# taz.de -- Kommentar Bundestag: Richter ersetzen Politiker
> Dass Karlsruhe einspringen muss, wenn es im politischen Betrieb hakt, ist
> kein Zeichen fürs Funktionieren des Systems, sondern für seine Krise.
(IMG) Bild: Hatte mit der Klage gegen seine Überwachung bereits Erfolg: Bodo Ramelow.
Die Karlsruher Richter, so mag es scheinen, biegen alles wieder hin, was
das Parlament vernachlässigt oder die Regierung unter den Tisch kehrt. So
war es bei der Frage, wie viel Einfluss der Bundestag in einer EU haben
darf, die den Vorgaben des Lissabon-Vertrags folgt. Auch als die
Bundesregierung dem BND-Untersuchungsausschuss Informationen vorenthielt,
sorgte das Gericht für Abhilfe. Und nun entschieden die Richter, die
Regierung dürfe Fragen der Bundestagsabgeordneten nicht pauschal mit dem
Hinweis abfertigen, die Antworten darauf seien zu geheim für die
Volksvertretung.
Alles in Ordnung also? Keineswegs: Dass Karlsruhe einspringen muss, wenn es
im politischen Betrieb hakt, ist kein Zeichen fürs Funktionieren des
Systems, sondern für seine Krise.
Seit Jahren nehmen Abgeordnete und Öffentlichkeit resigniert die
Entmachtung des Parlaments hin. Die meisten Entscheidungen fallen heute in
Bundesministerien und in Brüssel, nicht im Bundestag. In vielen Fällen ist
dies sogar rechtens und notwendig. Dennoch: Unter der sogenannten großen
Koalition hat die Apathie unter den Parlamentariern ungeahnte Ausmaße
angenommen.
Mitglieder der Regierungsfraktionen ergehen sich im Gefühl, im Zweifel
ohnehin nur Stimmvieh für die Entscheidungen ihrer Parteioberen zu sein.
Oppositionspolitiker hingegen müssen die doppelte Kränkung erdulden, nur
protestieren zu können - und selbst damit kaum Gehör zu finden. Die
Anrufung Karlsruhes erscheint da vielen als willkommener Hebel. Doch eine
höchstrichterliche Entscheidung aus Karlsruhe sollte die Ausnahme bleiben
und nicht zum Regelfall werden. Der Bundestag muss wieder selbstbewusster,
lauter werden. Mit einer Neuauflage der großen Koalition geht das nicht.
30 Jul 2009
## AUTOREN
(DIR) Matthias Lohre
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