# taz.de -- Keine Vorratsdatenspeicherung: Trotzige Schweden
       
       > Die Schweden pfeifen auf die Vorratsdatenspeicherung und wollen kein
       > Gesetz dazu verabschieden. Sie ignorieren sogar eine Verurteilung durch
       > die EU. Auch aus Angst vor der Piratenpartei.
       
 (IMG) Bild: Die Piratenpartei ist wieder da. Zumindest in Schweden wird sie gefürchtet.
       
       STOCKHOLM taz | Schweden hat sich bislang geweigert, die 2006 beschlossene
       und umstrittene Direktive der EU zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen.
       Während in anderen Ländern, wie auch in Deutschland, diese Direktive durch
       nationale Gesetzgebung schon vor über zwei Jahren in Kraft gesetzt wurde,
       hat man in Stockholm bisher gemauert.
       
       Am Donnerstag kam die Quittung. Auf Antrag der EU-Kommission verurteilte
       das EU-Gericht in Luxemburg das Königreich Schweden wegen Verstoßes gegen
       den EU-Vertrag. Doch die schwedische Regierung kündigte an, weiter
       ungehorsam sein zu wollen.
       
       Man werde trotz des Urteils dem Parlament keinen entsprechenden
       Gesetzentwurf zur Umsetzung der Direktive in schwedisches Recht vorlegen,
       erklärte Justizministerin Beatrice Ask. Die Regierung habe sich nämlich
       nach wie vor kein abschließendes Urteil gebildet, ob diese Direktive nicht
       auf unzulässige Weise die Integrität einzelner Mitbürger verletze und damit
       ein Menschenrechtsverstoß sei.
       
       Schweden ist normalerweise ein Musterknabe, wenn es um die Umsetzung der
       EU-Gesetzgebung geht. Doch in den vergangenen zwei Jahren haben
       verschiedene nationale Gesetzesvorhaben eine heftige Debatte ausgelöst. Ein
       Beispiel ist das FRA-Gesetz. Damit sollte die Überwachung des
       grenzüberschreitenden Email-Verkehrs durch den militärischen Geheimdienst
       erlaubt werden. Und als selbst aus den Reihen der Koalitionsfraktionen der
       Vorwurf kam, man sei damit auf dem Weg in den Überwachungsstaat, ist man
       vorsichtig geworden.
       
       Diese Debatten trugen in Schweden maßgeblich zum Aufstieg der Piratenpartei
       bei und dass sie zwei Sitze im EU-Parlament erringen konnte. Im September
       sind in Schweden Parlamentswahlen und die Regierung wird sich daher hüten,
       vorher noch eine Debatte über Vorratsdatenspeicherung vom Zaun zu brechen.
       Die Piratenpartei könnte in diesem Fall nämlich eine realistische Chance
       haben, die Vier-Prozent-Sperrklausel zu überspringen.
       
       So ergibt sich jetzt die kuriose Situation, dass die vorherige
       sozialdemokratisch geführte schwedische Regierung eine Direktive in Brüssel
       absegnete, die ihre konservativ-liberale Nachfolgerin nun blockiert. Und in
       der EU-Kommission, die Schweden nun gerichtlich zur Umsetzung zwingen will,
       als neue schwedische Kommissarin und ausgerechnet zuständig für das Ressort
       „Innere Sicherheit“ mit Cecilia Malmström eine heftige Kritikerin der
       EU-Direktive zur Vorratsdatenspeicherung sitzt. Malmström kündigte bei
       ihrer Befragung durch das Parlament an, sie werde überprüfen, inwieweit
       diese Direktive mit dem übrigen EU-Recht vereinbar sei.
       
       Kommt sie dabei nicht zu überraschenden Erkenntnissen, dürfte die im Herbst
       antretende neue schwedische Regierung das heikle Problem erben. Zumindest
       zog das EU-Gericht nicht die Daumenschrauben an und verhängte eine mögliche
       Geldbuße für jeden Tag der fortgesetzten „Vertragsverletzung“ gegen
       Schweden. Als Sanktion für seinen „Ungehorsam“ muss Stockholm erstmal nur
       die Gerichtskosten tragen.
       
       (Az. C-185/09)
       
       5 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
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