# taz.de -- Aufruhr der Islamisten: Hunderte Tote in Nigeria
       
       > Im muslimischen Norden Nigerias sind blutige Kämpfe zwischen Polizei und
       > militanten islamistischen Gruppen ausgebrochen, die zum Teil den Taliban
       > nahestehen.
       
 (IMG) Bild: Vor einer Polizeistation in Bauchi, einer Stadt im Nordosten Nigerias, liegen die Leichen von Männern, die in einer Schießerei zwischen Sicherheitskräften und den Islamisten zu Tode gekommen sind.
       
       Bis zu 200 Menschen sind in den letzten zwei Tagen im Norden Nigerias bei
       Kämpfen zwischen militanten Islamisten und Sicherheitskräften ums Leben
       gekommen. Die am Sonntag in Bauchi, der vier Millionen Einwohner zählenden
       Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates, begonnenen Unruhen weiteten
       sich am gestrigen Montag auf Yobe und Borno aus.
       
       Auslöser der Gewalt war ein Demonstrationsverbot in Bauchi gegen die
       radikalislamistische Gruppe Boko Haram (Bücher sind Sünde). Die
       Gruppierung, die sich selbst als Pendant zu den Taliban versteht und vor
       fünf Jahren erstmals mit der Errichtung eines Trainingslagers namens
       "Afghanistan" an der Grenze zwischen Nigeria und Niger Aufmerksamkeit
       erlangte, wollte öffentlich für ihre Ziele werben: die Einführung des
       islamischen Schariarechts in ganz Nigeria und das Verbot westlicher
       Bildung. Am frühen Sonntagmorgen stürmten mehrere hundert
       Boko-Haram-Mitglieder eine Moschee und die Polizeistation im Stadtteil
       Dutsen Tanshi in Bauchi. Die verjagten Polizisten holten Verstärkung,
       einschließlich Militäreinheiten, und es folgte eine Schlacht mit über 50
       Toten. Am Sonntagabend verhängte Bauchis Provinzgouverneur Isa Yuguda eine
       nächtliche Ausgangssperre und sagte, man habe Hunderte Islamisten
       festgenommen. Im Krankenhaus von Bauchi war von 42 angelieferten Leichen
       die Rede.
       
       In Potiskum im Bundesstaat Yobe ging in der Nacht zu gestern eine
       Polizeistation in Flammen auf, ebenso in Maiduguri, Hauptstadt des
       Bundesstaates Borno. Dort waren bereits am Wochenende neun mutmaßliche
       Selbstmordattentäter der Gruppe Yussufiya festgenommen worden, die
       angeblich eine Reihe von Moscheen in die Luft sprengen wollten. Drei
       Stunden später starben zwei weitere beim Präparieren ihrer Bombe zu Hause
       aus Versehen. Ihr Führer Malam Mohammed Yusuf hatte zuvor gedroht, sich für
       die Tötung von 14 seiner Aktivisten durch die Polizei im Juni rächen zu
       wollen.
       
       In Nigeria werden radikale Islamisten stärker, seit das Land 1999 zur
       Demokratie fand. Sie erzwangen bereits im Jahr 2000 die Einführung des
       Schariarechts in der Nordhälfte des Landes. Tausende von Menschen sind in
       den letzten zehn Jahren bei religiösen Pogromen ums Leben gekommen, sowohl
       Christen als auch Muslime. Erst im November gab es über 700 Tote in der
       Stadt Jos südlich von Bauchi. Dort zog gestern in Erwartung neuer Unruhen
       ein massives Sicherheitsaufgebot auf die Straßen. In Bauchi gab es zuletzt
       im Februar Zusammenstöße zwischen Christen und Muslimen mit mindestens elf
       Toten.
       
       Die Krise kommt für Nigeria zu einem kritischen Zeitpunkt. In den
       Ölgebieten im Süden des Landes lehnt die Rebellenbewegung Mend (Bewegung
       für die Emanzipation des Nigerdeltas), die große Teile der Ölförderung
       lahmgelegt hat, weiterhin die Einzelheiten eines Amnestieplans der
       Regierung ab. Die Provinzgouverneure der Region drohen, die Mend darin zu
       unterstützen, um einen neuen Ölgesetzentwurf zu kippen.
       
       Mend hatte am 13. Juli pünktlich zur Freilassung ihres inhaftierten Führers
       Henry Okah im Rahmen des Amnestieangebots erstmals eine Hafenanlage in
       Nigerias größter Stadt Lagos zerstört und damit gezeigt, wie wenig sie von
       der Regierung hält. Dass ausgerechnet an diesem Wochenende der Sohn des
       früheren Militärdiktators Sani Abacha, Mohammed Abacha, in der größten
       nordnigerianischen Stadt Kano seinen Einzug in die Politik angekündigt hat,
       beruhigt in diesem Zusammenhang nicht.
       
       28 Jul 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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