# taz.de -- Der Fall Claudia Pechstein: Immer noch verehrt
       
       > Der Sportausschuss des Bundestages beschäftigt sich mit Claudia
       > Pechstein. Der fliegen die Herzen vieler Abgeordneter immer noch zu,
       > trotz Sportgerichtshof-Urteil.
       
 (IMG) Bild: Noch lange nicht im Abseits: Schlittschuhläuferin Claudia Pechstein.
       
       BERLIN taz | Alain Baxter war eine der großen Sensationen der Olympischen
       Winterspiele 2002 in Salt Lake City. Der Schotte hat die Bronzemedaille im
       Slalom gewonnen. Er war der erste Brite, der eine olympische Medaille im
       alpinen Skisport gewonnen hat. Doch die musste er bald schon wieder
       abgeben. In seiner Dopingprobe fanden sich Spuren des Stimulans
       Methylamphetamin, einer verbotene Substanz. Baxter hatte ein Nasenspray
       benutzt, das die Substanz enthielt. Er hat das Medikament oft benutzt. Das
       Nasenspray wird in den USA unter demselben Namen wie in Europa vertrieben.
       Nur die Zusammensetzung ist anders. Er hat unwissentlich gedopt.
       
       Das haben ihm alle geglaubt. Auch die Richter am Internationalen
       Sportgerichtshof Cas in Lausanne. Dennoch blieb ihnen nichts anderes übrig,
       als die Sanktionen gegen den Skifahrer zu bestätigten. "Das war ein
       tragischer Fall", meinte am Mittwochnachmittag der Sportrechtler und
       Richter am Cas, Dirk-Reiner Martens, vor dem Sportausschuss des Deutschen
       Bundestages. Der hat sich mit der Causa Claudia Pechstein befasst. Kein
       tragischer Fall für Martens.
       
       Etliche Mitglieder des Ausschusses und auch zwei der geladenen Gäste, der
       Präsident der Deutschen Eisschnelllaufgesellschaft Gerd Heinze und der
       Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes Michael Vesper sehen
       das anders. Die zwei müssen als Verbandsvertreter sagen, dass sie das
       Urteil des Cas, der die von der Internationalen Eisschnelllaufunion ISU
       ausgesprochene Zweijahressperre gegen Pechstein bestätigt hat, akzeptieren.
       Als Medaillenschmiede, als Arbeiter am deutschen Volksstolz, äußern sie
       sich anders. Heinze meinte, dass das Urteil des Cas einen "Schaden für
       Deutschland" mit sich bringe. Vesper sprach von einer "menschlichen
       Tragödie" für Claudia Pechstein.
       
       "Sie hat gedopt." Das hat der grüne Sportpolitiker Winnie Hermann gesagt.
       Für ihn, auch für die neue Ausschussvorsitzende Dagmar Freitag (SPD) hat
       das Urteil Klarheit gebracht. Für die meisten anderen Mitglieder des
       Sportausschusses nicht. Einen "schalen Beigeschmack" habe die Entscheidung,
       meinte der neue CDU-Haudrauf im Sportausschuss, Frank Steffel: "Als
       Berliner habe ich Claudia Pechstein oft getroffen. Ich kann mir das
       aufgrund der Kenntnis des Charakters ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht
       vorstellen." Auch FDP-Mann Joachim Günther sprach von einem Beigeschmack.
       Der Linken-Abgeordnete Jens Petermann brachte auf den Punkt, was die beiden
       wohl so direkt nicht aussprechen haben wollen: In Lausanne sei "auf dem
       Rücken einer Athletin ein Exempel statuiert" worden.
       
       "Ich habe nicht gedopt", lautet das Pechstein-Mantra, seit im Juli die
       Sperre ausgesprochen wurde. Die ihr, die fünf olympische Goldmedaillen für
       Deutschland gewonnen hat, im Juli geglaubt haben, tun dies immer noch. Das
       Urteil, das der Cas gesprochen hat, konnte daran nichts ändern. Und so
       wurde auch im Sportausschuss entlang der jeweiligen Glaubensbekenntnisse
       argumentiert.
       
       Eines der in den letzten Tagen oft zitierten Argumente der
       Pechstein-Getreuen war dabei schnell zertrümmert. Wie ungerecht es sei,
       einem Sportler abzuverlangen, seine Unschuld zu beweisen, beklagte am
       Mittwoch vor dem Sportausschuss auch Eisschnelllaufpräsi Heinze.
       Tatsächlich gibt es im Sportrecht so etwas wie eine Beweislastumkehr. Die
       gilt jedoch nur, wenn eine positive Dopingprobe vorliegt. Dann müssen die
       betroffenen Sportler erklären, wie es zu dem Dopingbefund kommen konnte.
       Bei einem indirekten Dopingnachweis liegt die volle Beweislast bei den
       zuständigen Verbänden. Der Cas hat in seinem Urteil betätigt, dass der
       Beweis von der ISU korrekt geführt worden ist. Das stellte Sportrichter
       Martens für die Abgeordneten noch einmal dar. So weit dazu.
       
       Die Pechstein-Fraktion im Ausschuss meinte dann noch, dass das Urteil so
       nicht gesprochen hätte werden können, wenn die neuen Verfahrensregeln der
       Welt-Anti-Dopingagentur Wada für ein Blutpassprogramm schon gegolten
       hätten. Die sind ebenfalls am Mittwoch vom Exekutivkomitee der Wada
       verabschiedet worden. Darin steht, dass zur Bewertung eines Blutprofils
       neun Parameter herangezogen werden sollen. Im Pechstein-Urteil wird einzig
       mit dem abnorm erhöhten Retikoluzyten-Wert der Schlittschuhläuferin
       argumentiert. Doch die neuen Verfahrensregeln sind nicht bindend. Im
       Wada-Kodex steht, dass ein einziges Beweismittel reicht, um einen Athleten
       des Dopings zu überführen. Das war bei Pechstein der erhöhte Anteil der
       Retikoluzyten, einer Vorstufe der roten Blutkörperchen. Auch unter
       Berücksichtigung der neuen Richtlinien "wäre das Urteil genauso gesprochen
       worden", meint Cas-Richter Martens. Wieder so eine Glaubensfrage.
       
       Bevor in der Tagesordnung des Ausschusses der Fall Pechstein verhandelt
       worden ist, beschäftigten sich die Abgeordneten mit den Wettschiebereien im
       Fußballsport. Dazu war Sylvia Schenk geladen, als Vorsitzende von
       Transparency International Deutschlands strengste Korruptionswächterin. Sie
       erklärte den Abgeordneten, wie korrupte Strukturen entstehen. Kritisch
       sieht sie gerade beim Sport die Ämterverflechtung. Politiker, die in
       Sportvereinen und Verbänden sitzen, verlören ihre Unabhängigkeit. Dagmar
       Freitag, die Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletikverbandes ist, und
       Frank Steffel, der Präsident des Handballbundesligisten Füchse Berlin ist,
       durften sich angesprochen fühlen. Auch Gerd Heinze, der
       Eisschnelllaufpräsi, hat die Anspielung von Schenk verstanden. "Bleiben Sie
       in unserer Nähe", flehte er die Abgeordneten regelrecht an. Er braucht
       Politiker, die an den Sport, an seine Sportler glauben.
       
       Jens Petermann, Sportpolitiker der Linken
       
       4 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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