# taz.de -- Kommentar Späte Ruhe: Die zweite Bestattung Victor Jaras
       
       > Der unter Pinochet ermordete Sänger Víctor Jara wird zum zweiten Mal
       > beigesetzt.
       
 (IMG) Bild: Im Jahr 2009 wurde Jara in Santiago ein zweites Mal beigesetzt
       
       "Pinochet ist tot. Es lebe Chile!" heißt es auf einer ockerfarbenen
       Häuserwand in Santiago. Das Graffito stammt vom Dezember 2006, als der
       greise Tyrann zu Hause starb – und es ist wieder hochaktuell: Mit der
       zweiten Beerdigung von Sängerlegende Víctor Jara haben die ChilenInnen,
       darunter viele junge, ein eindrucksvolles Signal zur weiteren Aufarbeitung
       des Militärregimes (1973-1990) gegeben.
       
       Langsamer als in Argentinien, aber rascher als etwa in Brasilien werden die
       Schergen der Diktatur in Chile zur Verantwortung gezogen – stets gegen den
       heftigen Widerstand der wiedererstarkten Rechten. In Santiago etwa
       versuchte die konservative Stadtverwaltung nach Kräften, das Andenken an
       Víctor Jara klein zu halten.
       
       Wie kaum ein zweiter symbolisiert der Poet und Musiker den Traum der
       lateinamerikanischen Linken von einem demokratischen Sozialismus, der in
       den Nullerjahren neue Formen annimmt: In Uruguay beispielsweise feiert eine
       neue, alte Sozialdemokratie fröhliche Urständ, wie sie in Europa in weiter
       Ferne scheint. Eine pragmatische Wirtschaftspolitik geht dort mit der
       dezidierten Stärkung des Sozialstaates einher, ähnlich wie in Brasilien.
       
       In Bolivien, Ecuador und Venezuela sitzen Staatschefs fest im Sattel, die
       es ernst meinen mit der Umverteilung des Reichtums von oben nach unten.
       Ihren Kollegen in Paraguay und Argentinien weht mehr Gegenwind ins Gesicht.
       
       In Chile ist es noch völlig offen, ob es demnächst zu einer Neuauflage des
       Mitte-Links-Bündnisses Concertación kommt, das nach 20 Jahren ausgelaugt
       wirkt. Denkbar ist aber auch ein Comeback der Rechten einschließlich
       ewiggestriger Pinochet-Fans oder eine Neusortierung des fortschrittlichen
       Spektrums. Die Würfel fallen bei der Stichwahl im Januar. Die Lähmung der
       neoliberal durchwirkten Gesellschaft, eine der Spätfolgen des Terror, lässt
       jedenfalls nach – das ist die wichtigste Botschaft aus Santiago.
       
       6 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Dilger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Chile
       
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