# taz.de -- Anti-Nazi-Demo in Dresden: Die rechte Kapitulation
       
       > Die Nazis wollten sich in Dresden inszenieren. Doch couragierte Menschen
       > machten ihnen einen Strich durch die Rechnung – die Neonazis schmollen
       > jetzt.
       
 (IMG) Bild: 1:0 gegen Neonazis: Über 10.000 Straßenblockierer und ebenso viele Bürger mit einer Menschenkette.
       
       DRESDEN taz | Am Ende bricht sich der Frust Bahn. "Wir wollen marschieren,
       wir wollen marschieren", hallt es über den Vorplatz des Bahnhofs Neustadt.
       Skandiert von rund 5.000, fast durchweg schwarz gekleideten Neonazis,
       eingekesselt hintern Gittern und Polizei. "Die Straße frei der deutschen
       Jugend." Gruppen junger Kameradschaftler drängen gegen die Absperrgitter.
       Plötzlich fliegen Böller, Plastikflaschen und Eisbrocken auf Polizisten.
       
       Es sind die eigenen Neonazi-Ordner, die ihre Kameraden zurückdrängen. Auf
       der Bühne aber wird weitergepeitscht. "Es ist faschistisch, was uns dieser
       Staat und seine Polizeiarmee heute bieten", krakeelt ein Redner von einem
       mit Deutschlandfahnen behängten Lkw-Anhänger. "Das werden wir nicht
       vergessen und wir werden wiederkommen."
       
       Nüchtern lässt die Polizei ihren Lautsprecher dagegenschallen: "Aufgrund
       der Sicherheitslage können wir Ihren Aufzug weiterhin nicht durchführen.
       Bitte verbleiben Sie auf dem Platz." Eine halbe Stunde später, um 17 Uhr -
       länger wurde ihnen ihr Aufzug im Vorfeld nicht genehmigt -, ziehen die
       Rechtsextremen wieder zurück in den Bahnhof Neustadt und nach Hause. Ohne
       marschiert zu sein.
       
       Es ist eine doppelte Niederlage, die die Neonazis an diesem Samstag in
       Dresden kassieren. Seit zwölf Jahren trommelt die Junge Landsmannschaft
       Ostdeutschland (JLO) am Gedenktag der Bombardierung Dresdens die
       rechtsextreme Szene zu einem "Trauermarsch" in der Stadt zusammen.
       
       Doch an diesem Samstag verhindern über 10.000 Straßenblockierer den Aufzug
       der Geschichtsverdreher. Und in der Dresdner Altstadt schaffen es ebenso
       viele Bürger mit einer Menschenkette, die Neonazis zahlenmäßig weit zu
       übertrumpfen. Aus dem einstigen rechtsextremen Dresden-Großaufmarsch wird
       an diesem Tag eine deftige Niederlage.
       
       Bereits um neun Uhr morgens tauchen die ersten linken Gegenprotestler in
       der Dresdner Neustadt auf. Wenig später befinden sich Sitzblockaden in
       allen Straßen um den Bahnhof. Abgeordnete der Linkspartei aus Sachsen,
       Thüringen und Hessen melden auf der Hansastraße hinter dem Bahnhof spontan
       eine öffentliche Fraktionssitzung an. "Jetzt diskutieren wir erst mal die
       Geschäftsordnung", schmunzelt Hessens Linke-Fraktionschef Willi von Ooyen.
       "Das kann dauern."
       
       Noch bevor der Neonazi-Tross eintrifft, winkt ein bayrischer
       Polizei-Einsatzleiter ab: "Wenn das hier friedlich bleibt, können wir die
       nicht mehr alle räumen. Dann kommen die Rechtsextremen nicht weg." Es
       bleibt friedlich.
       
       Familien, Rentner, Autonome applaudieren Liedermacher Konstantin Wecker,
       als der singt: "Es geht ums tun, nicht ums siegen." "Ich glaube, heute
       können wir ein wirksames Zeichen setzen", hoffen ein 69-jähriger Dresdner
       und seine Frau.
       
