# taz.de -- Durchsuchung bei Antifa: Kritik an rechtswidrigen Razzien
       
       > Die Ermittler begründen die Razzien gegen Antifas damit, sie hätten zu
       > Blockaden aufgerufen. Diese sind laut Verfassungsgericht aber längst
       > nicht mehr strafbar.
       
 (IMG) Bild: Nichts Verbotenes: Dresdner protestieren mit Sitzblockaden gegen einen Neonazi-Aufmarsch (Archivbild).
       
       DRESDEN/BERLIN taz | Die Razzien in Dresden und Berlin wegen des Aufrufs
       zur Blockade des Neonaziaufmarschs sorgen für große Empörung: In
       Berlin-Kreuzberg gingen am Dienstagabend spontan 500 wütende
       SympathisantInnen der Antifa-Szene auf die Straße, in Leipzig waren es nach
       Angaben eines Teilnehmers 170.
       
       Auf Anweisung der Dresdner Oberstaatsanwaltschaft hatten Einsatzkräfte der
       Berliner und sächsischen Polizei am Nachmittag zuvor einen
       Antifaversandhandel in Kreuzberg und ein Informationsbüro des bundesweiten
       Bündnisses Dresden Nazifrei in der Landesgeschäftsstelle der sächsischen
       Linken durchsucht. Nach Angaben der Linken wurden in Dresden rund 2.000
       Plakate beschlagnahmt, in Berlin waren es nach taz-Informationen 5.000
       Plakate und 20.000 bis 30.000 Flyer. Auch Computer wurden gescannt oder
       gleich mitgenommen.
       
       Der für die Razzien verantwortliche Dresdner Oberstaatsanwalt Christian
       Avenarius begründete die Razzien damit, dass auf den Plakaten zu Blockaden
       aufgerufen wird. Aus Sicht der Ermittler sei damit zu Straftaten aufgerufen
       worden, weil damit eine bereits genehmigte Demonstration behindert werden
       solle. "Auch die braunen Dumpfbacken haben das Recht, Versammlungsfreiheit
       in Anspruch zu nehmen, wenn die Demo gestattet wurde", sagte Avenarius.
       
       Alt- und Neonazis mobilisieren wie bereits in den Vorjahren auch in diesem
       Jahr zu einem Aufmarsch anlässlich des Jahrestags der Luftangriffe auf
       Dresden im Zweiten Weltkrieg am 13. Februar 1945. Dabei handelt es sich um
       den inzwischen größten Naziaufmarsch Europas. Allein im vergangenen Jahr
       nahmen 6.000 Rechtsextremisten teil. Neben Antifas haben auch
       Gewerkschaften und Parteien zu den Gegenprotesten aufgerufen.
       Oberstaatsanwalt Avenarius behauptet hingegen, der Aufruf zur
       Gegendemonstration sei ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.
       
       Dabei irrt Avenarius. Denn Sitzblockaden fallen bereits seit 1995 nicht
       mehr unter den Gewaltbegriff des Paragrafen 240 des Strafgesetzbuchs. Wenn
       überhaupt ist nur Nötigung strafbar. Dieser Straftatbestand ist aber erst
       dann erfüllt, wenn der Blockierer "über die durch ihre körperliche
       Anwesenheit verursachte psychische Einwirkung hinaus eine physische
       Barriere errichten". Dies ist bei friedlichen Sitzblockaden nicht der Fall,
       was auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat.
       
       Politiker der Linkspartei sehen in den Razzien einen gezielten Schlag gegen
       die linke Szene. Der "stets eingeforderte Aufstand der Anständigen" werde
       damit kriminalisiert, sagte der noch amtierende Linke-Bundesgeschäftsführer
       Dietmar Bartsch. Nach Ansicht des Grünen-Bundestagsabgeordneten
       Hans-Christian Ströbele sind die polizeilichen Maßnahmen geeignet, "dem
       geplanten Naziaufmarsch in Dresden Tor und Tür zu öffnen".
       
       Sachsens CDU-FDP-Koalition hat indes ihr Vorhaben verwirklicht, noch vor
       dem 13. Februar das Demonstrationsrecht einzuschränken. Am Mittwoch
       verabschiedete sie im Landtag ein Gesetz, das Versammlungsverbote am
       Leipziger Völkerschlachtdenkmal und in Teilen der Dresdner Innenstadt mit
       der Frauenkirche ermöglicht. Auch örtliche Behörden dürfen solche sensiblen
       Orte definieren.
       
       Viele Gutachter und die Opposition äußerten dagegen grundsätzliche
       Bedenken. Die Linke kündigte bereits Verfassungsklage an. Zudem glauben
       viele, darunter auch Dresdens Zweiter Bürgermeister, Detlef Sittel, dass
       das Gesetz Naziaufmärsche nicht generell verhindern kann.
       
       21 Jan 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
 (DIR) Felix Lee
       
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