wenig Schwierigkeiten. Der größere
       Knackpunkt könnte in den finanziellen Investitionen liegen. Den
       Sonnenschein gibt es zwar zum Nulltarif, der Transport hingegen könnte
       teuer werden.
       
       Eurosolar, die Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien,
       bezweifelt, dass die von Desertec angegebenen Investitionskosten und
       Zeiträume auch tatsächlich eingelöst werden können. Die Kostenfaktoren
       unter den Rahmenbedingungen von Wüstenkraftwerken, beispielsweise die
       Kosten für den Schutz der Solarspiegel vor heftigen Sandstürmen, würden
       demnach grob unterschätzt.
       
       Was bringt das Projekt Deutschland? 
       
       "Deutschland kann von Solarkraftwerken in Wüsten einen doppelten Nutzen
       erzielen: Bereits heute als Exporteur grüner Technologie und in absehbarer
       Zeit als Importeur sauberen Wüstenstroms", sagt Max Schön, Präsident des
       Club of Rome und Aufsichtsratsmitglied der Desertec Foundation.
       
       Wie eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie
       errechnete, können durch den weltweiten Bau solarthermischer Kraftwerke
       deutsche Unternehmen von 2010 bis 2050 mit einer Wertschöpfung von bis zu
       zwei Billionen Euro profitieren. Die Zahl der Beschäftigten von beteiligten
       deutschen Unternehmen könnte, gemessen an der weltweiten Beschäftigung,
       einen Anteil von über 40 Prozent betragen. Weltweit seien im Jahr 2050 bis
       zu 582.000 Arbeitsplätze möglich. Die Untersuchung bezieht sich auf den Bau
       der Kraftwerke. Durch den Betrieb der Anlagen entstehen weltweit zusätzlich
       dreimal so viele Arbeitsplätze.
       
       Was haben die Konzerne davon? 
       
       Vor allem Profit, sonst würden sie es ja nicht machen. Aber auch
       strategisch ist das Projekt zumindest für die Energiekonzerne eine wichtige
       Option. Denn sie können so die wegfallende Stromproduktion in
       Atomkraftwerken ersetzen und zum anderen auch den Markt der Erneuerbaren
       Energien bestimmen. Sie fordern eine Abnahmegarantie für den Strom aus der
       Wüste, was allerdings den Markt für die kleineren europäischen
       Öko-Stromproduzenten verringern würde. Aber das dürfte RWE recht sein
       
       Werden AKWs überflüssig? 
       
       Theoretisch ja, das hat aber mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien
       allgemein zu tun. Derzeit wird Europas Strombedarf zu rund einem Drittel
       mit Atomenergie gedeckt. Allerdings sind viele Meiler schon Jahrzehnte alt
       und werden so oder so schon lange vom Netz sein, wenn der erste Sonnenstrom
       aus der Wüste nach Europa fließt. Dann wird Europa allerdings schon selbst
       sehr viel Ökostrom produzieren. Bis 2020 sollen es 20 Prozent sein, 2050
       sind 50 Prozent und mehr möglich. Gleichzeitig werden die Maschinen und
       Elektrogeräte immer sparsamer. Selbst die Betreiber der Atomkraftwerke
       sehen zumindest in Deutschland offiziell ihre Meiler als
       Übergangstechnologie an, bis diese durch erneuerbaren Energien ersetzt
       werden können. Wann das so weit sein wird, darauf legen sie sich aber nicht
       fest.
       
       Sind wir künftig von Gaddafi abhängig? 
       
       Wenn überhaupt, wahrscheinlich von seinem Nachfolger. Aber in der Tat würde
       Desertec Europa stärker von den Sahara-Anreinern und den Ländern abhängig
       machen, durch die Kabel nach Deutschland laufen. Aber: Die EU ist seit
       Jahrzehnten abhängig von Gaslieferungen aus Russland und dem Nahen Osten.
       In diesem Punkt würde sich also gar nichts grundsätzlich ändern. Es sei
       denn, man ändert die Versorgungsstruktur grundsätzlich und baut eine
       dezentrale und möglichst autarke Energiegewinnung auf.
       
       Was bringt es Afrika? 
       
       Zunächst einmal Umwelttechnologien und damit den Zugriff auf Ökostrom.
       Desertec soll vor allem den wachsenden Energiebedarf im Norden Afrikas
       decken, der Export nach Europa ist eher eine Zugabe. Unter anderem könnte
       Desertec auch zur Gewinnung von Trinkwasser aus dem Meer benutzt werden und
       zum Beispiel das Atomkraftwerk ersetzen, das Frankreich dafür in Libyen
       bauen will. Auch Arbeitsplätze können entstehen, denn während des Baus von
       Desertec werden Arbeitskräfte gebraucht. Zudem wächst die energiepolitische
       Macht der nordafrikanischen Staaten - und damit auch das Konfliktpotenzial.
       Nicht nur die Völker, die in der Wüste leben, werden Desertec nicht
       widerspruchslos hinnehmen. Auch unter den Staaten könnten Verteilungskämpfe
       um den bislang wertlosen Wüstenboden langfristigen Schaden anrichten.
       
       Was sagen die Gegner zu dem Projekt? 
       
       Sie vermissen unter anderem einen grundsätzlichen Systemwechsel in der
       Energiewirtschaft. Der Vorwurf: Mit dem Desertec-Projekt würde die Struktur
       von atomaren und fossilen Großkraftwerken kopiert und genau diese
       Zentralstruktur verhindere den weiteren Ausbau von dezentralen erneuerbaren
       Energien. Doch noch bevor der Solarstrom aus der Sahara - auch zu
       entsprechenden Preisen - geliefert werden könne, würde die Solar- und
       Windstromerzeugung deutlich preisgünstiger sein. Schon in drei Jahren
       könnte die Solarstromerzeugung auf Deutschlands Dächern preislich auf dem
       Niveau des gegenwärtigen Strompreises liegen. Auch wenn im Süden die
       Sonneneinstrahlung deutlich höher sein mag, die Kosten der gigantischen
       Übertragungsnetze wird sie womöglich nie wettmachen. Zudem warnen kritische
       Stimmen davor, die Lebensräume der Beduinen, der Wüstenbewohner der Sahara,
       zu zerstören. Laut Aussage des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt
       (DLR), das im Auftrag des Bundesumweltministeriums über das Thema forscht,
       müssten die Kraftwerke in der Sahara eine Fläche von rund 65.000
       Quadratkilometern einnehmen, um den Strombedarf der Welt decken zu können.
       
       14 Jul 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) N. Michel
 (DIR) S. Kosch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
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