       Auf der anderen Seite der Elbe steht Dresdens CDU-Oberbürgermeisterin Helma
       Orosz am Mittag vor ihrem Rathaus und zeigt sich baff. "Sie sehen mich
       überwältigt über diese Resonanz." Vor Orosz stehen über 15.000 Dresdner auf
       dem Rathausplatz. Fast jeder trägt eine weiße Rose am Revers, das
       verabredete Gedenkzeichen an diesem Tag. Links spielt der Posaunenchor.
       "Dieser Tag wird für immer ein Gedenken bleiben, an den schrecklichsten Tag
       Dresdens", sagt Orosz. "Aber auch daran, wer diesen verdammten Krieg
       losgetreten hat." Als sich die Dresdner nach Orosz Rede zu einer
       Menschenkette formieren, schlängelt sich diese einmal komplett um die
       Altstadt, vorbei an Synagoge und Frauenkirche, in doppelten Reihen am
       Elbufer entlang. Auf dem Altmarkt steht Orosz Hand in Hand mit Sachsens
       Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), vier Politiker weiter
       Linke-Vorstand Petra Pau. Noch vor einem Jahr hatte sich die CDU gesträubt,
       mit der Linkspartei an dem Gedenktag zusammenzuwirken. Heute spricht Orosz
       von einer "gemeinsamen Festung Dresden gegen Intoleranz und Dummheit".
       
       Grüppchenweise trudeln Rechtsextreme aus den Zügen am Bahnhof Neustadt. Die
       NPD und ihre Bundes- und Landesspitzen sind da. Auch DVU-Chef Mathias
       Faust. Kameradschaftler, autonome Nationalisten. Eine schwedische
       Neonazi-Delegation entrollt ihre Fahnen.
       
       Aus Lautsprechern tönen keltische Filmmusik und Wagner-Sinfonien.
       Dazwischen beklagt der Bundeschef der Jungnationalen "die deutschen Opfer
       des alliierten Bombenterrors", fordert ein "anderes Deutschland ohne
       undeutsche Deutsche". Gleich neben dem Bahnhofseingang, gegenüber einer
       Stele zur Erinnerung an die Deportation von 130.000 Dresdner Juden im
       Zweiten Weltkrieg, bauen die Neonazis ihren Bratwurststand auf. Dann heißt
       es für sie warten.
       
       Beinah ohne Polizeibegleitung marschieren plötzlich über 1.000 Neonazis von
       ihren Bussen aus dem Norden der Stadt zum Bahnhof. Als sie auf eine Gruppe
       Blockierer treffen, kommt es zu einer kurzen Schlägerei. Ein paar Straßen
       weiter zünden Autonome Müllcontainer an, werfen einen Kleinwagen um.
       Bereits am Vormittag hatten rund 100 Protestler kurzzeitig die Gleise zum
       Bahnhof Neustadt besetzt.
       
       Als "teils unübersichtlich" wird Polizeipräsident Dieter Hanitsch den
       Einsatz seiner 5.693 eingesetzten Beamten später bezeichnen. "Das hat uns
       viel Kraft gekostet." 27 Verletzte und 29 Festnahmen zählt die Polizei am
       Tagesende. Als die Rechtsextremen in den Zügen verschwinden, macht ein
       junges Neonazi-Pärchen noch ein Erinnerungsfoto vor dem
       Bahnhofs-Drogeriemarkt. Daneben schreien Kameradschaftler: "Nationaler
       Sozialismus, jetzt, jetzt, jetzt". Keine Vorkommnisse beim Abzug der
       Rechtsextremen, meldet die Polizei.
       
       Auf dem Albertplatz herrscht ausgelassene Stimmung. Die Sambaband spielt
       noch. "Würde man nicht denken, dass wir gerade acht Stunden bei der Kälte
       auf einem Fleck gesessen haben", strahlt Hans Coppi, Historiker und
       Landeschef des Berliner Bundes der Antifaschisten. "Wo die Politik in den
       vergangenen Jahren versagt hat, ist die Zivilgesellschaft heute
       eingesprungen."
       
