# taz.de -- Kommentar türkisch-kurdische Versöhnung: Vor einer neuen Türkei
       
       > Wenn Erdogan auch nur einen Teil seiner Kurdenpolitk durchsetzt, wäre das
       > eine Wende in der 80-jährigen Geschichte der Republik, hin zu mehr
       > Freiheit, Pluralismus und politischer Aussöhnung.
       
       Als erster Ministerpräsident seines Landes räumte Tayyip Erdogan vor vier
       Jahren die Existenz einer "Kurdenfrage" – im Gegensatz zum bloßen
       "Terrorproblem" – ein. Nun will er sich an die Lösung machen und mit einem
       15-Punkte-Programm die tiefe Kluft zwischen Türken und Kurden überbrücken,
       die 25 Jahre Krieg gegen die PKK, mehr als 40.000 Tote und einen
       Massenexodus aus den kurdischen Dörfern des Ostens in die Armenviertel der
       westtürkischen Metropolen geschaffen haben.
       
       Erdogans Pläne sind ambitioniert: Die kurdische Sprache soll endlich an
       Schulen und Universitäten frei gelehrt und gesprochen werden dürfen;
       kurdische Dörfer ihre ursprünglichen Namen, die vom Staat türkisiert
       wurden, zurückerhalten. Den verbliebenen PKK-Rebellen sollen Angebote zum
       Ausstieg gemacht, die Militärpräsenz im Osten des Landes soll gelockert
       werden. Das ist nicht weniger als eine historische Zäsur.
       
       Der Zeitpunkt scheint günstig: Erdogan weiß im Parlament eine absolute
       Mehrheit hinter sich, auch den Widerstand der Armee hat er weitgehend
       überwunden. Von Euphorie ist in der Türkei derzeit allerdings wenig zu
       spüren. Vielen Türken geht Erdogan jetzt schon zu weit, vielen Kurden nicht
       weit genug.
       
       Doch wenn der Premier auch nur die Hälfte seiner Vorhaben durchbringt, wäre
       das nicht nur ein Bruch mit der falschen Politik der letzten 30 Jahre.
       Sondern eine Wende in der 80-jährigen Geschichte der Republik, hin zu mehr
       Freiheit, Pluralismus und politischer Aussöhnung.
       
       Europa muss an dieser Entwicklung ein Interesse haben. Es kann zwar nicht
       viel tun, um Erdogan auf seinem Weg zu unterstützen: jede direkte
       Einmischung würde ihm nur schaden. Aber es könnte Druck auf seine Gegner
       ausüben, um sie zur Mäßigung zu bewegen: was machen noch mal die türkischen
       Linksnationalisten der CHP in der Sozialistischen Internationale?
       
       13 Nov 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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