# taz.de -- "Panel"-Herausgeber Bert Dahlmann: "Comic muss nicht komisch sein"
       
       > Text oder Bild? Bert Dahlmann zeichnet nicht. Aber mit Comics hat der
       > Bremer lesen gelernt. Mit dem europaweit gefeierten Independent-Magazin
       > "Panel" kämpft er seit guten 20 Jahren für die Anerkennung der neunten
       > Kunst.
       
 (IMG) Bild: Der Teufel mit Kaktus ist Teil von "Was bisher geschah..", dem bislang einzigen Comic des Münchener Star-Grafikers Christian Moser.
       
       taz: Herr Dahlmann, jetzt mache ich das Band mal an, okay? 
       
       Bert Dahlmann: Natürlich!
       
       Dass Comics nicht mehr so verpönt sind, wie vor 20 Jahren… 
       
       …würde ich so nicht sagen.
       
       Ach?! 
       
       Nein. Die Ansicht: Comics taugen nichts, außer Asterix, ist noch sehr
       verbreitet - obwohl längst das Umgekehrte gilt.
       
       …das ist echt nicht passé? 
       
       Das ist auch eine Generationsfrage. Aber die Widerstände halten sich: Als
       wir unseren Kunstverein angemeldet haben, hat es anderthalb Jahre gedauert,
       bis wir als gemeinnützig anerkannt wurden. Weil: Wir machen ja Comics. Bei
       jeder Randsportart ist das in ein paar Wochen erledigt.
       
       Wenigstens gilt Comic nicht mehr als reines Kindermedium. Ist das für Panel
       günstig? 
       
       Durchaus: Seit etwa zehn Jahren machen wir eigentlich - das klingt ziemlich
       bescheuert - Comix für Erwachsene, also im Sinne von: Kinder können damit
       nicht allzu viel anfangen, nicht: irgendwelcher Schweinkram. Wobei immer
       ein paar Sachen im Heft sind, die sich gut für Kinder eignen. Nur
       bestreiten wir damit keine ganze Ausgabe.
       
       Aber Alben: "Der Mondgucker" von Ulf K. lässt sich doch prima als
       Kinderbuch lesen? 
       
       "Heinz und Pifie" von Rautie sogar noch besser.
       
       Heinz und Pifie? 
       
       Die Geschichte ist skurril: Da ist ein Legastheniker, der sucht einen
       Mitbewohner. Es meldet sich ein elend langer Wurm, beide verstehen sich auf
       Anhieb und wollen zusammen essen. Was? Pinguin-Ragout natürlich! Wo gibts
       Pinguine? Nur noch auf dem Mond. Also machen sie sich mit dem Sandmann auf
       den Weg dorthin. Und das ist erst der Anfang der Geschichte…
       
       Sie haben nie selbst gezeichnet. 
       
       Nie stimmt nicht ganz: Als Kind habe ich häufig gestrichelt. Aber das
       klassische Bedürfnis, Lehrer zu karikieren, hatte ich nicht…
       
       … nur das, ein Comic-Magazin zu gründen: Wie kommts? 
       
       Ich habe mit Comics lesen gelernt. Erst wurden mir immer Bücher in die Hand
       gedrückt. Die fand ich völlig reizlos. Meine Großmutter fing dann an, mir
       jede Woche ein Comic-Heft zu schenken, "Fix & Foxi" und so. Die habe ich
       mir natürlich angeguckt, das meiste habe ich auch verstanden. Aber eben
       nicht, was in den Sprechblasen stand. Dadurch kam der Wille, zu lesen.
       
       Von "Fix & Foxi" zum Independent-Comic-Verlag? 
       
       Ein wenig Zeit ist da schon vergangen.
       
       Ja? 
       
       Ein paar Freunde haben mir gezeigt: Es gibt noch mehr als Micky Maus. Gute
       Unterhaltung ist möglich, das kann sozialkritisch sein, Comics können eine
       literarische Ebene enthalten. Das waren Augenöffner …
       
       Konkret? 
       
