# taz.de -- Kommentar Cap-Anamur-Urteil: Justiziable Flüchtlingspolitik
       
       > Abstruse Konstruktion, peinlich dünne Beweislage: Den Prozess um die
       > Cap-Anamur-Helfer hätte es nie geben dürfen.
       
 (IMG) Bild: Elias Bierdel, Vorsitzender der Hilfsorganisation Komitee Cap Anamur.
       
       ROM taz |Freispruch für Elias Bierdel und Stefan Schmidt: So endet ein
       Prozess, der niemals hätte beginnen dürfen. Völlig abstrus war die
       Konstruktion der Anklage, die aus humanitären Helfern gewerbsmäßige
       Schlepper machte, um sie überhaupt verfolgen zu können, und peinlich dünn
       war die "Beweislage". Die meisten der Zeugen aus den italienischen Behörden
       mochten sich vor Gericht nicht erinnern - und wenn sie sich doch einmal
       erinnerten, bestätigten sie fast immer die Version Bierdels und Schmidts.
       
       Nur aus einem Grund fand der Prozess trotzdem statt: Er war ein politischer
       Prozess. Er sollte zur Demonstration dienen, dass die ganze Wucht
       staatlicher Repression all diejenigen trifft, die es wagen, gegen Italiens
       - und Europas - Flüchtlingsabwehrpolitik nicht bloß zu protestieren,
       sondern sie womöglich gar mit praktischen Aktionen zu konterkarieren.
       
       Dieses politisch gewollte Spektakel fand jetzt ein Ende vor dem Gericht in
       Agrigent, das den Vorfall wieder auf die Gleise des Rechts zurückführte.
       Schmidt und Bierdel haben Menschen aus Lebensgefahr gerettet, nicht mehr
       und nicht weniger. Das hat endlich auch Italiens Justiz eingesehen.
       
       Oder war sie bloß der Auffassung, dass eine Verurteilung gar nicht mehr
       nötig sei? Bierdel und Schmidt sind allein durch die Dauer des Verfahrens
       schon nach Kräften bestraft, ihr Ruf wurde in einer auch in Deutschland
       heftig geführten öffentlichen Debatte über die angebliche Inszenierung der
       Rettungsaktion nach Kräften ruiniert, die Organisation Cap Anamur wurde mit
       der Beschlagnahmung des Schiffs und der Zahlung einer Millionenkaution
       schwer geschädigt, die Flüchtlinge, die damals an Land kamen, wurden unter
       Umgehung rechtsstaatlicher Prinzipien umgehend nach Afrika
       zurückverfrachtet, ohne je einen Rechtsanwalt gesehen zu haben.
       
       Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Ein Erfolg für die Flüchtlinge,
       ein Erfolg auch für die Hilfsorganisationen wäre der Richterspruch bloß,
       wenn er sich nicht bei der Würdigung des Einzelfalls aufhielte, sondern
       wenn er an elementare Normen des internationalen See- und des
       Menschenrechts erinnerte: an die absolute Pflicht, Schiffbrüchige zu
       retten, oder an das bindende Gebot für die Staaten, Flüchtlingen Aufnahme
       zu gewähren. Der Umgang der italienischen Regierung mit den Rechten der
       Flüchtlinge - er wäre in der Tat ein Fall für die Justiz.
       
       7 Oct 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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