# taz.de -- Seepferdchenstreit: Lernen ohne Lehrer
       
       > Bremens Schulschwimmen-Modell hat viele Nachahmer gefunden. Ob die
       > Vereinbarung zwischen Bildungsbehörde und Bäder-Gesellschaft vor Gericht
       > Bestand hat, zeigt sich aber erst jetzt.
       
 (IMG) Bild: Vielleicht in der Obhut eines Bademeisters, sicherlich aber auf dem Weg zum Seepferdchen: die Schwimmschülerinnen.
       
       Sam hat auch angenehme Erinnerungen ans Schulschwimmen. "Das Schönste war,
       als die eine Bademeisterin die Weisheitszähne gezogen bekam" sagt er. "Da
       konnt sie nicht so rumschreien."
       
       Sam heißt nicht Sam, und er darf als unbefangener Zeuge gelten: Mit der
       Klage hat er nichts zu tun, und ein paar Jahre liegen seine Erfahrungen mit
       dem neuen Schulschwimmen-Modell schon zurück. Dessen Grundzüge wurden
       mehrfach übernommen, auch in Hamburg: Den Unterricht erteilen
       Schwimmmeister im Dienste der Bädergesellschaft.
       
       Mit einem feinen Unterschied: "In Hamburg ist die Behörde für den Transport
       verantwortlich", so Kirsten Ruede von der Hamburger Bäderland GmbH. Dagegen
       ist in Bremen "die Abholung mit Betreuung" Gegenstand der Vereinbarung
       zwischen der Bremer Bäder GmbH und der Bildungssenatorin. Dort berät das
       Verwaltungsgericht heute im Eilverfahren, ob die Schulpflichtveranstaltung
       in der gegenwärtigen Form hätte privatisiert werden dürfen. Der
       Rechtsstreit stellt das ganze Modell in Frage - aber die Hauptrolle spielt
       das Transport-Thema.
       
       Geklagt hat eine Bremer Familie. "Ich will ja, dass mein Sohn
       Schwimmunterricht hat", sagt Gustav Huber*, "gerne auch vom Bademeister",
       das sei nicht das Problem. Sein Sohn? "Der findet es natürlich scheiße,
       nicht mit schwimmen zu gehen", räumt Huber ein, schließlich könne ers ja
       und mache es auch gern. "Aber ich erwarte, dass dabei eine Vertrauensperson
       mitfährt." Die LehrerInnen bleiben jedoch in den Schulen, um dort zu
       unterrichten.
       
       Das ist ja der Witz des Modells: Auf 200.000 Euro bezifferte dessen
       Erfinder Willy Lemke (SPD) den Einspareffekt, "und die Kinder lernen besser
       Schwimmen", so der damalige Bildungssenator. Das hört sich doch ganz
       sinnvoll an. Außerdem gibt es solche und solche BademeisterInnen. "Der die
       Nichtschwimmer hatte", sagt Sam, "hat nicht rumgemotzt". Der sei mit denen
       sogar immer ins Wasser gegangen, "ins kleine Becken". Am Ende des
       Schuljahres konnten die meisten schwimmen, "eigentlich alle". Eine
       Schwimmer-Quote von 86 Prozent habe man mittlerweile in den vierten
       Klassen, so Behörden-Sprecherin Karla Götz, "bei 60 lag sie vor Einführung
       des Modells".
       
       Klar lässt sich fragen: Brauchen denn die Kinder studierte Pädagogen, um im
       Bus zu sitzen? Allerdings: Transporte sind neuralgische Punkte. Das weiß
       man in Bremen seit vergangenem April: Da vergaßen zwei Fahrer des
       Malteser-Hilfsdienstes ein autistisches Kind im Sammelfahrzeug. Ein Fall,
       an den Kläger-Anwalt Matthias Westerholt erinnert. "Vergleichbares", hat er
       ans Gericht geschrieben, "sollte unbedingt vermieden werden". Und immerhin
       findet im Wasser nur ein Viertel des Schwimmunterrichts statt. "Der
       zeitliche Ablauf orientiert sich an einer 30-minütigen Beckenzeit", heißt
       es in der Info-Broschüre der Bremer Bäder Gesellschaft. Insgesamt
       veranschlagt sie "einen durchschnittlichen Zeitaufwand von 1 Stunde 50
       Minuten".
       
       "Es war immer ziemlich laut im Bus", erinnert sich Sam. Nur die
       Begleitpersonen seien unauffällig geblieben, "es gab schon zwei", fällt ihm
       ein, "aber die haben das gar nicht hingekriegt". Gut möglich. Denn dass
       "die Bustransfers von qualifizierten Kräften verantwortlich begleitet"
       werden, wie es in der Vereinbarung zwischen Behörde und Schwimmbetrieb
       steht, bedeutet wenig: Angaben über die Rechtsgrundlage fehlen. Und während
       der zwei 15-minütigen Umkleidephasen ist vertraglich sogar nur "eine
       personelle Betreuung" zugesichert. "Die Behörde hat das überhaupt nicht
       problematisiert", sagt Westerholt. Dabei handele es sich eindeutig um
       Unterricht: "Da hat man", sagt er, "ein diffiziles Schulgesetz - und nur
       hier, wo ein Teil der Beschulung privatisiert wird, spielt das plötzlich
       keine Rolle mehr".
       
       Früher sei oft kein Schwimmunterricht möglich gewesen, heißt es von der
       Behörde. "Da haben die Eltern das dann privat organisiert", so Götz. "Jetzt
       haben wir es flächendeckend für alle 3. Klassen." Klagen habe es seit
       Einführung 2001 keine gegeben - bis jetzt, versteht sich.
       
       10 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
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