# taz.de -- Siemens will AKW bauen: Staatsmilliarden für Atomexporte
       
       > Der Ausstieg aus dem Atomausstieg wird konkret: Siemens beantragt
       > Milliardenbürgschaft für den Bau eines brasilianischen AKW, was bislang
       > nicht zulässig ist.
       
 (IMG) Bild: Die Reaktoren Angra 1 und 2 liegen in einem erdbebengefährdeten Gebiet in der Nähe von Rio de Janeiro.
       
       Der deutsch-französische Atomkonzern Areva/Siemens hat bei der
       Bundesregierung beantragt, den Weiterbau des brasilianischen
       Atomkraftwerkes Angra 3 mit einer staatlichen Hermes-Bürgschaft
       abzusichern. Dies bestätigte eine Sprecherin des Konzerns am Mittwoch der
       taz. Zur Höhe der Bürgschaft wollte sich die Sprecherin nicht äußern.
       Informierte Kreise beziffern das Volumen jedoch auf etwa 1,4 Milliarden
       Euro. Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft bestätigte auf
       taz-Nachfrage, dass der Bundesregierung ein entsprechender Antrag vorliege.
       
       Der Antrag ist brisant, weil die Vergabeleitlinien für Exportbürgschaften
       seit 2001 Atomtechnik ausschließen. Die rot-grüne Bundesregierung hatte die
       staatliche Absicherung von Exportkrediten für den Neubau oder die Umrüstung
       von Atomanlagen im Zuge des damals beschlossenen Atomausstieges
       ausgeschlossen. Doch bereits im Koalitionsvertrag hat Schwarz-Gelb in
       verklausulierter Form erklärt, von dieser Praxis abzuweichen. Dort heißt
       es, zukünftig sollen nur noch "die OECD-Umweltrichtlinien alleiniger
       Maßstab bei der Prüfung von Exportkreditgarantien" sein. In diesen
       Richtlinien findet sich jedoch kein Verbot für die Lieferung von
       Atomkraftwerken.
       
       Für die Abschaffung der Umweltleitlinien ist keine Gesetzesänderung nötig.
       Schwarz-Gelb muss dazu lediglich eine Verwaltungsvorschrift ändern.
       
       "Der Antrag ist ein klares Zeichen, dass die Bundesregierung den Ausstieg
       aus dem Atomausstieg auf allen Kanälen vorbereitet", sagte Sylvia
       Kotting-Uhl, die umweltpolitische Sprecherin der Grünen. Dieser Kurs werde
       das Ende des Booms bei den erneuerbaren Energien einleiten.
       
       Ausgerechnet das seit Jahrzehnten in Misskredit geratene brasilianische
       Atomprogramm soll nun die deutschen Atomexporte wiederbeleben. Die
       Angra-Atomkraftwerke befinden sich in einer erdbebengefährdeten Region.
       Schon 1975 vereinbarten Deutschland und Brasilien einen Vertrag zum Bau von
       acht Atomkraftwerken. Siemens war damals maßgeblich am Bau des "Angra
       2"-Meilers beteiligt, der erst nach 25 Jahren Bauzeit und Rekordkosten von
       etwa 10 Milliarden US-Dollar ans Netz ging. Auch die Arbeiten für den
       Druckwasserreaktor Angra 3 wurden bereits vor 25 Jahren begonnen. Nur 100
       Kilometer Luftlinie entfernt befindet sich die Millionenstadt Rio de
       Janeiro.
       
       "Deutschland beteiligt sich mit solchen Exporten an der Verbreitung von
       potenzieller Atomwaffen-Technologie", kritisiert SPD-Umweltexperte Ulrich
       Kelber. Brasilien hat vor allem während der Zeit der Militärdiktatur
       offensiv daran gearbeitet, in den Kreis der Atommächte aufzusteigen. Noch
       im Jahr 2004 hatte sich der brasilianische Technologieminister Amaral
       öffentlich dafür ausgesprochen. Brasilien weigert sich bis heute, das
       Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Nach wie vor
       gibt es in dem südamerikanischen Land auch keine unabhängige Atomaufsicht,
       sondern nur eine Behörde, die gleichzeitig für die Förderung und Kontrolle
       der Atomkraft zuständig ist. Diese Konstellation wäre in Europa illegal.
       
       "Öffentliche Gelder dürfen in kein Atomgeschäft fließen, das weder modernen
       Sicherheitsanforderungen noch einer Wirtschaftlichkeitsprüfung standhält",
       sagte Regine Richter von der Umweltorganisation urgewald. Die Regierung
       müsse deshalb den Antrag ablehnen.
       
       6 Jan 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tarik Ahmia
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Atomtechnik: Deutsches Geld für Reaktoren in Indien?
       
       Nach der Zusage an Brasilien hoffen nun weitere Schwellenländer auf
       Exportkreditgarantien. Die Anfragen beziehen sich auf weitere AKW-Projekte
       in Indien und China.
       
 (DIR) Brasilianisches Atomkraftwerk Angra 3: "Gefälligkeitsgutachten" fürs AKW
       
       Umweltverbände fordern die Rücknahme der Kreditzusage Deutschlands für ein
       Atomkraftwerk in Brasilien. Denn das Gutachten, auf das sich die
       Bundesregierung stütze, sei oberflächlich und fehlerhaft.
       
 (DIR) Kommentar Atomexporte: Rückkehr der lebenden Toten
       
       Unter der schwarz-gelben Bundesregierung kehren politische Todsünden
       zurück: die Absicherung von Exporten für Atomtechnik mit
       Hermes-Bürgschaften.