       André Franquin,…
       
       …die "Idées Noires"? 
       
       Natürlich, die "Schwarzen Gedanken" sind gesellschaftspolitisch, sehr böse,
       sehr bissig - genial! Was Unterhaltung angeht, war es aber "Das Nest im
       Urwald": Da dachte ich, aha, du kannst so eine Sielmann/Grzimek-Reportage
       im Comic umsetzen - und dabei gleichzeitig auf die Schippe nehmen.
       Außerdem: Das Marsupilami ist einfach cool. Ganz wichtig war dann Coseys
       "Auf der Suche nach Peter Pan": Damit habe ich entdeckt, dass Comics auch
       poetisch, fantasievoll und anrührend sein können. Das war für mich
       entscheidend.
       
       Dadurch kam es zu Panel? 
       
       Im Laufe der Zeit wollte sich eine Gruppe von etwa 15 Leuten dem Thema
       widmen. Daraus entstand die Idee für ein Magazin.
       
       Einfach so? 
       
       Der Auslöser für mich war, als ich 1988 erstmals beim Comic-Salon in
       Erlangen war. Die großen Verlage erzählten da: Deutsche Zeichner gibts ja
       nicht, sie würden diese ja drucken, es müsste bloß ein Forum geben und was
       nicht alles. Und ich dachte: Klasse, die suchen uns. Wir müssen bloß
       anfangen, in zwei Jahren ist das Heft etabliert, die übernehmen unsere
       Zeichner, und wir können uns zurückziehen.
       
       20 Jahre und 27 Ausgaben später: War denn das inhaltliche Konzept
       erfolgreicher? 
       
       Moment mal: Es gibt nicht ein Heft, wo wir nicht auch neue Leute
       vorgestellt hätten. Und etliche von unseren Zeichnern haben den Durchbruch
       geschafft. Die Liste ist mittlerweile ziemlich lang und einige sind nicht
       nur national sehr erfolgreich: Elke Steiner, Christian Moser, Markus
       Grolik, Nic Klein, Kat Menschik …- selbst die mehrere Dutzend Namen auf
       unserem letztjährigen Flyer sind ja nur ein kleiner Auszug. Wir konnten sie
       nur fördern, doch immerhin haben wir sie entdeckt. Das war, wofür wir
       angefangen haben - und was leider nicht mehr ganz so einfach geht.
       
       Warum das denn? 
       
       Von uns aus: Uns tut das weh.
       
       Es gibt keine Talente mehr? 
       
       Doch. Aber man wird ungerechter: Vieles von dem, was wir heute ablehnen,
       hätten wir vor zehn Jahren genommen. Auch deshalb haben wir die Strips nach
       acht Jahren Pause wieder eingeführt und auf unserer Website die
       "Entenstraße" erfunden. Ein virtueller Comic. Der ist offen für neue
       Talente, da lässt sich etwas ausprobieren.
       
       Verfolgt Panel eine Linie? 
       
       Vor allem wollten wir es uns nicht leicht machen.
       
       Das heißt? 
       
       Am besten verkauften sich früher die underground-punkigen Ausgaben. Eine,
       die komplett so aussah, verkaufte sich wie Hölle. Hätten wir so weiter
       gemacht, wären wir wohl bei ganz anderen Auflagen. Wir haben uns das Heft
       angeschaut und gesagt: Klasse Ausgabe, würden wir jederzeit wieder machen -
       aber: nicht jederzeit immer wieder.
       
       Ein bewusster Verzicht auf größere Auflagen? 
       
       Nein, wir haben oft genug zusammen gesessen und uns gefragt: Wie werden wir
       populärer?
       
       Und nie: Hören wir jetzt auf? 
       
