# taz.de -- Nahost-Friedensgespräche: Meilen voneinander entfernt
       
       > Mitte Oktober wollte Obama Vorschläge für eine Wiederaufnahme des
       > Friedensprozesses sehen. Doch Israelis und Palästinenser beharren auf
       > Vorbedingungen – trotz des Drucks aus den USA.
       
 (IMG) Bild: Parade von Hamas-Kämpfern in den Straßen von Nuseirat im Gazastreifen.
       
       Die israelische Führung gibt sich optimistisch. Man sei einer
       Wiederaufnahme der Friedensgespräche "sehr nah", meint Dan Meridor,
       Minister für Nachrichtendienste. Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärt,
       die Meinungsverschiedenheiten mit den USA über den Siedlungsbau ausgeräumt
       zu haben. Keinen Schimmer, wovon die Israelis redeten, schien hingegen Saeb
       Erikat zu haben, der palästinensische Verhandlungschef. Palästinenser und
       Israelis seien noch "Meilen voneinander entfernt", sagte er diese Woche
       kurz vor seiner Abreise nach Washington.
       
       Bis Mitte Oktober sollten dem Weißen Haus konstruktive Vorschläge
       vorliegen, so US-Präsident Barack Obamas Aufforderung an seine Staatsgäste
       während des Dreiergipfels Ende September. Keine der beiden Seiten zeigt
       sich jedoch zu Abstrichen bei den Vorbedingungen für Verhandlungen bereit.
       Die Palästinenser fordern die sofortige und umfassende Einstellung des
       Siedlungsbaus im besetzten Gebiet inklusive Ostjerusalems. Die Israelis
       wollen, dass die Palästinenser Israel als jüdischen Staat anerkennen.
       
       Beide Forderungen sind in der Entschiedenheit, mit der sie seit einigen
       Monaten vorgetragen werden, relativ neue Hürden für den Frieden. Hätte der
       damalige PLO-Chef Jassir Arafat die Einstellung des Siedlungsbaus zur
       Vorbedingung gemacht, wäre die Osloer Prinzipienerklärung vermutlich nie
       unterzeichnet worden. Umgekehrt hätte Arafat wohl kaum der Definition
       "jüdischer Staat" zugestimmt. Beiden Parteien bewegen sich einerseits
       auseinander, andererseits aber auch aufeinander zu, wenn sie in
       Sicherheits- und Wirtschaftsfragen miteinander kooperieren.
       
       "Es gibt keinen Terror", hielt Meridor diese Woche fest, gleichzeitig
       "boomt die Wirtschaft in Judäa und Samaria (Westjordanland)." Netanjahu
       setzt sein Wahlversprechen um, einen "Wirtschaftsfrieden" mit den
       Palästinensern voranzutreiben. Er tut es, um politische Zugeständnisse,
       allen voran den Verzicht von Teilen des biblischen "Eretz Israel" zu
       vermeiden.
       
       Jüngsten Untersuchungen der Gruppe "Frieden jetzt" zufolge werden seit drei
       Wochen die Fundamente für neue Bauten in nicht weniger als zwölf Siedlungen
       vorgenommen. In den Reihen der Arbeitspartei wächst der Unmut über ihren
       Vorsitzenden Ehud Barak, der als Verteidigungsminister die Neubauten
       genehmigen muss. Diese Woche legte der Fraktionsvorsitzende Daniel Ben
       Simon sein Amt nieder und appellierte an seine Genossen, die Koalition,
       "die keinerlei politischen Prozess verfolgt", zu verlassen.
       
       Auch Salam Fajad, palästinensischer Premierminister, fragt sich, welche
       Vision der israelischen Regierung vorschwebt. "Was meint Netanjahu, wenn er
       von zwei Staaten spricht?" Fajad betrachtet den fortgesetzten Siedlungsbau
       als "eklatante Verletzung internationalen Rechts". Eine Fortsetzung der
       Gespräche und Business as usual wollen die Palästinenser nicht länger
       zulassen, da sonst "der Siedlungsbau nur weiter zunehmen würde", wie die
       Erfahrung lehrt.
       
       In ähnlichem Tonfall argumentiert umgekehrt der israelische Minister ohne
       Aufgabenbereich, Benni Begin. "Wenn wir Beith El (israelische Siedlung bei
       Ramallah) in Samaria aufgeben, verzichten wir auf unser grundsätzliches
       Recht auf dieses Land, inklusive Tel Aviv", warnt der rechtskonservative
       Politiker. Einen Frieden könne es erst nach einer palästinensischen
       Anerkennung des jüdischen Staates geben.
       
       Die festgefahrenen Positionen verhärteten sich zusätzlich durch die Debatte
       im UN-Menschenrechtsrat über den Goldstone-Bericht. Das Umdenken von
       Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der auf Druck der USA zunächst für
       eine Vertagung der Debatte plädiert hatte, sich dann aber anders entschied,
       ließ Politiker in Jerusalem Sturm laufen.
       
       Die Hamas hatte Abbas schon zuvor zum Verräter erklärt und sein Verhalten
       zum Vorwand genommen, die Unterzeichnung eines von Ägypten formulierten
       Kompromisses für die Versöhnung mit der Fatah zu verweigern. Laut einer
       Umfrage des Jerusalemer Medien- und Kommunikationszentrums rechnen deutlich
       über die Hälfte der Palästinenser nicht mehr damit, dass Obama die Chancen
       für einen Frieden steigert.
       
       20 Oct 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA