# taz.de -- Almodóvars "Zerrissene Umarmungen": Auspacken von Erinnerungen
       
       > Von einem Regisseur, dem alles misslingt, wenn er komisch sein will,
       > erzählt Pedro Almodóvar in seinem jüngsten Melodram "Zerrissene
       > Umarmungen".
       
 (IMG) Bild: In ihrem Blick mischen sich Hoffnung, Bedrückung und Trauer: Almodóvars Muse Penélope Cruz.
       
       Die Erinnerung ist eine merkwürdige und kreative Kraft, die beständig gegen
       die Ordnung der Geschichtsbücher rebelliert. Einige haben deshalb das Jahr
       1989 weniger als das Jahr des Mauerfalls im Gedächtnis, sondern vor allem
       als das Jahr, in dem Pedro Almodóvars "Frauen am Rande des
       Nervenzusammenbruchs" ins deutsche Kino kam.
       
       Zuvor war lediglich "Gesetz der Begierde" 1987 auf der Berlinale zu sehen
       gewesen, der Film erhielt dort den ersten Teddy, einen schwul-lesbischen
       Filmpreis, und einen kleinen Filmstart im Sommer darauf. "Frauen am Rande
       des Nervenzusammenbruchs", gestartet im Februar 1989, aber wurde zum
       Ereignis, sein Titel zum geflügelten Wort.
       
       Die zeitgenössische Kritik wusste nicht so ganz, wie man diesen Film
       einordnen sollte: Das war kein kritischer Realismus, wie ihn die Briten
       damals machten, hatte nicht die Coolness der Filme von Jim Jarmusch, war
       weder so intellektuell wie die Franzosen noch so düster-poetisch wie das
       damals noch populäre osteuropäische Kino.
       
       "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" war grell, schräg, komisch und
       ganz offenbar nicht jedermanns Geschmack - aber auf geheimnisvolle Weise
       auch unwiderstehlich, einer der wenigen Filme, auf die man sich keinen Reim
       machen konnte und die doch alle gut fanden.
       
       Zwanzig Jahre und zehn Filme später hat Almodóvar wieder einen Film
       gemacht, bei dem sich die Kritiker mit der Einordnung schwertun. Nur dass
       dieses Mal diese Zwiespältigkeit nicht für, sondern gegen den Film
       ausgelegt wird. Das hat eine gewisse Ironie, spielt Almodóvar doch in
       "Zerrissene Umarmungen" die Fantasie durch, als Regisseur gescheitert zu
       sein - und zwar mit einer Komödie, die in vielen gezeigten Details an
       "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" erinnern soll.
       
       Sein Alter Ego im Film heißt Mateo Blanco (Lluís Homar) und ist ein
       aufsteigender Regisseur, der sich nun im komischen Fach probieren will.
       "Mädchen und Koffer" lautet der Titel des Films im Film, und da schwingt
       schon der Koffer mit, den Carmen Maura zu Beginn der "Frauen am Rande des
       Nervenzusammenbruchs" für ihren Liebhaber Ivan packen soll. In weiteren
       Szenen ist ein halb verbranntes Bett zu sehen, werden Tomaten und Knoblauch
       für ein Gazpacho geschnitten - alles Dinge, die an das alte Kinovergnügen
       erinnern, manchmal mit verwirrender Intensität.
       
       Die Irritation wird noch verstärkt dadurch, dass "Zerrissene Umarmungen"
       sozusagen die "Outtakes" der geplanten Komödie "Mädchen und Koffer" zeigt,
       jene Aufnahmen also, in denen ein Tonfall nicht richtig kommt oder das
       Timing nicht funktioniert - Elemente, die den Unterschied ausmachen vom
       Schrecklichen zum schrecklich Komischen. Und da der Schnitt Mateo Blanco
       aus der Hand genommen wird und ein bösartiger Geist den Film montiert, wird
       "Mädchen und Koffer" ganz anders als "Frauen am Rande des
       Nervenzusammenbruchs" zum Flop.
       
       In langen Rückblenden erzählt "Zerrissene Umarmungen" von diesen
       Ereignissen, an deren Ende schließlich ein tragischer Unfall steht, der
       Mateos Erblindung zur Folge hat. Die Eröffnungssequenz zeigt Mateo zunächst
       als blinden Drehbuchautor, der sich Harry Caine nennt, gut mit seinen
       Handicap umgehen kann und liebevoll umsorgt wird von seiner ehemaligen
       Produzentin Judit (Blanca Portillo) und deren Sohn Diego (Tamar Novas). Die
       Nachricht vom Tod eines einflussreichen Mannes setzt eine Kette von
       Handlungen in Gang, in deren Verlauf dieser Harry Caine dem 20-jährigen
       Diego von den tragischen Ereignissen rund um die Komödie "Mädchen und
       Koffer" erzählt, die nun 15 Jahre zurückliegen.
       
       Man kann sich stören an dieser komplizierten Struktur, die Komödie und
       Melodrama ineinander verschachtelt, mit Elementen des Film noir garniert
       und mit weiteren Anspielungen auf die Großen der Filmgeschichte und das
       eigene Werk ergänzt. Für alle, die Lust an der Entschlüsselung haben, aber
       bietet sich reichlich Material, in all den Dopplungen und Wiederholungen
       eine verständnissinnige Abhandlung darüber zu erkennen, wie man
       "weiterlebt" - nach einem Erfolg, nach einem Verlust, nach einer
       Niederlage.
       
       Ähnlich wie "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" damals eine Komödie
       war, die nicht alle zum Lachen fanden, sind die "Zerrissenen Umarmungen"
       heute ein Melodrama, das nicht alle rührt. Aber dieses Nicht-Erfüllen von
       Erwartungen ist immer noch typisch für Almodóvar, dessen Größe im Aushalten
       von Ambivalenzen besteht.
       
       Der reiche Mann, der seine Geliebte obsessiv verfolgt und sein Geld und
       seinen Einfluss benutzt, um seinen Rivalen auszustechen, er ist hier immer
       auch ein großer Liebender. Und wenn seine Geliebte Lena, der die großartig
       spielende Penélope Cruz eine ergreifende unterschwellige Traurigkeit
       verleiht, in einer Szene glaubt, dass er tot ist und all ihre Probleme
       damit gelöst wären, dann zeigt Almodóvar sie uns, wie sie am Bettrand
       sitzt, sich eine Zigarette anzündet und auf ihrem Gesicht Hoffnung und
       Bedrückung, Erleichterung, Trauer und schlechtes Gewissen sich ablösen und
       mischen.
       
       Wozu die Rahmenhandlung, die 15 Jahre später spielt, mögen sich manche
       fragen. Doch wie das so ist mit dem Erinnern: Es ordnet die Dinge. Zwar
       werden die Konflikte nicht wirklich aufgelöst, doch allein das "Auspacken"
       dessen, was einst wegen der Heftigkeit der Gefühle unter Verschluss
       gehalten werden musste, entfaltet eine versöhnende Wirkung. Das ist nun
       zwar nicht mehr schräg und grell, kann aber immer noch unwiderstehlich
       sein.
       
       "Zerrissene Umarmungen". Regie: Pedro Almódovar. Mit Lluís Homar, Penélope
       Cruz u.a.; Spanien 2009, 127 Min.
       
       5 Aug 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Schweizerhof
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Spielfilm
       
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