       Von wegen! Wir waren sogar mal ganz kurz davor: Wir hatten einen Riesenberg
       Schulden - und keine Ahnung, wie den loswerden: Wir wollten ja Comix
       machen, nicht Buchhaltung. Aber wir haben uns gesagt: Kaum ein deutsches
       Indie-Comic-Magazin hat so lange durchgehalten und keins ist dabei so weit
       gekommen - das dürfen wir nicht einfach aufgeben. Wir müssen es noch einmal
       versuchen. Dann aber nur mit Sachen, die wir mögen und die uns wirklich
       interessieren.
       
       Und? 
       
       Sofort stiegen die Verkaufszahlen: Die Leser haben kapiert, dass wir mehr
       dahinter stehen. Nicht dass wir vorher zu glatt gewesen wären. Aber es gab
       die Tendenz, das Populärere zu nehmen, und nicht das Schrägere. Seither ist
       es eher umgedreht - nach dem Motto: Kunst darf auch unterhalten. Aber Comic
       muss nicht komisch sein.
       
       Muss er denn gut gezeichnet sein oder toll getextet? 
       
       Ob der Text wichtiger ist, oder die Bilder - bei der Frage kannst du dich
       nur erschießen: Die Graphik muss zur Story passen. Und: Was du erzählst,
       sollte einen Sinn ergeben. Sonst ist in Panel fast alles möglich.
       
       Außer Farbe? 
       
       Anfangs hieß es, entweder, wir drucken nur ein Cover in Farbe - oder ein
       ganzes Heft, aber schwarz-weiß. Das war schnell zu entscheiden. Aber daraus
       ist eine Tugend geworden, weil du in Schwarz-Weiß zeigen musst, dass du
       etwas kannst. Wobei Panel-Prinzip ist: mehr Schwarz, als Weiß.
       
       Wieso? 
       
       Weiß, das sind Leerflächen, die gefüllt werden müssen. Schwarz ersetzt bei
       Schwarz-Weiß alle Farben, Dabei ist es relativ schnurz, ob du nun
       strichelst, mit Graustufen oder Rastern arbeitest - alles ist möglich. Es
       gab sogar mal eine Phase, da haben alle gepunktet - ich weiß auch nicht,
       was die dabei für ein Kraut geraucht haben: Das war ja alles Handarbeit.
       
       Die redaktionelle Arbeit ist heute aber leichter? 
       
       Eher im Gegenteil. Einmal ist die Redaktion ziemlich ausgedünnt: Bei den
       letzten Nummern lag die bei ein bis zwei Leuten. Und wir sehen natürlich
       mehr als früher - du fängst an, im Pixelbereich Sachen zu ändern…
       
       Das sieht doch keiner! 
       
       Selbst wenn sie es nicht sehen: Die Leute merken, wenn da etwas nicht
       stimmt. Die Alternative wäre, das den Künstlern zum Überarbeiten zurück zu
       schicken. Aber dann würden wir wohl nur alle 20 Jahre einmal erscheinen.
       
       Einmal im Jahr ist schon selten genug. 
       
       Eigentlich sollte das Heft dreimal jährlich erscheinen, aber dafür fehlt es
       an allem - außer Ideen: Davon hätten wir genug. Zum Fünfjährigen hatten wir
       eine Ausstellung in der Kulturkneipe Lagerhaus mit 14 Tage Live-Programm…
       
       …und diesmal: Nichts - bis auf die kryptische 20 im News-Thread? 
       
       Nein, tschuldigung, eine Ausstellung wird es geben. Wir gehen das gezielt
       an für kommendes Jahr.
       
       Wo? 
       
       Wissen wir noch nicht! Allerdings macht es keinen Sinn monatelang ne
       Ausstellung vorzubereiten und dann kommen nur 100 Leute zur Vernissage, zum
       Sekt trinken. Wir wollen auch Leute erreichen, die sich nicht mit dem Thema
       beschäftigt haben. Die sind oft positiv überrascht: Ach, das geht auch!
       Dieser Augenöffner-Effekt, um den gehts.
       
       20 Sep 2009
       
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 (DIR) Benno Schirrmeister
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