# taz.de -- Porno-Serie auf taz.de (II): "No girls – only women"
       
       > Industrie-Pornos drücken nicht die Lebensrealitäten von Frauen aus.
       > Gerade deswegen ist die Antwort auf solche Pornos nicht "keine Pornos"
       > sondern – feministische Pornos!
       
 (IMG) Bild: Ausschnitt aus einem Flyer für ein Queer-Feministisches Festival in Ljubljana im März 2009...
       
       Wenn man Alice Schwarzers "PorNO" liest, wird eines ganz deutlich: Pornos
       drücken nicht die Lebensrealitäten von Frauen aus – sie sind vor allem
       Abbild patriarchaler Dominanz. Sie werden von Männern produziert und
       stellen männliche Sexualität in den Mittelpunkt.
       
       Aber gerade deshalb und frei nach Annie Sprinkle ist die Antwort auf
       schlechte Pornos nicht "keine Pornos" sondern – feministische Pornos!
       Nichts anderes spricht so für die Demokratisierung der Sexualität. Das Netz
       spielt hierfür eine entscheidende Rolle.
       
       Denn: Wenn Nutzer nach ihren Vorstellungen Pornos produzieren und
       veröffentlichen können, bricht das notwendigerweise mit vielen Konventionen
       von heterozentrierten Mainstreamproduktionen, die seit den 1970er Jahren
       nicht weit von den Regeln abweichen, die Stephen Ziplow 1977 in seinem
       “Film Maker's Guide to Pornography” beschrieben hat.
       
       "Film Makers Guide" wirkt nach 
       
       Die bei Ziplow aufgelistete Abfolge aller sexuellen Nummern, beginnend mit
       Oralsex und endend mit einer Gruppensexszene, wird auch heute noch in der
       grossen Mehrheit aller High-Budget-Produktionen angewandt und führt so ein
       konservatives ästhetisches Konstrukt fort, das sich in seiner Rigidität
       längst überlebt hat.
       
       Als Konsequenz der zweiten und dritten Feminismus-Welle drängen jetzt neue
       Rezipient_innengruppen auf den Markt, die die Ware Porno für sich erobern
       und sich weigern, den Männern – sei es als Produzenten oder Konsumenten –
       weiterhin das Feld zu überlassen. Wenn Pornos ein sexualisierter Kommentar
       auf unsere Lebenswirklichkeit sind, so ihr Credo, dann muss es auch
       Ausdrucksraum für Daseinsformen abseits der genormt scheinenden
       Mainstream-Ästhetik geben.
       
       Jenseits der Hetero-Lesbenpornos 
       
       Queerfeministische Porno-Filme casten Darsteller_innen, die nicht mehr in
       Schubladen passen und die Dinge vor der Kamera tun, die nichts mehr mit der
       "zwei blonde, gelangweilte Frauen küssen sich ein bisschen und fummeln
       aneinander mit langen Fingernägeln rum" Routine von Heteropornos zu tun
       haben.
       
       Anders als bei den üblichen "Mainstream-Vorspulfilmen" ist die Länge der
       Nummern so gewählt, dass es möglich wird, den gesamten Film durchzuschauen;
       sicherlich ein Hinweis auf das unterschiedliche Rezeptionsverhalten des
       Publikums.
       
       Demokratisierung von Pornografie heisst nicht nur Demokratisierung von
       Blicken und Sehgewohnheiten, sondern auch Demokratisierung der
       Darstellungen und Sexualakte.
       
       Das Netz: Jenseits des Studio-Mainstreams 
       
       Hier kommt das Netz ins Spiel: Eine neue Generation organisiert sich dort,
       abseits des etablierten Studiosystems, bereits jetzt. Im Netz werden
       konsequent neue Wege der Produktion und der Vermarktung beschritten. Nicht
       das Videoportal Youporn ist Ausdruck der neuen Möglichkeiten des Porno 2.0
       – vielmehr vernetzen sich die Akteure via Facebook, Twitter und Co.
       
       So hilft das Netz schlicht und einfach bei einer weltweiten Vernetzung der
       Zielgruppe – Leute können sich als Teil einer sexuellen Gemeinschaft
       erleben und durch ihre Sehgewohnheiten oder aktiver Partizipation
       mitbestimmen, was sie sehen wollen. Diese aus der reinen rezeptiven Haltung
       herausgelöste "Mitmachkultur" bedient sich entschieden der
       Community-Aspekte des Web 2.0: Selbermachen anstatt nur zuzuschauen.
       
       Großes Plus für queerfeministische Produktionen 
       
       Die Not, sich abseits der studiodominierten Pornoindustrie etablieren und
       einen eigenen Markt erschliessen zu müssen, erweist sich als grosses Plus
       für queerfeministische Produktionen. Auf Facebook oder Twitter werden
       Darsteller_innen für neue Filme gesucht und gefunden und die fertigen
       Produkte beworben.
       
       Die daraus resultierende Vielfalt der Darstellungen und die Vermarktung
       durch die eigene Community verhelfen Regisseur_innen wie Shine Louise
       Houston ([1][@ShineLouise]) oder Courtney Trouble ([2][@nofauxxx]) zu mehr
       Sichtbarkeit auch in den Mainstreambereich hinein. Zudem wird das wachsende
       Mainstream Genre Gonzo, das mit fiktiven Anlehnungen an authentische
       Sexualakte spielt – allerdings immer noch einer konservativen Ästhetik
       unterworfen – vorgeführt und ins Queere transferiert.
       
       "I don't put girls in porn - only women" 
       
       Denn gerade die amerikanische Pornoindustrie hat noch nicht verstanden, was
       um sie herum passiert – so gibt es zwar bei den “Porn-Oscars” genannten
       AVN-Awards eine Kategorie “Best All-Girl”, damit ist aber das breite
       Spektrum queerer Filme mitnichten abgedeckt, kommentiert Bren Ryder von
       GoodDykePorn.com auf Twitter: "I don't put girls in porn - only women".
       
       Dahinter verbirgt sich der Gedanke, auch in Europa Filme und Personen
       auszuzeichnen, die die männerdominierte Pornowelt revolutionieren und
       weibliche Sexualität in den Mittelpunkt stellen. In diesem Jahr werden vor
       allem amerikanische Filmemacher_innen und Künstler_innen ausgezeichnet; die
       europäische Queerporn-Szene ist (noch) recht übersichtlich. Dabei könnte
       der Do-It-Yourself Gedanke der amerikanischen Vorbilder durchaus auch in
       Europa Schule machen, vor allem durch den inhärenten Vernetzungscharakter:
       The Internet is for Porn. Es liegt an uns zu entscheiden, für welchen.
       
       Erstmals "Feminist Porn Awards" in Europa 
       
       Um die Sichtbarkeit queerfeministischen Pornos noch zu erhöhen, werden seit
       Jahren in Kanada die "Feminist Porn Awards" verliehen, die 2009 zum ersten
       Mal auch eine europäische Entsprechung haben: am 17.10. fand in Berlin die
       1. Feministische Pornofilm Preisverleihung statt.
       
       16 Oct 2009
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.twitter.com/ShineLouise
 (DIR) [2] http://www.twitter/nofauxxx
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tina Lorenz
       
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