# taz.de -- Sportgericht urteilt in Doping-Affäre: Eisläuferin Pechstein bleibt gesperrt
       
       > Die sportliche Laufbahn von Claudia Pechstein könnte zu Ende sein: Die
       > Sperrung der Eisschnelllauf-Olympiasiegerin wegen auffälliger Blutwerte
       > wird nicht aufgehoben.
       
 (IMG) Bild: "Das zu akzeptieren, ist für mich unglaublich hart": Claudia Pechstein.
       
       BERLIN taz | "Ich habe lernen müssen, dass es ausgerechnet vor
       Sportgerichten offenbar keinen Platz für das im Sport so oft beschworene
       Fair Play gibt." Claudia Pechstein, Eisschnellläuferin und Deutschlands
       erfolgreichste Winterolympionikin kann nicht fassen, dass der
       Internationale Sportgerichtshof Cas in Lausanne nicht in ihrem Sinne
       geurteilt hat. Die drei Richter des Cas bestätigten in ihrem Urteil die
       Zweijahressperre, die die Internationale Eislaufunion ISU im Juli gegen sie
       ausgesprochen hatte. Das Blut, das der heute 37-Jährigen im Februar 2009
       während der Mehrkampf-WM in Hamar abgezapft worden war, hatte derart
       auffällige Werte aufgewiesen, dass es nur eine Erklärung dafür geben
       konnte: Blutdoping.
       
       Gegen die Sperre hatten Claudia Pechstein und der nationale Verband, die
       Deutsche Eisschnelllaufgesellschaft, vor dem Cas geklagt. Doch der
       bestätigte nun in seinem abschließenden Urteil die Sperre. Es gebe keine
       Hinweise auf eine Krankheit Pechsteins und auch nicht darauf, dass ein
       Gendefekt für die hohen Retikulozytenwerte in ihrem Blut verantwortlich
       sei, so die drei Richter Massimo Coccia (Italien), Stephan Netzle und
       Michele Bernasconi (beide Schweiz) in ihrem Urteil. Der Anteil der
       Retikulozyten, einer Vorstufe der roten Blutkörperchen, waren während der
       Mehrkampf-WM stark erhöht. Elf Tage später aber sind wieder niedrige Werte
       gemessen worden. Für den Cas steht fest, dass sich der im Vergleich zur
       Normalbevölkerung und zu Pechsteins üblichen Werten abnorme
       Retikulozytenanteil einzig durch eine "unerlaubte Manipulation ihres
       eigenen Blutes" begründen lässt. Für den Cas gibt es keinen Zweifel:
       Claudia Pechstein hat gedopt. Die Sperre, die bis Februar 2011 gilt, bleibt
       bestehen.
       
       Kurz nachdem ihr das Urteil zugegangen war, verkündete Pechstein via
       Pressemitteilung, was sie seit Juli bei jeder sich bietenden Gelegenheit
       sagt: "Ich habe nie gedopt und ein reines Gewissen." Dem Gericht wirft sie
       Sportrechtsbeugung vor. Das ursprünglich vor zwei Wochen erwartete Urteil
       sei auch deshalb mit Verspätung gesprochen worden, weil "hinter den
       Kulissen Kräfte gewirkt haben, die den indirekten Beweis in diesem
       Präzedenzfall nicht scheitern sehen wollten". Die Eisschnellläuferin ist
       eine der wenigen Athletinnen, die nicht aufgrund eines positiven
       Dopingtests oder eines Geständnisses gesperrt wurde.
       
       Deshalb wurde das Urteil im Dopingfall Pechstein auch mit großer Spannung
       erwartet, weil anhand eines einzigen Indizes auf Doping geschlossen wurde.
       Das Urteil des Cas könnte nun andere Sportverbände ermutigen, Sportler
       ebenfalls wegen auffälliger Blutwerte aus dem Verkehr zu ziehen. Bei der
       Nationalen Anti-Doping-Agentur in Bonn hat man schon lange auf einen derart
       prominenten Fall gewartet. Nada-Präsident Armin Baumert sagte, noch bevor
       er das Urteil kannte: "Wenn der Cas zu der Ansicht gelangt, dass ein
       Parameter wie der Retikulozytenwert ausreicht, wird das unsere Richtschnur
       sein."
       
       Auch Detlef Thieme, der Leiter des Instituts für Dopinganalytik und
       Sportbiochemie in Kreischa, einem von der internationalen
       Anti-Doping-Agentur Wada akkreditierten Analyselabor, ist sich sicher: "Das
       Prinzip ist bestätigt. Individuelle Blutprofile und Blutpässe werden an
       Bedeutung gewinnen." Das glaubt auch der Kölner Doping-Analytiker Wilhelm
       Schänzer. Er sagt aber auch: "Nicht wohl ist mir aber, dass das Urteil nur
       auf einem Parameter beruht." Die Wada arbeitet derzeit an Richtlinien für
       ein Blutpassprogramm für Sportler. Dort sollen neun verschiedene Parameter
       zur Beurteilung der Werte herangezogen werden.
       
       Man darf nun gespannt sein, ob die Blutbilder, die die nationalen und
       internationalen Sportverbände von ihren Athleten in den letzten Jahren
       angelegt haben, vor den Sportgerichten als Beweismittel vorgelegt werden.
       Der Internationale Radsportverband UCI spricht immer wieder von etlichen
       Profis, deren Blut auffällig unnormal sei. Mal sehen, ob die betreffenden
       Radler nun, da der Cas ein so eindeutiges Urteil gesprochen hat, von ihren
       Verbänden gesperrt werden.
       
       Claudia Pechstein indes will weiterkämpfen gegen die Sperre. Sie will den
       Bereich der Sportgerichtsbarkeit verlassen, in dem die Beweislastumkehr das
       rechtliche Prinzip ist; das heißt, wenn ein Sportverband eine Sperre
       ausgesprochen hat, muss der Sportler seine Unschuld beweisen. Das ist
       Claudia Pechstein vor dem Cas nicht gelungen. Die Rechtmäßigkeit dieses
       Urteils will sie nun vor dem Schweizer Bundesgericht in Lausanne prüfen
       lassen. Ihr Anwalt Simon Bergmann ist der Meinung, "dass der Cas die
       Reichweite der auch im Sportrecht geltenden Unschuldsvermutung verkannt
       hat". Er sprach von einem "schwarzen Tag für die Sportrechtsprechung".
       
       Die sportliche Laufbahn von Claudia Pechstein könnte mit dem Urteil vom
       Mittwoch zu Ende gegangen sein. Bis dato hatte sie immer noch davon
       gesprochen, an den Olympischen Spielen von Vancouver teilnehmen zu wollen.
       "Keine Ahnung, ob die Qualifikation für Olympia noch möglich ist", meint
       sie nun und drückt ganz fest auf die Tränendrüse: "Ich stehe unverschuldet
       vor den Trümmern meiner Karriere." Gedanken machen muss sie sich auch über
       ihre Zukunft als Beamtin der Bundespolizei. Die hat bereits nach dem
       ISU-Urteil ein Disziplinarverfahren gegen Polizeihauptmeisterin Pechstein
       eingeleitet.
       
       Mitarbeit: Johannes Kopp
       
       25 Nov 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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