       Bereits seit Monaten hatte das Bündnis Dresden Nazifrei zu "gewaltfreien,
       aber entschlossenen" Sitzblockaden in die sächsische Landeshauptstadt
       mobilisiert. Über 120 Busse erreichten am Samstag schließlich die Stadt,
       allein aus Berlin kamen 36. Den letzten Mobilisierungsschub gab die
       Dresdner Staatsanwaltschaft: Wegen des "Aufrufs zu Straftaten" ordnete sie
       Beschlagnahmungen und Durchsuchungen gegen das Bündnis an. "Das gab uns
       noch mal einen ,Jetzt erst Recht'-Auftrieb", bekennt ein Sprecher.
       
       Lena Roth von Dresden Nazifrei wertet die Proteste als "großen Erfolg". Es
       sei die Vielfalt und Entschlossenheit der Blockaden gewesen, die den
       Neonazi-Aufmarsch verhindert hätten. Auch der Berliner Grüne Christian
       Ströbele lobt die Blockaden: Nur so sei es gelungen, erstmalig die Neonazis
       zu stoppen.
       
       Den Rechtsextremen bleibt dagegen eine Niederlage, die nachwirken wird.
       Nach Wunsiedel und Halbe droht die Szene nun auch ihren letzten
       Großaufmarsch zu verlieren. Längst stehen rechtsextremen
       Massenveranstaltungen nicht mehr nur symbolische Aktionen, sondern aktives
       Verhindern entgegen. Bereits 2008 hatten in Köln breite Protest- und
       Blockadeaktionen einen großspurig angekündigten rechtsextremen
       "Anti-Islam-Gipfel" verhindert.
       
       Entsprechend gefrustet zeigte sich die Szene nach dem verhinderten
       Dresden-Aufmarsch. Gegen die "Schikanen" gegen den Aufzug werde man
       juristisch vorgehen, kündigt JLO-Chef Kai Pfürstinger am Sonntag der taz
       an. Zwar werde Dresden als Aufmarschort nicht in Frage gestellt. "Es wird
       nächstes Jahr aber ein geändertes Vorgehen geben", so Pfürstinger. Noch bis
       2015 hat die JLO ihre "Trauermärsche" in Dresden angemeldet. Auch Sachsens
       NPD-Chef Holger Apfel kündigte "künftig neue Formen des Vorgehens" an. Und
       echauffierte sich dann über das Polizeivorgehen und "das Gegeifer der
       CDU-Bürgermeisterin".
       
       Am Samstagabend sind es schließlich hunderte Dresdner, vor allem Ältere,
       die sich mit weißen Kerzen vor der Frauenkirche versammeln. Der Kammerchor
       singt, es ist dunkel und ruhig geworden. Nur in der Ferne brummt ein
       Polizeihelikopter. Für viele Dresdner beginnt erst jetzt ihr eigentliches
       Gedenken an die Opfer der Bombardierung ihrer Stadt vor 65 Jahren am Ende
       des Zweiten Weltkrieges, bei der bis zu 25.000 Einwohner starben. "Dresden
       hat heute ein starkes Zeichen gegen Intoleranz gesetzt", sagt
       Bürgermeisterin Orosz.
       
       Sie meint die Bürger aus der Menschenkette. Den Aufmarsch tausender
       Neonazis haben aber andere verhindert. Die Straßenblockierer, drüben auf
       der anderen Elbseite. Erstmalig nach zwölf Jahren.
       
       15 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Blockierte Nazi-Demo in Dresden: Niederlage für die Rechten
       
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       nach.
       
 (DIR) Kommentar Dresden: Effektive Blockaden
       
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 (DIR) Nazi-Aufmarsch in Dresden: "Ausgerechnet vom Bahnhof"
       
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 (DIR) Ticker "Dresden Nazifrei": "Wenn keine Steine fliegen"
       
       Nazi-Aufmarsch verhindert! Tausende bei mehreren großen, friedlichen
       Blockaden. 4000 "Autonome Nationalisten". Auch die Menschenkette hat alle
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 (DIR) Blockierte Nazi-Demo in Dresden: "Diese Bande gehört nicht hierher!"
       
       Entschlossene Blockaden und eine Menschenkette verhindern den
       „Trauermarsch“ der Nazis am Tag der Bombardierung Dresdens und kehren den
       Trend der letzten Jahre um.
       
 (DIR) Nazi-Aufmarsch in Dresden: Eine Menschenkette für alle
       
       Dresden einigt sich auf einen Anti-Nazi-Protest, an dem auch die CDU
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