# taz.de -- Rechtsextremismus in Ostdeutschland: Der Klempner als Neonazi
       
       > In Ostdeutschland siedeln sich Neonazis gezielt in Kleinstädten an und
       > geben sich als Biedermänner. Die Strategie ist erfolgreich, wie das
       > thüringische Pößneck beweist.
       
 (IMG) Bild: Die NPD verankert sich gezielt in den kommunalen Strukturen.
       
       Bis zu 2.500 Neonazis aus ganz Europa werden am Sonnabend in der
       thüringische Kleinstadt Pößneck einfallen. Szenegrößen aus Schweden,
       Tschechien und Bulgarien werden rechte Parolen verbreiten und Nazi-Bands
       für musikalische Untermalung sorgen. Nach Jena und Altenburg findet das von
       der NPD organisierte "Fest der Völker" (FdV) jetzt in Pößneck statt.
       
       Gerade einmal 13.000 Einwohner hat das Städtchen. Dass ausgerechnet Pößneck
       am Samstag zum Mittelpunkt der europäischen Rechtsrextremismusszene wird,
       liegt am strategisch gewieften Hamburger Nazianwalt Jürgen Rieger. Der
       hatte vor sechs Jahren das örtliche Schützenhaus gekauft, er wollte es zum
       Schulungs- und Veranstaltungszentrum machen.
       
       "Das schönste Haus der Stadt. Es liegt im Ortskern, hat eine Kegelbahn und
       einen großen Festsaal", sagt Timo Reinfrank von der antirassistischen
       Amadeu-Antonio-Stiftung. Die Lokalpolitik habe damals die Augen
       verschlossen. Erst nach dem NPD-Parteitag, einem Nazikonzert und
       überregionalen Medienberichten regte sich im Jahr 2005 Widerstand. Den
       Rechtsstreit um das Schützenhaus gewann Rieger 2008, er darf über die
       Immobilie verfügen, wenn auch mit eingeschränktem Nutzungsrecht.
       
       "Von Pößneck aus wollen die Nazis den ländlichen Raum erobern", sagt
       Philipp Gliesing vom Aktionsbündnis Courage in Pößneck. Andre Kapke,
       Organisator des FdV, wohnt seit einigen Monaten im Schützenhaus. "Die NPD
       hat ihren Wahlkampf in Thüringen von hier aus organisiert", erklärt
       Gliesing.
       
       Besonders in ostdeutschen Kleinstädten sind Neonazis heute oft aktiv.
       Anfang der 90er Jahre konzentrierte sich die NPD auf die Sächsische
       Schweiz, einen Landstrich südöstlich von Dresden. Sie machte massiv
       Wahlkampf und verankerte sich in den kommunalen Strukturen. Die lokalen
       NPD-Größen stammen meist von dort. Wie Michael Jacobi, Klempnermeister in
       Reinhardtsdorf-Schöna und NPD-Kreistagsabgeordneter.
       
       Knapp 20 Prozent erhielt die NPD dort bei der Landtagswahl Ende August.
       "Jacobi genießt ein hohes Ansehen, alle kennen und mögen ihn", sagt
       Sebastian Reißig von "Aktion Zivilcourage" in Pirna. In Königsstein
       bestimmte der vor drei Jahren tödlich verunglückte sächsische
       NPD-Landtagsabgeordnete Uwe Leichsenring lange die örtliche Naziszene. Er
       war Fahrlehrer in der Kleinstadt, hatte so Einfluss auf politisch noch
       unvoreingenommenen Jugendliche.
       
       Auch in Mecklenburg-Vorpommern setzte sich die NPD auf dem Land fest. "Die
       Nazis haben hier eine Siedlungsstrategie verfolgt", sagt Karl-Georg Ohse
       vom Regionalzentrum für demokratische Kultur in Schwerin. Nach
       Westmecklenburg seien über 20 Nazigrößen aus Westdeutschland gezogen,
       darunter Udo Pastörs und Thomas Wulff samt Familien. Besonders der
       Landkreis Ludwigslust mit der Kleinstadt Lübtheen sei betroffen. "Sie
       schicken ihre Frauen und Kinder vor, fassen Fuß in Schulen und Vereinen und
       treten zunächst unpolitisch auf", sagt Ohse. Dadurch werde es für
       Antirassismus-Initiativen schwer, "die Nazis zu dämonisieren."
       
       Die Raumgreifungsstrategie der Rechtsextremen scheint Früchte zu tragen.
       "Derzeit setzt überall dort, wo sich die Nazis bereits kommunal verankert
       haben, eine Normalisierung ein", sagt Timo Reinfrank von der
       Amadeu-Antonio-Stiftung. Die NPD werde oft als ganz normale Partei
       angesehen, sie sei fest in den Alltag integriert.
       
       Mit mehr als 660 Mandaten sitzen rechtsextreme Parteien bundesweit in
       Kommunalparlamenten. Ihr Erfolg sei auch den demokratischen Parteien
       anzukreiden, so Reinfrank. "Gerade in der sächsischen Schweiz wurden einige
       Gegenden den Nazis überlassen." Es häuften sich Berichte über direkte oder
       indirekte Absprachen besonders zwischen CDU und NPD auf kommunaler Ebene.
       "Manchem Unionspolitiker scheint sein Bürgermeisterposten wichtiger zu sein
       als demokratische Überzeugungen."
       
       11 Sep 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Paul Wrusch
       
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